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Atelierbesuch. Mongolische Künstler*innen im Porträt
Außenwelt und Innenwelt: Zu Gast bei dem Medienkünstler B. Bat-Erdene

Porträt Bat-Erdene Batchuluun
© Goethe-Institut Mongolei/A.Schnorbusch

B. Bat-Erdene, geboren 1983 in Ulan Bator, ist Medienkünstler und Mitglied des Künstlerkollektivs HUMAN NATURE LOVE FREEDOM. Seine Werke wurden in Norwegen, den Niederlanden, Südkorea und den USA gezeigt. Zuletzt trug er eine Videoarbeit zur Online-Ausstellung „Hybrid By Nature: Human. Machine. Interaction.“ des Goethe-Instituts bei. Wir sind zu einem Gespräch in seinem Atelier verabredet.

Von Alexander Schnorbusch

Bat-Erdene ist gerade damit beschäftigt, den Boden zu wischen, als wir an die Tür seines Ateliers im 7. Stockwerk des Olymp-Plaza-Gebäudes im Süden Ulan Bators klopfen. Ein schmaler, feucht-glänzender Pfad führt vom Eingangsbereich in die große Einzimmerwohnung, die er und sein Freund Dorjderem zu ihrem Arbeitsplatz gemacht haben. Er sei länger nicht hier gewesen, entschuldigt sich Bat-Erdene. Er habe noch ein anderes Atelier, wo ihm ein 3D-Drucker zur Verfügung stehe, den er für seine neueste Arbeit brauche.

In der Mitte des Raumes steht eine alte Holzbank vor einem Kaffeetisch, darauf ein Kerzenständer aus buntem Glas und drei Wasserflaschen. Das Nachmittagslicht fällt von Norden, Süden und Osten herein. Auf einer Kommode stehen kleine Schnitzarbeiten (Schachfiguren), mit denen Bat-Erdene sich manchmal die Zeit vertreibt. Dorjderem hat einen schwarzen, an eine Hindu-Gottheit erinnernden Jack-Ma-Kopf hinzu getöpfert. Es gibt jede Menge fertige und unfertige Arbeiten auf dem Boden und an den Wänden, eine ausklappbare Aluminiumleiter, eine große Lautsprecherbox, ein Klavier und eine Kettensäge.

  • B. Bat-Erdene in seinem Atelier © Goethe-Institut Mongolei/A.Schnorbusch
    B. Bat-Erdene in seinem Atelier
  • Atelier mit Arbeiten von B. Bat-Erdene und D. Dorjderem © Goethe-Institut Mongolei/A.Schnorbusch
    Atelier mit Arbeiten von B. Bat-Erdene und D. Dorjderem
  • Maske aus Ziegenleder © Goethe-Institut Mongolei/A.Schnorbusch
    Maske aus Ziegenleder
  • Schnitzarbeiten © Goethe-Institut Mongolei/A.Schnorbusch
    Schnitzarbeiten


ZONKH (FENSTER)

AS: Im Juni fand in Ulan Bator das Golden Ger International Film Festival statt. 2014, als das Festival noch auf experimentelle Kurzfilme beschränkt war, wurde Deine Videoarbeit Zonkh (Fenster) mit dem Hauptpreis geehrt. Damit begann Deine Karriere als Künstler.

BB: Das kann man so sagen. Ich habe bis 2007 an der Universität für Kunst und Kultur im Fachbereich „Mongol Zurag“ studiert, das Studium aber nicht abgeschlossen. Ich hatte die Aufnahmeprüfung zunächst nicht bestanden und kam über die Warteliste zufällig in die „Mongol Zurag“-Klasse. Ich fühlte mich den anderen Student*innen anfangs unterlegen. Viele hatte bereits eine eigene Innenwelt als Künstler*innen. Ich hatte diese Innenwelt damals noch nicht, und auch nach dem Studium brauchte ich erst noch Zeit.

AS: Du hast nach dem Studium mehrere Jahre als Bühnenbildner und Kameramann bei einer Filmproduktionsfirma gearbeitet. Wann hast Du Dich entschieden, wieder eigene Kunst zu machen?

BB: Als Kameramann arbeitete ich unter anderem für die Sendung 100 berühmte Mongolen. Das waren in der Regel ältere Menschen, die trotz ihrer Bekanntheit bitter und enttäuscht auf ihr Leben zurückblickten. Ich habe gedacht: So darfst Du nicht werden. Du musst jetzt etwas eigenes machen.

AS: Zonkh ist eine Collage von Aufnahmen, die auf den ersten Blick unzusammenhängend wirken: Nackte Füße im Sand, fressende Tiere, Stadtbilder und Wolken, die am Himmel vorüberziehen. Dazwischen immer wieder ein Mann, der aus dem Fenster schaut und dessen Wahrnehmung die einzelnen Bilder vielleicht zugeordnet werden können. Am Ende überrascht der Film durch die Gegenüberstellung des Fensters mit dem Dachkranz einer mongolischen Jurte.

BB: Ich suche in meinen Arbeiten nicht nach Sinn und Bedeutung. Mir gefiel es damals, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Ich sammelte Bilder und Geräusche, die einem bestimmten, flüchtigen Gefühl Ausdruck gaben. Dann kam mir die Idee zu Zonkh und ich habe alles noch einmal neu gemacht. Das Fenster steht vielleicht für die Hektik der Welt. Durch den Dachkranz der Jurte sieht man immer nur den blauen Himmel.
 

SEARCHING FOR ... ME

AS: Du arbeitest immer noch viel im Medium Film. Ein anderer Schwerpunkt Deiner Arbeit liegt auf Licht-Installationen wie Once in the Sky oder Searching for ... me. Der Titel erinnert mich an das, was Du gerade über Deine innere Entwicklung als Künstler sagtest. Erzähl uns mehr darüber.

BB: Eine Sache, die mich nach dem Studium beschäftigte, war meine Familiengeschichte. Ich entdeckte interessante Parallelen. Mein Großvater mütterlicherseits war ein sehr wortkarger Mann. Er war Busfahrer in einem Staatsunternehmen. Ich dachte, dass er diese Arbeit sein ganzes Leben gemacht hat, aber dann erfuhr ich, dass er als junger Mann für die staatliche Filmproduktionsfirma gearbeitet hat: Als Bühnenbildner und Kameramann, genau wie ich. Außerdem arbeitete er als Spion für den Geheimdienst.

AS: Worin besteht hier die Parallele?

BB: Als Spion muss man gut beobachten können. Man muss ernst, geduldig und vorsichtig sein. Darin erkannte ich mich wieder. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Vorfahren mich aus der Ferne beeinflussen. Dort drüben steht eine Arbeit von 2020 (On/Off), in der ich mich mit Gefühlen meiner Kindheit auseinandersetze. Ich musste dafür viel schweißen und hämmern. Einer meiner Urgroßväter väterlicherseits war Schmied.

AS: Hast Du künstlerische Vorbilder?

BB: Vorbilder würde ich nicht sagen, aber ich mag Marc Chagall und Modigliani.

AS: Und mit Blick auf die mongolische Tradition?

BB: Zanabazar.
 
  • Lichtinstallation „Searching... for me“ © B.Bat-Erdene
    Lichtinstallation „Searching... for me“
  • Lichtinstallation „Searching... for me“ © B. Bat-Erdene
    Lichtinstallation „Searching... for me“
  • Lichtinstallation „Searching... for me“ © B.Bat-Erdene
    Lichtinstallation „Searching... for me“

H.M. HOME

AS: Aktuell ist Deine Videoarbeit H.M. Home im Rahmen der Goethe-Online-Ausstellung „Hybrid by Nature“ zu sehen. Insgesamt 13 Künstler*innen gehen dort der Frage nach, wie Menschen und Maschinen heute immer stärker interagieren und neue, hybride Lebensformen schaffen. Worauf hast Du in Deiner Arbeit den Fokus gelegt?

BB: Am Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema stand die Frage nach dem Bewusstsein. Alles Leben, und damit auch jedes Bewusstsein und jede Intelligenz, ist dem Wasser entsprungen, das einst die gesamte Erdoberfläche bedeckte. Daher beginnt H.M. Home mit Bildern von Wasser in seiner natürlichen und seiner artifiziellen Form. Von dort ausgehend gelange ich über verschiedene Stationen schließlich zur Frage nach der Religion, die bereits ein sehr entwickeltes Bewusstsein voraussetzt. Der Titel H.M. Home spielt darauf an, dass menschliche und künstliche Intelligenz längst koexistieren. Die Welt ist unser gemeinsames Zuhause.

AS: Künstliche Intelligenz findet in ganz unterschiedlichen Formen Anwendung: Von der Entwicklung neuer Therapieverfahren in der Medizin bis hin zur Massenüberwachung in totalitären politischen Systemen. Für Dich persönlich, überwiegen die Chancen oder Gefahren?

BB: Vielleicht sollten wir künstliche Intelligenz einfach nutzen, anstatt sie anzubeten.

AS: Nutzt Du künstliche Intelligenz für Deine Arbeit?

BB: Ja, zum Beispiel wenn ich zur Ausführung meiner Ideen einen 3D-Drucker verwende oder Dinge im virtuellen Raum erschaffe. Künstliche Intelligenz kann bestimmte Aufgaben sehr genau und zeiteffizient erledigen. Dadurch sparen wir Künstler*innen Zeit (lacht). Ich glaube jedoch nicht, dass Kunst jemals ganz in künstlicher Intelligenz aufgehen wird. Dafür spielen Chaos und Zufälligkeiten hier eine zu wichtige Rolle.

AS: Vielen Dank für das Gespräch!
Atelierbesuch: Mongolische Künstler*innen im Porträt

Die zeitgenössische mongolische Kunstszene ist vielseitig und dynamisch. In Malerei und elektronischer Musik, Tanz und Film, Literatur und Medienkunst suchen und finden mongolische Künstler*innen neue Ausdrucksformen und ihren je eigenen Zugang zur Welt. Alexander Schnorbusch, Autor und Mitherausgeber zweier Buchreihen des Monsudar Verlags, trifft die Künstler*innen in ihrem Arbeitsumfeld und stellt sie Ihnen vor. 








 

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