Narrative der Migration in Ost- und Südostasien
Einführung
Migration wird von Erzählungen begleitet: die Grenzpassage erfordert bestimmte Geschichten, das Wissen, welches Migration organisiert, zirkuliert in Netzwerken – in lose geknüpften ebenso wie in familiären und in solchen der Freundschaft. Geschichten der Migration, die zumeist keinen Platz in der offiziellen Geschichtsschreibung haben, werden so aufgezeichnet, erinnert und weitergegeben. Sie finden sich in Briefen, Gesprächen, Telefonaten, im Netz sozialer Medien, aber auch in Büchern, Filmen, Fotografien, in Zeichnungen, in Liedern und in der Kunst. Was, wie und wo Migration ist, wird von denjenigen bestimmt, die sich auf den Weg machen, weniger von jenen, die sie mit Gesetzen versuchen einzugrenzen; Migration steht aber immer im Verhältnis zu Ort und Zeit. Wo Migration stattfindet, wird stets auch etwas neu geschrieben: Migration macht Geschichte.
Migration Narratives nähert sich aus unterschiedlicher künstlerischer und kuratorischer Perspektive einer Vielzahl von Erzählungen und Geschichten und fragt dabei nicht nur nach deren Inhalten, sondern auch den Formaten. Migration Narratives, das sind Dokumente, Berichte und Fabulationen gleichermaßen.
Den Ausgangspunkt macht eine räumliche Setzung, das Verfahren ist das des Austauschs und der Relation: Kurator*innen aus Südost- und Ostasien haben sich in einem 2jährigen Prozess mit dem Verhältnis von Kunst und Migration befasst.
Im Mittelpunkt standen unter anderem folgende Fragen: Wer spricht wann von Migration? Was wird jeweils verhandelt? Wie steht es um das Verhältnis von Kunst und Migration? Sind das Kunstwerke über Migration, über Migrant*innen, von Migrant*innen? Ist Kunst einer der Schauplätze von Migration, als Thema, als Struktur, als Haltung? Ist Migration eine künstlerische oder vor allem eine kunstvolle Praxis? Bringt Migration Kunst hervor, ermöglicht Kunst Migration oder ist es nicht eher andersherum? Sind Kunst und Migration verwandt? Gibt es eine Kunst der Migration, über oder mit Migration?
Migration Narratives umfasst eine Reihe von Projekten und Stationen in Asien und versucht dabei, Verbindungslinien zu ziehen: zwischen Kunst und Migration, zwischen den beteiligten Kurator*innen, zwischen den jeweiligen Recherchen, zwischen den Orten, an und in denen Migration Narratives stattfand und noch stattfinden wird, mit Workshops, Recherchereisen, gemeinsamen Sichtungen, Studiobesuchen und Künstlergesprächen sowie Einzel- und Gruppenausstellungen.
Ausstellungen und Wortveranstaltungen in Beijing, Hongkong, Ulan Bator und Gwangju machen diesen Austausch in künstlerischen Auftragswerken und kuratorischen Beiträgen aus der Gruppe sichtbar.
Nanna Heidenreich