Die Romane und Filme der größten westafrikanischen Ethnie Hausa genießen große Popularität, durchdringen jedoch kaum die Sprachgrenze. Carmen McCain hat zu Hausa-Literatur und Film promoviert, und zudem vor Ort in Nigeria als Schauspielerin mitgewirkt: „Ich wollte das nicht bloß studieren, sondern hingehen, um Teil dessen zu sein.“
Wie hat sich die Videokunst in Nigeria entwickelt?
Was hat dich motiviert, zu Literatur und Film in der Hausa-Sprache zu forschen?
Als ich ein Promotionsprogramm am Institut für Afrikanische Sprachen und Literaturen an der University of Wisconsin in Madison (USA) begann, plante ich noch, über englischsprachige Literatur zu schreiben. Ich wusste kaum etwas von Hausa-Literatur, bis ich 2005 – wie es das Programm vorsah – nach Sokoto in Nordnigeria ging, um meine Hausa-Sprachkenntnisse zu verbessern. Mein Lehrer Malami Buba hielt mich dazu an, Romane zu lesen; zudem besuchte ich lokale Filmclubs und lieh mir Hausa-Filme aus. Das Lesen fühlte sich nach Hausarbeit an, bis ich Ado Ahmad Gidan Dabino’s Roman „In da So da Kauna“ (Wo Liebe und Zuneigung sind) las, der die Geschichte einer unglücklichen Liebe zwischen einem reichen Mädchen und einem armen Jungen erzählt. Ein wohlhabender Mann besticht die Großmutter des Mädchens, um so deren Eltern zu zwingen, sie mit ihm zu verheiraten. Ich verschlang die Geschichte gierig, so wie ich an der High School Science Fiction gelesen hatte. Dies ist der Roman, der meine Liebe zur Hausa-Literatur entfachte.
Ich war auch vom Singen und Tanzen in den Hausa-Filmen sowie von den jungen Menschen angetan, die Geschichten über das Alltagsleben in Nordnigeria erzählten. Es gab zwar einige Wissenschaftler, die über Hausa-Literatur und Film geschrieben hatten, darunter mein Lehrer Malami Buba sowie Graham Furniss, Novian Whitsitt, Brian Larkin, und insbesondere Abdalla Uba Adamu und Yusuf Adamu von der Bayero University, aber erst jetzt nahm ich dies zur Kenntnis. Ich fragte mich, warum die Schriftsteller, die ich aus der Stadt Jos kannte und die der Association of Nigerian Authors verbunden waren, nie über Hausa-Literatur gesprochen hatten. Ich sah darin ein dringlicheres Untersuchungsfeld als englischsprachige Literatur, zu der Wissenschaftler allerorts Zugang haben.
Mich faszinierten schon immer Literaturbewegungen, in denen Schriftsteller, Künstler und Musiker sich gegenseitig beeinflussen. Diese Bewegung hier und jetzt in Nordnigeria schien mir eine solche zu sein. Ich wollte das nicht bloß studieren, sondern hingehen, um Teil dessen zu sein. Mithilfe eines Forschungsstipendiums konnte ich 2006 nach Kano gehen. Am Ende meiner Forschungsarbeit wandte ich mich der Filmindustrie und der Zensurkrise zu, die ich 2007 bis 2011 während meines Aufenthalts in Kano hautnah miterlebte. Dort verbrachte ich viel Zeit in Filmstudios und Sets und durfte sogar einige Nebenrollen in Filmen übernehmen, was mir große Freude bereitete!
Wie hat sich die Schreib- und Lesekultur in Nordnigeria entwickelt?
Schreiben und Lesen wurden im heutigen Nordnigera wahrscheinlich seit dem 11. oder 12. Jahrhundert praktiziert. Viele der frühen Schriften waren auf Arabisch, aber seit mindestens 1600 wurden Hausa-Schriften auf Ajami (der arabischen Schrift für nicht-arabische Sprachen) dokumentiert. Der religiöse und politische Reformer Usman dan Fodio war ein berühmter Wissenschaftler. Seine ganze Familie widmete sich der Wissenschaft, Übersetzung und Lehre – am bekanntesten war seine Tochter Nana Asma’u. Als die britische Kolonialregierung Hausa als Verwaltungssprache einführte, entschied sie sich für die lateinische Schrift anstelle von Ajami. In den 1930er Jahren wurde ein Schreibwettbewerb veranstaltet, um die besten Einreichungen zu publizieren und so Lesestoff in lateinischer Schrift zu bieten. Einige der bekanntesten frühen Hausa-Romanautoren gingen aus diesem Wettbewerb hervor, darunter Abubakar Imam, späterer Herausgeber der Hausa-Zeitung „Gaskiya Ta Fi Kwabo“, und Sir Abubakar Tafawa Balewa, der erste Ministerpräsident von Nigeria, der den Roman „Shaihu Umar“ über Sklaverei in der Sahelzone schrieb. Die Schreibproduktion folgte etwa 60 Jahre dieser Tradition und wurde meistens von Regierungsverlagen für den Schulgebrauch publiziert.
In den 1980er Jahren gab es eine große Anzahl junger Leute, die mit Lesen und Schreiben in lateinischer Schrift aufgewachsen waren. Obwohl die Verlage durch Umstrukturierungsprogramme behindert wurden, machte die Verbreitung von Computern es den Menschen leichter, selbst professionell aussehende Bücher zu veröffentlichen. Dass die Romane oft Pamphlete oder Volksbücher genannt werden, liegt daran, dass sie gewöhnlich in Serien, meistens von zwei bis fünf Bänden, erscheinen. Auf diese Weise können die Schriftsteller schnell und günstig publizieren und für junge Leute erschwingliche Preise anbieten. Ado Ahmad Gidan Dabino und Balaraba Ramat Yakubu waren frühe populäre Schriftsteller, die der Gruppe Raina Kama angehörten. Dabino besitzt mittlerweile ein Verlagshaus mit Editionsservice. Der Autor übernimmt die Druckkosten, jedoch wird er seinen Namen als Herausgeber nur dann auf ein Buch setzen, wenn es eine bestimmte Qualität erfüllt.
Es gibt Hunderte von Schriftstellern, Tausende von Romanen und wahrscheinlich Millionen von Lesern in Nordnigeria, der Republik Niger und den umgebenden Regionen. Obwohl die Romane „littattafan soyayya“, Liebesromane, genannt werden, wird der „Romanzen“-Aspekt übergewichtet. So reichen die Romane von Familiendrama, Sozialkritik bis zu Krimis, Politthriller und Fantasy-Abenteuer. Die mediale Rezeption der Bücher weckt den Eindruck, als würden sie ausschließlich von Frauen geschrieben. Zwar lesen Frauen lieber Bücher von anderen Frauen, aber diese Literaturbewegung umfasst gleichermaßen Männer und Frauen. Ich sehe überall Leser: in Taxis, auf Hochzeiten, bei sich zu Hause, in Studios und an Filmsets. Es gibt Buchclubs, und oft sind Romane im Radio zu hören, in Zeitungen seriell veröffentlicht, oder auch filmisch adaptiert. In der nigerianischen Bildungsschicht kursiert der klischeehafte Vorwurf, dass es im Lande „keine Lesekultur“ gebe. Das ist Unsinn, selbst im Englischen. Gerade in Bezug auf Hausa kann man nicht im Entferntesten von einer „mangelnden Lesekultur“ sprechen.
Kannst du die Entwicklung von der populären Hausa-Literatur zum sogenannten Kannywood-Film in Nordnigeria beschreiben?
Hausa-Romane und Filme waren in ihrer Entwicklung wechselseitig verwoben. Theaterschauspieler wurden zu Romanautoren und später zu Regisseuren, Produzenten und Drehbuchautoren; zudem verfilmten Regisseure oft Hausa-Romane. In dieser Hinsicht gibt es eine viel engere und organischere Verbindung zwischen der populären Literatur und der Filmindustrie als beim englischsprachigen Nollywood-Film. Ibrahim Birniwa, etwa ist ein bekannter Romanautor, der Blockbuster-Filme geschrieben hat. Ein anderer Schriftsteller, der populäre Drehbücher verfasst hat, ist Nazir Adam Salih. Wenn auch weniger Schriftstellerinnen direkt in der Filmindustrie arbeiten, sind manche von ihnen wie Balaraba Ramat Yakubu als Produzentinnen und Drehbuchautorinnen tätig. Balaraba Ramat Yakubu, die sieben Romane geschrieben hat, plant derzeit den Dreh einer Fernsehserie ihres zweibändigen Romans „Wa Zai Auri Jahila?“, der die Geschichte von einem Mädchen erzählt, die als Zwölfjährige mit einem 50 Jahre alten Mann verheiratet wurde und dann davonlief, eine Ausbildung erhielt und ein erfüllteres, unabhängiges Leben führte.
Kannst du die Entwicklung von der populären Hausa-Literatur zum sogenannten Kannywood-Film in Nordnigeria beschreiben?
Hausa-Romane und Filme
Hausa-Romane und Filme waren in ihrer Entwicklung wechselseitig verwoben. Theaterschauspieler wurden zu Romanautoren und später zu Regisseuren, Produzenten und Drehbuchautoren; zudem verfilmten Regisseure oft Hausa-Romane. In dieser Hinsicht gibt es eine viel engere und organischere Verbindung zwischen der populären Literatur und der Filmindustrie als beim englischsprachigen Nollywood-Film. Ibrahim Birniwa, etwa ist ein bekannter Romanautor, der Blockbuster-Filme geschrieben hat. Ein anderer Schriftsteller, der populäre Drehbücher verfasst hat, ist Nazir Adam Salih.
Wenn auch weniger Schriftstellerinnen direkt in der Filmindustrie arbeiten, sind manche von ihnen wie Balaraba Ramat Yakubu als Produzentinnen und Drehbuchautorinnen tätig. Balaraba Ramat Yakubu, die sieben Romane geschrieben hat, plant derzeit den Dreh einer Fernsehserie ihres zweibändigen Romans „Wa Zai Auri Jahila?“, der die Geschichte von einem Mädchen erzählt, die als Zwölfjährige mit einem 50 Jahre alten Mann verheiratet wurde und dann davonlief, eine Ausbildung erhielt und ein erfüllteres, unabhängiges Leben führte.
Was würdest du der vorherrschenden Ansicht der Kritiker entgegnen, demnach Hausa-Romane und Filme westlichen Stereotypen unterliegen, auf indischen Filmen basieren, das Publikum korrupten globalen Einflüssen aussetzen und Hausa-Kultur falsch darstellen?
Kritikpunkte
Das sind häufige Kritikpunkte. Sicher enthalten die Romane westliche und indische Einflüsse, aber meiner Meinung nach zeigt sich darin, wie diese Einflüsse im Alltag erlebt werden. Indische Filme sind seit gut 50 Jahren ein fester Bestandteil des Lebens in Nordnigeria. Die Leute haben auf ihrer Hochzeit „indische Nächte“, sie importieren Saris, Bindis und Salwar Kamize. Sie besuchen Schulen, wo sie Englisch lernen, und schauen sich amerikanische Filme und Musikvideos an.
Die Romane und Filme nehmen diese Einflüsse kreativ in die Geschichten auf und reflektieren die Hausa-Gesellschaft so wie sie ist. Es stimmt, dass manche Geschichten gekünstelt oder unrealistisch und sensationsheischend sind. Aber das gilt für populäre Kultur weltweit. Viele der Autoren beanspruchen für sich, über Dinge zu schreiben, die sie erlebt oder beobachtet haben. Daher halte ich die Rede von „indischen Einflüssen“ manchmal für übertrieben. Bei „Sin is a Puppy that Follows You Home“, dem kürzlich übersetzten Roman von Balaraba Ramat Yakubu, handelt es sich laut der Öffentlichkeit um einen von Bollywood beeinflussten Liebesroman. Aber ich sehe darin viel weniger Indien-Einflüsse als in anderen Romanen, und es ist weniger ein Liebesroman als eine Sozialkritik. Der Hausa-Forscher Brian Larkin weist darauf hin, dass die Menschen Ähnlichkeiten sehen zwischen indischen Filmen und dem Kleidungsstil, den Essgewohnheiten und den Bräuchen der Hausa-Kultur. Oft handelt es sich also eher um eine Anerkennung von Parallelen zwischen beiden Kulturen als um eine bewusste Nachahmung.
Wie würdest du heutzutage die Haltung der Hausa-Schriftsteller gegenüber der konservativen Gesellschaft und dem Terror der Gruppe Boko Haram beschreiben, sowie dem schnellen sozialen Wandel in Nordnigeria?
Das ist ein etwas empfindliches Thema. In meinem gegenwärtigen Forschungsprojekt untersuche ich, wie Boko Haram in Romanen und Filmen reflektiert wird, aber bei diesen Fragen muss man vorsichtig sein. Die Menschen sind sehr besorgt über Boko Haram und wollen sich keinen Angriffen aussetzen, indem sie darüber schreiben. Man muss bedenken, dass Boko Haram ein recht junges Phänomen ist und dass schon Jahrzehnte zuvor Romane in Hausa geschrieben wurden. Einige der Romane setzen sich damit auseinander, wie man friedlich in einer konservativen Gesellschaft leben kann, andere treiben die Grenzen voran und fordern die sozialen Normen heraus, während andere wiederum vor den Ausschweifungen des modernen Lebens „warnen“, aber in einer Weise, die die konservativen Kritiker als bedrohlich empfinden. In meinen Gesprächen mit Schriftstellern ist es vielen ein Hauptanliegen, bestimmte Inhalte zu „lehren“. Aber wie mir Nazir Adam Salih, ein wirklich großartiger Autor von Thrillern, sagte: Wenn man den Leuten zu viel predigt, wollen sie den Roman nicht mehr lesen, deshalb muss man die moralische Lektion in einer unterhaltsamen Geschichte verpacken. Das gelingt ihm bestens.