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19:30 Uhr

Aus dem Nichts - Mittwochskino

Spielfilm, FSK 14 | Regie: Fatih Akin, 2017, Farbe, 106 min

  • Goethe-Institut Peru, Lima 15072

  • Sprache Deutsch mit Spanisch UT
  • Preis Eintritt frei, begrenzte Sitzkapazität

Aus dem Nichts © Warner Brothers/Gordon Timpen, SMPSP

Aus dem Nichts © Boris Laewen / bombero international_WarnerBros.Ent.

Aus dem Nichts, ein Film von Fatih Akin

Katja Şekercis Mann Nuri und ihr kleiner Sohn Rocco sind Opfer eines Bombenanschlags geworden. Die Frau gerät in eine tiefe Krise, zumal die Polizei zu lange den rechtsradikalen Hintergrund ignoriert. Als dann doch die Täter vor Gericht stehen, muss Katja eine neue schmerzhafte Erfahrung machen – sie werden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Nun will die junge Frau selbst für Gerechtigkeit sorgen.

Hier der Trailer zum Film!


MEHR ZUM FILM

Im Gefängnis hatte für Nuri Şekerci, verurteilt wegen Drogenhandels, ein neues Leben begonnen, als er Katja heiratete. Anschließend hatte er BWL studiert, ein Büro für Steuerberatung und Übersetzungen eröffnet – und vor allem: einen Sohn bekommen. Mit Unterstützung seines Vaters kann sich die junge Familie in Hamburg sogar ein eigenes Haus leisten. Das Glück könnte vollkommen sein, da geschieht das Unfassbare: In seinem Büro werden Nuri und der kleine Rocco durch einen brutalen Nagelbomben-Anschlag ermordet. Katja ist verzweifelt, flüchtet in den Drogenkonsum und überlebt einen Selbstmordversuch.

Ähnlich schmerzhaft sind Katjas Erfahrungen nach dem Mord. Die Polizei stellt ihr Fragen, die eine Mitschuld Nuris suggerieren und wie das Haus finanziert wurde; eine Zeitung behauptet, der Tote sei wohl ein Drogendealer gewesen. Katja erinnert sich: Als sie Rocco bei seinem Vater zur Obhut überließ, hatte eine junge Frau vor dem Büro ein nagelneues Fahrrad abgestellt, mit einem Koffer auf dem Gepäckträger. Katja sprach die Unbekannte an, weil die das Fahrrad nicht abgesperrt hatte. Bald kommt die Witwe zur Überzeugung: Es waren Neo-Nazis, die Nuri und Rocco ermordet hatten. Bei einer Durchsuchung im Haus der Şekercis findet die Polizei Drogen – zu wenig für eine Strafverfolgung. Auch als Katja erstmals ihren Verdacht äußert, dass es Nazis gewesen seien, die Nuri und Rocco ermordet hatten, argwöhnt die Polizei immer noch, die Täter könnten aus dem Drogen-Milieu kommen.

Von ihrer Familie kann Katja keine Hilfe erwarten. Im Gegenteil: Nuris Eltern wollen die Leichen ihres Sohns und ihres Enkels in die Türkei überführen lassen, um sie dort zu begraben und werfen der Witwe vor: „Du hättest besser aufpassen müssen!“ Katjas Mutter kommentiert böse: „Was hat dein Mann bloß aus dir gemacht!“ Katja ist mit ihren Kräften am Ende, schneidet sich in der Badewanne die Pulsadern auf und überlebt, weil Rechtsanwalt Danilo Fava im letzten Moment anruft und ihr mitteilt, was die Polizei inzwischen offiziell bestätigt hat: Die Mörder waren Nazis.

Fatih Akin hat seinen Film in drei Kapitel gegliedert: „Die Familie“, „Gerechtigkeit“ und „Das Meer“. Das Kapitel „Gerechtigkeit“ erzählt davon, dass es diese, in diesem Fall, vor Gericht nicht gibt. Im Prozess gegen die Täter, gegen Edda und André Möller, versucht deren Verteidigung, mit dreisten Winkelzügen, falschen Anschuldigungen und Hinweisen auf Nuris Vergangenheit von der Schuld ihrer Mandanten abzulenken. Auch eine ehrliche und verzweifelte Aussage von Andrés Vater, der seinen Sohn schwer belastet, kommt nicht gegen die Lügen des griechischen Zeugen Makris an, der den Angeklagten für den Zeitpunkt der Tat ein falsches Alibi gibt. Danilo Fava, Katjas Anwalt, vermutet, dass dahinter ein weltweites Nazi-Netz stecken könnte. Obwohl Recherchen im Internet seinen Verdacht bestätigen, wird das Mörderpaar aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Katja will das Recht selbst in die Hand nehmen; sie fährt nach Griechenland und spürt den lügenden Zeugen und das Mörderpärchen auf, das in einem Camper an einem einsamen Strand den Urlaub genießt. Sie baut eine Nagelbombe, mit Roccos elektrischem Spielzeug-Auto als Zünder, deponiert sie unter dem Fahrzeug – und entfernt sie wieder. Nach einer verzweifelten Nacht am Strand versteckt Katja die Bombe erneut – aber begibt sich zu dem Mörderpaar in den Camper, bevor sie die Bombe zündet.

„Seit der Enttarnung des NSU 2011 habe ich viel an die Opfer und deren Angehörige gedacht. Wie sind sie mit der Sache umgegangen, bevor sie wussten, dass es den NSU gab? Wie gehen sie heute damit um? Haben sie Rachegedanken, hätte ich welche? In welcher Beziehung stehen Rache und unser Justizsystem? Mich wühlt das Thema auf, auch weil ich ein potenzielles Opfer solcher Zellen wäre. Aus dem Gefühl sich wehren zu müssen, ist die Idee zu diesem Film entstanden. Aber dann begann ich zu arbeiten, und der Film entwickelte sich in eine andere Richtung, als ich es mir anfangs vorgestellt hatte. Die Mutterfigur und ihr Schmerz wurden wichtiger als der politische Zusammenhang, der den Impuls für die Geschichte lieferte.“ (Fatih Akin).

Im Abspann verweist Fatih Akin direkt auf den aktuellen Bezug seines Films, auf die rechte Terrorzelle „NSU“, die in Deutschland gezielt Bürger mit Emigrations-Hintergrund ermordet hat, und auf den Prozess gegen die Angeklagte Beate Zschäpe; vor allem ihre Verteidiger haben dafür gesorgt, dass in dem 2013 begonnenen Verfahren nach fünf Jahren immer noch kein Urteil gefällt werden konnte. Die auch im Abspann erwähnten Anspielungen und Parallelen sind unübersehbar – aber doch bewegt sich AUS DEM NICHTS in einem gewissen Sicherheitsabstand, um juristisch unangreifbar zu bleiben. Das Finale ist ebenso fiktiv wie der Zeitpunkt des Mordes im Jahr 2016.

Aus dem Nichts wurde u.a. mit dem Golden Globe und dem Critics Award und der „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet und stand auf der Oscar-Shortlist.

Hans Günther Pflaum, 28.06.2018


Ort

Goethe-Institut Peru
Jirón Nazca 722
Jesús María
Lima 15072
Peru