Politische TV-Unterhaltung
„Satire und Journalismus können sich produktiv ergänzen“
Im deutschen Fernsehen widmen sich Satireformate verstärkt politischen Themen. Doch mit ihren US-amerikanischen Vorbildern sind sie nur schwer vergleichbar, sagt Medienwissenschaft Benedikt Porzelt.
Herr Porzelt, manche politische Satiresendungen erreichen in Deutschland mehr Fernsehzuschauer als Nachrichtenmagazine. Macht Comedy klassischem Journalismus Konkurrenz?
Politische Satiresendungen sind natürlich keine journalistischen Formate, sondern Unterhaltung – auch wenn sie sich wie etwa die Heute-Show an Nachrichten orientieren. Man kann allerdings feststellen, dass viele Satire-Formate inzwischen stark auf journalistische Berichterstattung Bezug nehmen. Im Kern geht es darum, diese auf humorvolle Art zu kommentieren. Ich würde also eher sagen, dass sich Satire und Journalismus auf produktive Weise ergänzen können. Nachweislich kommen Formate wie die Heute-Show beim jüngeren onlineaffinen Publikum sehr gut an. Und aus den USA gibt es tatsächlich Studien, die den Schluss nahelegen, dass Satiresendungen dort als wichtige Informationsquelle dienen. Diese Beobachtung lässt sich jedoch nicht problemlos auf Deutschland übertragen.
Satire in den USA und Deutschland
Wo liegen die Unterschiede?Dr. Benedikt Porzelt | Foto (Ausschnitt) © Andreas Irzinger Zunächst in den Formaten selbst. In Deutschland haben wir es bei den aktuell auffälligsten Formaten wie der Heute-Show, Die Anstalt, Neo Magazin Royale und Extra 3 mit Sendungen zu tun, die nicht ganz an den Stellenwert US-amerikanischer Formate heranreichen. Dort haben Komiker wie Jon Stewart schon Mitte der 1990er-Jahre begonnen, Comedy mit harten Fakten zu kombinieren. Als die Heute-Show dieses Konzept bei ihrem Start 2009 aufnahm, war das in Deutschland noch vollkommen neu. Hier gab es lange eine strikte Trennung zwischen anspruchsvoller politischer Satire, wie sie das Kabarett repräsentiert, und Comedy, die vermeintlich nur unterhalten will. Inzwischen mischt man diese Stilmittel mehr oder weniger erfolgreich. Aber mit den Präsentationen eines John Oliver in Last Week Tonight with John Oliver sind sie dennoch nicht vergleichbar.
Was ist das Besondere an diesem Format?
John Oliver und seinem Team aus Schreibern und Rechercheuren gelingt es, hart recherchierte Fakten so mit Gags zu kombinieren, dass die Fakten nicht verfälscht werden – selbst auf Kosten möglicher Lacher. Das versuchen deutsche Formate zwar auch, aber mit wechselndem Erfolg. In der Heute-Show beispielsweise findet man immer wieder News, die zwar Gag-Potenzial haben, es aus guten Gründen aber nicht in die klassischen Nachrichten geschafft haben. Und ein bisweilen sehr progressives Format wie Neo Magazin Royale, das durch clevere, online überaus erfolgreiche Einspieler auffällt, kann diese Qualität oftmals nicht über eine komplette Episode halten.
Metakritik am Journalismus
Allerdings sind die medialen Rahmenbedingungen in Deutschland und den USA auch ziemlich verschieden.Richtig. In Deutschland können wir uns, im Gegensatz zu den USA, auf die Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Sender verlassen, die nicht unter dem Druck stehen, Schlagzeilen verkaufen zu müssen. Bedingt durch die bisweilen sehr populistische Berichterstattung in den USA, hat Satire dort inzwischen die Rolle von „oppositional news“ übernommen. Diese „nachrichtliche Gegenberichterstattung“ ist für immer mehr Zuschauer tatsächlich zu einer wichtigen Alternative zu den teilweise grob faktenverfälschenden Darstellungen parteinaher Sender wie Fox geworden.
Sie sprachen anfänglich von einer produktiven Wechselwirkung zwischen Satire und Journalismus im deutschen Fernsehen. Könnten Sie dies näher erläutern?
Politische Satire im Stil der Heute-Show ist unbedingt auf professionellen, investigativen Journalismus angewiesen. Ohne die Arbeit klassischer Nachrichten-Formate, das betonten auch die Verantwortlichen aller Satire-Sendungen immer wieder, würde ihre Arbeit nicht funktionieren. Gleichzeitig bietet Satire die Möglichkeit, Metakritik an der Berichterstattung der Medien zu üben. Das ist in einer Zeit, in der die klassischen News-Formate zunehmend in der Kritik stehen, extrem wichtig für den öffentlichen Diskurs. Hinzu kommt die Tatsache, dass Satire besonders gut in den neuen Medien und für eine jüngere Zielgruppe funktioniert. Davon können natürlich auch klassische Formate profitieren. So können Satire-Sendungen bestehende journalistische Berichte unterhaltsam aufgreifen und dadurch im Idealfall größere Aufmerksamkeit für ein Thema generieren.
Wahlkampf mit Satire
In den USA wird im November 2016 die Präsidentschaftswahl entschieden, in Deutschland steht 2017 die Bundestagswahl an. Welche Rolle spielen politische Satire-Sendungen in diesem Zusammenhang?In den USA spielen sie inzwischen nachweislich eine ziemlich große. Schon in den vergangenen Präsidentschaftswahlen hatten sich Formate wie die Daily Show oder bis 2014 auch der Colbert Report als wichtige Informationsquelle etabliert. Ranghohe Politiker, darunter auch Barack Obama, nutzen Auftritte in den Shows zu Wahlkampfzwecken: Man kann sich in einer unkonventionellen Art und Weise präsentieren und erreicht vor allem ein junges Publikum.
Haben das inzwischen auch deutsche Politiker erkannt?
Ja, auch für deutsche Politiker werden Auftritte, zum Beispiel in der Heute-Show, interessant. Schon im Wahljahr 2013 haben viele Politiker den Weg in Satire-Talks gesucht. Dieses Phänomen haben wir in einem umfangreichen Forschungsprojekt intensiv untersucht. Das Besondere an solchen Situationen ist, dass Kommunikationsroutinen aufgebrochen werden. Und gerade Politikern wird häufig vorgeworfen, dass sie solchen Routinen verhaftet sind, dass sie nicht authentisch sind und sich hinter Floskeln verstecken. In einer Satire-Show haben sie die Chance, dieses Image zu durchbrechen und sich als selbstironisch und unterhaltsam zu präsentieren. Allerdings kann das auch nach hinten losgehen, wenn sie sich ungeschickt anstellen.
Dr. Benedikt Porzelt erforscht als Medienwissenschaftler seit mehreren Jahren die unterhaltsame Inszenierung von Politik. Im Jahr 2013 promovierte Benedikt Porzelt mit einer empirischen Studie zur humorvollen Kommunikation und deren Potenzial als öffentliche Kritikform.