Es war einmal – eine alte Textform, die sich in allen Kulturen findet. Diese fantastischen Geschichten waren so bedeutend, dass sie in Deutschland 2016 sogar als immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurden. Über fünf deutsche Märchen, die noch heute in unseren Bücherregalen leben.
Kinder- und Hausmärchen - Brüder Grimm
Wer an Märchen denkt, dem fallen als allererstes die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm ein – und das sagt der Autor keinesfalls aufgrund der offenkundigen Namensverwandtschaft. Die Kinder- und Hausmärchen des Brüderpaars – umgangssprachlich Grimms Märchen genannt – haben unsere Vorstellung von der Gattung Märchen bis heute maßgeblich beeinflusst. In der Sammlung vereinten und überarbeiteten die Brüder ab 1812 viele der wichtigsten volkstümlichen Geschichten. Über 200 Erzählungen finden sich darin, die Literaturforschung hat alle durchnummeriert – die Geschichte vom Aschenputtel trägt beispielsweise den wenig märchenhaften Namen KHM 21.
Der Sandmann – E.T.A Hoffmann
Diese 1816 veröffentlichte Erzählung mag bei einigen längst verdrängte Erinnerungen an Klausuren im Deutschunterricht hervorrufen. Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann lohnt tatsächlich einen zweiten Blick. Es handelt sich auch hier um ein Märchen, genauer gesagt: ein Kunstmärchen. Anders als die Sammlung der Brüder Grimm sind diese Märchen einem Autor zuweisbar, es sind keine überlieferten Volksgeschichten. Heutige Horror-Fans können Hoffmann dankbar sein, gilt doch der Sandmann als ein wesentlicher Vorläufer der Schauergeschichte – das enthaltene Motiv vom Verhältnis zwischen Mensch und Maschine könnte kaum aktueller sein.
Der Dichter – Hermann Hesse
Den Namen Hermann Hesse verbindet man vor allem mit seinen Prosastücken wie Der Steppenwolf oder Narziß und Goldmund. Doch der deutsch-schweizerische Literaturnobelpreisträger verfasste auch zahlreiche Kunstmärchen. Eines davon heißt Der Dichter. Es geht darin um die Reise und die Selbstfindung des chinesischen Poeten Han Fook. Ohne dieses 1919 erschienene Werk gäbe es vielleicht kein Siddartha und auch kein Glasperlenspiel – einige Motive, die in dem Märchen vorkommen, griff Hesse in seinen bekannten Texten wieder auf.
Momo – Michael Ende
Eines der populärsten Jugendbücher ist eigentlich ein Märchen – also eine erfundene Geschichte ohne genauere zeitliche und örtliche Angaben. Für ein Märchen ist Momo von Michael Ende mit seinen weit über 200 Seiten ziemlich lang, weshalb man im Zusammenhang mit dem Werk oft vom „Märchen-Roman“ spricht. Wer für für die Lektüre des 1973 erstmals veröffentlichten Buches nicht genug Zeit hat, sollte sich auf die gleichnamige Protagonistin verlassen: Sie kämpft gegen den Zeitdiebstahl durch die grauen Herren.
Die Kinder in der Erde – Gudrun Pausewang
Mit ihren Romanen Die letzten Kinder von Schewenborn und Die Wolke schrieb Gudrun Pausewang unter dem Eindruck des nuklearen Wettrüstens und der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl für den Frieden, die Umwelt und die Jugend. Auch Die Kinder in der Erde, ein Märchen aus der Feder der vielfach ausgezeichneten Kinder- und Jugendbuchautorin könnte kaum weniger gesellschaftlich relevant sein: Kinder rebellieren gegen Erwachsene, die zu wenig gegen die Zerstörung der Umwelt unternehmen. Erschienen ist es übrigens nicht erst in den letzten Jahren, sondern bereits 1988.