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Berlinale 2021
„Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader

„Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader
„Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader | Foto (Ausschnitt): © Christine Fenzl

Im Hauptwettbewerb des Berliner Filmfestivals ist es der erste deutsche Film: In der romantischen Komödie „Ich bin dein Mensch“ testet eine Frau aus Berlin einen aus Mikrochips zusammengesetzten Mann – einen Roboter, der darauf programmiert ist, ein idealer Freund, Liebhaber und Mann zu sein. Das Experiment verläuft, wie man sich vorstellen kann, nicht ganz nach Plan.

Von Egor Moskvitin

Der erste Eindruck vom neuen Festival-Format: endlich sind wir diese Hierarchie los! Alle Filme stehen den Kritiker*innen jetzt nämlich zur gleichen Zeit online zur Verfügung – ab 7 Uhr morgens nach Berliner Zeit. Früher ließ die zeitliche Positionierung darüber sinnieren, wem unter den Konkurrierenden mehr Bedeutung zugemessen wird. Welcher Film wird zur abendlichen „Prime time“ gezeigt und welcher in aller Herrgottsfrühe? Wer ist der Favorit und wer wird offenkundig in eine ungünstige Position gedrängt? Der Zauber des Online-Formats liegt darin, dass das Publikum nun von dieser Voreingenommenheit befreit ist.

Dennoch wäre es interessant zu wissen, auf welchem Startrang ein so ungewöhnlicher Film wie „Ich bin dein Mensch“ ins Rennen gegangen wäre. Einerseits ist Regisseurin Maria Schrader ein alter Hase im deutschen Filmgeschäft. Als Schauspielerin brillierte sie bereits im vergangenen Jahrhundert, als sie auf der Berlinale 1999 – gemeinsam mit ihrer Drehpartnerin Juliane Köhler – den silbernen Bären für die Rolle im Film „Aimée und Jaguar“ bekam, welcher die Liebe zwischen einer Deutschen und einer Jüdin in Berlin zu Zeiten des Krieges behandelt. Als Regisseurin gelang ihr der größte Erfolg im Jahr 2020, als sie einen Emmy für die Mini-Serie „Unorthodox“ erhielt – die Fluchtgeschichte einer jungen Frau aus einer jüdischen Gemeinschaft in den USA ins moderne Berlin. Eigene Spielfilme dreht Schrader selten – nur alle fünf oder zehn Jahre einmal. Und jeder ihrer Filme bannt den Blick.

„Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader „Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader | Foto (Ausschnitt): © Christine Fenzl

Andererseits scheint „Ich bin dein Mensch“ seiner Beschreibung nach nicht mehr als eine Episode von „Black Mirror“ zu sein – oder eine beliebte Komödie im Sinne des kürzlichen russischen Hits „Der (nicht) ideale Mann“. Darin spielt der Sänger Egor Kreed einen Roboter, der dazu erschaffen wurde, alle geheimen Wünsche der Frauen zu erfüllen. Im Film „Ich bin dein Mensch“ ist die Besetzung solider. Der menschenähnliche Roboter wird von dem Briten Dan Stevens gespielt, der aus großen Hollywood-Filmen und Serien bekannt ist. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg mit einem (nicht) idealen Mann zusammenleben und im Anschluss einen Testbericht dazu verfassen soll, wird von Maren Eggert dargestellt, ohne die nicht ein einziger Film von Angela Schanelec auskommt. Die Kuratorin des Projekts spielt Sandra Hüller, Gewinnerin der Berlinale 2006 und Star der Filme von Maren Ade und Thomas Stuber. Ist das nicht eine etwas schwere Artillerie für eine leichte romantische Komödie?

„Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader „Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader | Foto (Ausschnitt): © Christine Fenzl

Ganz offensichtlich nicht: indem er auf brillante Weise das Pflichtprogramm abarbeitet (die sehr berührende, dabei aber auch übermütige und lustige Geschichte einer unmöglichen Liebe zu erzählen), beginnt der Film, sich auf viel schwierigere und tiefergreifende Themen einzulassen. Auf den ersten Blick scheint es so, als ob „Ich bin dein Mensch“ ein umgekehrter „Pygmalion“ sei: ein satirischer Spiegel einer Welt, in der von ihrer Macht geblendete Männer willenlose Frauen zu ihrem Nutzen formen. Doch dann beginnt die Hauptdarstellerin ihren Bericht über die Nutzung des Produkts – und sieht sich mit ernsteren und uneindeutigen Fragen konfrontiert. Wenn Roboter, die nicht von Menschen zu unterscheiden sind, in Serie gehen, müssten sie dann nicht auch Pässe bekommen? Und müsste man sie mit Rechten ausstatten… mit… Menschenrechten? Die Macht ihrer Nutzer*innen einschränken? Ab diesem Moment erinnert der Film an die klassische romantische Komödie „Green Card“, wo der Franzose Gérard Depardieu und die Amerikanerin Andie MacDowell eine fiktive Ehe führen, um an eine Staatsbürgerschaft zu bekommen. Und der Roboter hört plötzlich auf, ein Roboter zu sein und wird zur Metapher dessen, was anders ist – sei es ein Mensch eines anderen Geschlechts oder einer mit Migrationshintergrund.
Schlussendlich lädt der Film zur Reflektion über die Grenzen des gesunden Egoismus in einer Beziehung ein. Denn je älter wir werden, desto größer ist die Verlockung, sich einen „schlüsselfertigen Menschen“ zu suchen – einen Partner, der bereits alle seine Probleme selbst gelöst hat, der 100 (oder besser 1000) Stunden Psychotherapie auf der Couch hinter sich hat und über ausreichend Erfahrung verfügt, es uns in jeder Hinsicht recht zu machen. Allerdings bedingt das eine Entwertung der Gefühle – und aus einer leichten romantischen Komödie mit riesigem Kassenpotential kann einer jener Filme werden, in denen „Happy End“-verwöhnten Zuschauer*innen plötzlich alles auf die Füße fällt. Denn letztlich treten Verstand und Gefühle der akademisch gebildeten Frau doch noch in Konflikt – und wir bleiben ohne eindeutige Antworten zurück. Mit den Filmen „Her“ und „Simon“ war das übrigens ähnlich: die künstliche Intelligenz in ihnen war allzu menschlich, als dass man sich nicht in sie hätte verlieben können.

„Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader „Ich bin dein Mensch“, Regie: Maria Schrader | Foto (Ausschnitt): © Christine Fenzl

Auch gesteht „Ich bin dein Mensch“, so wie die letztjährige „Undine“ (ebenfalls ein Film mit einem doppelten, wenn nicht dreifachen Boden), der Hauptfigur einen interessanten Beruf zu. Dieses Mal ist sie keine Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Vorträge über die architektonische Vergangenheit Berlins hält, sondern forscht zu sumerischen Keilschriften. Sie und ihr Team kämpfen um die Lösung einer ungewöhnlichen Aufgabe: Die Wissenschaftler*innen möchten nachweisen, dass die Sumerer ihre Tafeln nicht nur für bürokratische Ziele, sondern auch im Dienste der Poesie eingesetzt haben. Hier kann sich die Moderne, in der Dates gerne einmal mit Vorstellungsgesprächen verwechselt werden, bei der Antike eine Scheibe abschneiden.

Der Fokus ist jedoch ein anderer: das Anziehende an diesem Film über das Übel der Oberflächlichkeit ist eben nicht seine tiefe Sinnebene, sondern das, was außen ist. Eine leichte, bunte, scheue und sehr lebendige Komödie über eine absurde, aber ehrliche Liebe. So sind wir Menschen eben.

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