Pop-up-Galerien
Eine neue Art der Selbstvermarktung

Eröffnung der Pop-Up Galerie Shaping Clouds
Eröffnung der Pop-Up Galerie Shaping Clouds | Foto (Ausschnitt): © Katerina Valdivia Bruch

Pop-up-Räume schießen wie Pilze aus der Erde. Klein- und Großunternehmer nutzen die Gelegenheit, ihre Produkte zielbewusst für kurze Zeit zu vermarkten. Nomadisch, dynamisch und temporär, Pop-up-Räume liegen im Trend.

Lange galt Berlin als Immobilienparadies mit günstigen Mieten. Viele Künstler, Galeristen, Kuratoren und andere Kulturschaffende zogen in die Hauptstadt, um von den dort vorhandenen großen und günstigen Räumen zu profitieren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Auch in Berlin hat die Gentrifizierung Einzug gehalten: Durch Umbau und Sanierungen werden Stadtviertel aufgewertet, die Mieten steigen und wohlhabendere Bevölkerungsschichten verdrängen die ursprünglichen Bewohner. In diesem Kontext entstehen zurzeit sogenannte Pop-up-Räume, die für eine bestimmte Zeit und für unterschiedlichste Veranstaltungen genutzt werden, wie etwa für Verkostungen von exotischem Essen oder Kochkurse. Es entstehen Pop-up-Stores junger Designer- und Modelabel mit Unikaten, aber auch für Pop-up-Kunstgalerien. Pop-up ist also ein neues Geschäftsmodell, das vor allem Kleinunternehmern die Möglichkeit gibt, ihre Produkte temporär begrenzt an die Öffentlichkeit zu bringen und zu vermarkten.

Selbstvermarktung – eine langjährige Berliner Tradition

Strategien der Selbstvermarktung haben in Berlin eine lange Tradition. Bereits 1964 gründete eine Gruppe von 16 Malern in Berlin-Schöneberg eine „Selbsthilfe-Galerie“ namens Großgörschen 35. Die von Künstlern organisierte Produzentengalerie, zeigte bis 1968 Ausstellungen, in denen der Öffentlichkeit vor allem Werke junger Künstler vorgestellt werden sollten. Die Künstlergemeinschaft sorgte für die Miete und die Organisation von Ausstellungen, inklusive Presse-und Öffentlichkeitsarbeit, und konnte damit sämtliche Vermittlungskosten einsparen.

Seit Mitte der 2000er-Jahre entstand eine Reihe von neuen Produzentengalerien in Berlin-Mitte: in der Brunnenstraße und deren Umgebung – an Orten, die einst für besetzte Häuser und illegale Kellerkneipen bekannt waren. Junge Künstler, die sich auf dem Markt etablieren wollten, eröffneten eigene Galerien. Einige konnten sich neben der Miete sogar eigene Galeristen leisten.

30 Jahre JWD, Gruppenausstellung, Eröffnung, 2014
30 Jahre JWD, Gruppenausstellung, Eröffnung, 2014 | Foto: Mario Margani

Zwischennutzung von leerstehenden Räumen

Zwischennutzung ist eine weitere Form der Selbstvermarktung Kulturschaffender in temporär leer stehenden Räumen. Sie wird in der Regel mit staatlichen Mitteln gefördert und von der Stadt verwaltet. Dafür aktiviert man leere Gewerbeflächen, aber auch Wohnungen, die vor der Sanierung stehen und für wenig Geld an Künstlern vergeben werden. Diese zahlen oft nur die Betriebskosten, während Zwischennutzungsagenturen oder Bezirksämter die Miete übernehmen.

In Berlin ist dieses Modell nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in Randbezirken sehr verbreitet. Ein Beispiel ist der Projektraum JWD, der „als zwischenzeitliche Werkstatt für Ausstellungen, Kursangebote und andere Projekte in Hohenschönhausen entstanden ist. JWD steht als Abkürzung für ‚janz weit draußen‘, was sich in der Berliner Umgangssprache auf irgendeinen Außenbezirk bezieht“, so Mario Margani, einer der Mitbegründer des Projektraums. Von Januar 2014 bis März 2015 bespielte die Gruppe von Künstlern diesen Ort mit verschiedenen Veranstaltungen. Hier ging es weniger ums Geld verdienen, sondern um das Experimentieren mit dem Raum und darum, einen Kunst-Ort für die Nachbarschaft zu schaffen. Der Raum der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE war den Studierenden der Kunsthochschule Berlin-Weißensee über eine Ausschreibung angeboten worden.

Pop-up als Geschäftsmodell

Das Modell „Pop-up“ ist im Grunde auch eine Zwischennutzung, die einen Tag oder mehrere Monaten dauern kann. Neu ist das Geschäftsmodell, das insbesondere kommerziellen Zwecken dient. Es gibt sogar Vermittlungsangebote im Internet, die wie Online-Marktplätze zur Buchung und Vermietung von Unterkünften funktionieren.

Auch in anderen Städten wie etwa in Hamburg sind der Begriff und das Phänomen Pop-up sehr verbreitet. 2015 fand das erste Pop-up Festival, das „Lädenfestival popup“, im Stadtteil Wilhelmsburg statt. Und seit 2013 wird die Produzenten-Kunstmesse, die „Producers Art Fair P/ART“, jedes Jahr an einem anderen Ort veranstaltet. Sie ermöglicht den Künstlern den direkten Kontakt mit Sammlern und befreit sie sowohl vom institutionellen Rahmen als auch von der Vermittlung über eine kommerzielle Galerie.

Die „Hamburg Kreativ Gesellschaft“, eine von der Stadt initiierte und getragene Einrichtung zur Förderung der Kreativwirtschaft, stellt für den Zeitraum von April 2013 bis Juni 2016 Pop-up-Räume zu sehr günstigen Mieten zur Verfügung. Für die leer stehenden Gewerberäume müssen die sogenannten Akteure der Kreativwirtschaft ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Dann dürfen sie die Räume für einen Zeitraum von einer bis zu vier Wochen zum Preis von 25 Euro pro Woche nutzen.

Zurück nach Berlin. Hier sind sanierungsbedürftige Räume immer noch attraktiv für Veranstaltungen. Kaputte Wände, herausstehende Kabel und Röhren schmücken die Kunstwerke der Pop-up-Galerie Shaping Clouds, die im März 2016 ihre erste Ausstellung in Neukölln eröffnete. Sie wird drei Monate lang zu sehen sein, bevor man hier endgültig renoviert. Wir dürfen gespannt sein, wohin diese kreative Wolke als nächstes ziehen wird.

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