Ausgangspunkt für Spekulationen und Überlegungen zur Zukunft in Mittelosteuropa bilden verschiedene Ebenen von Beziehungen: Die Beziehung zu sich selbst in Hinblick auf die eigene Zukunft (z.B. als Kulturschaffende*r), die Beziehungen zwischen Ost und West, durchzogen von systemischen, sozio-ökonomischen Strukturen, sowie die Beziehung von Menschen zu ihrer Umwelt und anderen Lebensformen. In diesem mehrschichtigen Ansatz spiegeln sich Wunsch und Versuch der Komplexität Rechnung zu tragen, keine Entwicklung lässt sich isoliert betrachten, sondern berührt uns auf verschiedenen Ebenen. Ungerechte sozio-ökologische Beziehungen ziehen sich durch sämtliche Verhältnisse und sichern das Fortbestehen von Klasse, Rasse, heteronormativen und patriarchalen Privilegien durch die Produktion von verschwendeten Menschen, Lebewesen und Orten.
Der Angriff auf die Ukraine fiel kurz vor die Finalisierung des Programms; der Krieg schneidet durch alle Beziehungsebenen hindurch und macht gleichzeitig die Verflechtungen und Zusammenhänge noch offensichtlicher. Angesichts der aktuellen Situation eines Krieges in dieser Region – und nicht nur dort --, von anhaltender Pandemie und drohender Klimakatastrophe scheint die Frage, wie wir überhaupt über Zukunft / Zukünfte nachdenken können um so dringender: Wie lassen sich Pläne, Wünsche und Visionen für die persönliche Zukunft, in Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen und den Planeten aktuell weiterdenken?
Um dieser veränderten, unabsehbaren Situation zu entsprechen, ist das Programm offen angelegt, und soll Raum bieten für das gemeinsame Zweifeln, Reflektieren, Überlegen, Diskutieren. Dabei sollen v.a. auch die künstlerischen, aktivistischen, akademischen und kritischen Stimmen all jener verstärkt werden, die von der russischen Invasion in der Ukraine betroffen sind.
What Future/s?
07.06.,18 Uhr: Maria Hlavajova
Mit der brutalen militärischen Invasion in der Ukraine hat sich die Welt über Nacht verändert - dieser Krieg durchschneidet alle aktuellen und zukünftigen Themen für MOE, die wir angehen wollten. Schockiert und gleichzeitig ratlos, wie es weitergehen soll, fragen wir uns nicht nur aus unserer Rolle als Kulturschaffende oder aus den Kunstinstitutionen heraus: "Was nun? Wie können wir uns irgendeine Art von Zukunft vorstellen? Wie können wir jetzt über die Zukunft sprechen? So bildet ein Online Impulsvortrag, der sich mit eben diesen Fragen beschäftigt den Kick-off der Programmreihe “Inquiries into the Future”. Da sich Vorstellungen und Projektionen der Zukunft allzu oft auf dieselben Institutionen und Bereiche stützen, die die Krisen überhaupt erst herbeigeführt haben, werden in der Reihe insbesondere Künstler*innen, Forscher*innen, Theoretiker*innen und Aktivist*innen zu Wort kommen. die in der Lage sein könnten, eine Sprache zu finden, um die unverständliche Gegenwart auszudrücken, zu trösten, den eigenen Gefühlen und Ängsten Luft zu machen und sich vorzustellen, wie wir von hier aus weitermachen können und wohin? Wie könnten mögliche/alternative Zukünfte aussehen, nachdem dieser Krieg die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Beziehungen beeinflusst und deutlich gemacht hat, wie sehr diese miteinander verflochten sind?
State of Mind
22.06., 18 Uhr: Peter Sit & BarborA Kleinhamplová (Institute of Anxiety)
23.06., 10 Uhr, Workshop: Barbora Kleinhamplová
Die erste Veranstaltung vor Ort im GI im Juni nimmt die eigene persönliche Verfassung in Hinblick auf die nähere und fernere Zukunft in den Blick. In gemeinsamen Konversationen und offen inszenierten Situationen und Workshops widmen sich die eingeladenen Künstler*innen und Aktivist*innen dem State of Mind im Zusammenhang mit zunehmender Prekarisierung, permanenter Verfügbarkeit und Optimierungsdruck der heute herrschenden Arbeits- und Lebensverhältnisse. Während wir in einer Gesellschaft leben, in der psychische Probleme und Krankheiten privatisiert worden sind, und Verantwortung bzw. “Schuld” dem Individuum zuschreibt, lotet das Programm die kollektiven und politischen Aspekte von Angst, Krankheit und Trauma aus. Dabei betrachten wir sowohl die Auswirkungen und Traumata des Krieges in unmittelbarer Nähe, wie auch das Navigieren von Medien voller Schreckens- und Falschmeldungen oder Doom Scrolling als vermeintlichen Coping-Mechanismen. Unser gesamtes gesellschaftliches und privates Leben ist von Angst durchsetzt, insbesondere bei Gedanken an die Zukunft—Wie können wir dem begegnen?
Wasting Relationships
29.9., 18 Uhr: Kateřina Frejlachová, Miroslav Pazdera, Marco Armiero, Katalin Erdődi
30.9., 10 AM: 30.09., 10 AM: Workshop + City Walk: Ivana Rumanova
Dieses Panel betrachtet, wie (formale) Beziehungen zwischen Menschen oft gekennzeichnet sind durch ausbeuterische Verhältnisse. Die Künstler*innen, Theoretiker*innen und Aktivist*innen untersuchen die ideologischen Strukturen und Machtverhältnisse, die den östlichen, postkommunistischen Raum auch noch Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges in der Position des (ausgebeuteten) konstruierten "Anderen" halten und welche geo-politischen Strömungen durch die anhaltenden Trennung von Ost und West weiterhin profitieren. In der Veranstaltung werden die neuen Logistikzentren deutscher/ westeuropäischer e-shops in CEE betrachtet, genauso wie die Bedingungen für Arbeitsmigrant*innen im Care-Sektor und Saisonarbeiter*innen in der Spargelernte und gefragt, wie entwickelt sich das weiter? Wie wird es morgen aussehen? Wer wird welche Arbeit haben? Wie wirkt sich der Krieg aus auf diese Beziehungen aktuelle und in Zukunft? Was bedeutet es, wenn die Gewährung von Schutz und Asyl gekoppelt ist an Verwertbarkeit oder Nähe und “Ähnlichkeit? Welche Rolle spielen (soziale) Medien als Apparat, der an der Erzeugung von Abwertung, Polarisierung und Gewalt beteiligt ist?
Elemental relations
11. 11., 18:00, STONE OF HELL
Die Reihe endet mit einem Online Screening des essayistischen experimentellen Dokumentarfilm Stone Of Hell von Tekla Aslanishvili und Giorgi Gago Gagoshidze, in dem unsere Beziehungen auf planetarischer Ebene thematisiert werden. Vor dem Hintergrund von Extraktivismus, Klimakatastrophe aber auch der aktuellen nuklearen Bedrohung setzen sich die Künstler*innen mit unserem Verhältnis zum Planeten, zu unserer Umwelt und zu nichtmenschlichen Wesen auseinander. Ausgangspunkt für Stone Of Hell ist die kleine Bergbaustadt Chiatura im Westen Georgiens. Der Film begleitet den Rohstoff Mangan, der vor Ort abgebaut wird, durch alle Phasen der Verarbeitung und des Vertriebs und stellt dabei Verbindungen zu anderen Räumen und Zeitlichkeiten her. Der Film zeigt Mangan als Grundlage für verschiedene Produktionsweisen, die Kultur-, Rohstoff- und Rüstungsindustrie miteinander verbinden und den technologischen Fortschritt vorantreiben. Diese gemeinsamen Grundlagen verbinden diesen peripheren Standort mit einem riesigen Netz von Dingen, Orten und Prozessen auf der ganzen Welt, die in aktuelle Formen von Konflikten einfließen.
In der anschließenden Q&A gibt es die Möglichkeit, die Themen des Filmes gemeinsam mit den Künstler*innen zu diskutieren und mehr über den Schaffensprozess hinsichtlich künstlerischer Kooperation, Filemachens oder Techniken des Storytellings zu erfahren.