Das Goethe-Institut Bratislava initiiert und unterstützt, in Kooperation mit dem Karpatendeutschen Verein und anderen Partnern, verschiedene Maßnahmen zur Förderung der deutschen Minderheit in der Slowakischen Republik. Dazu zählt die Lehrmittel- und Literaturversorgung der deutschen Lesesäle in Banská Bystrica und Košice, sowie die Organisation und Veranstaltung gemeinsamer Sommercamps für Kinder und Jugendliche deutscher Minderheiten aus ganz Mittel-Ost-Europa. In besonderem Maße werden die vier Minderheitenschulen in der Slowakei unterstützt:
Lehrmittelversorgung
Vermittlung von deutschen Praktikant*innen an die Minderheitenschulen, die als Muttersprachler*innen den Deutschunterricht unterstützen
Durchführung von Projektwochen oder einzelnen Projekttagen
Vergabe von Stipendien für Lehrkräfte für Fort- und Weiterbildungsprogramme in Deutschland
Förderung von Sprachprüfungen (Goethe-Zertifikat) für Schüler*innen
Derzeit werden zudem Nicht-Deutschlehrkräfte am Goethe-Institut sprachlich ausgebildet, um in fernerer Zukunft ihr Fach auch auf Deutsch unterrichten zu können.
Seit dem 11. Jahrhundert ließen sich deutsche Handwerker, Kaufleute und Weinbauern in der Westslowakei nieder. Ab dem 13. Jahrhundert wurden Gebiete der heutigen Slowakei systematisch von Deutschen in größerer Zahl besiedelt, meist aus wirtschaftlichen Gründen heraus. Im 14. Jahrhundert lebten Deutsche in 479 Orten und stellten circa 20% der Gesamtbevölkerung. Im Hauerland waren Deutsche besonders im Bergbau tätig, in der Mittelslowakei in der Holzindustrie und in der Zips meist als Landwirte und Handwerker.
Name
Der Historiker und Ethnologe Raimund Friedrich Kaindl (1866-1930) befasste sich mit der Geschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa und prägte den Namen „Karpatendeutsche“ als Bezeichnung für die in der Slowakei und Transkarpatien (Ukraine) lebenden Deutschen.
Sprache
Durch die Ansiedlung über einen längeren Zeitraum hinweg sowie aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands heraus waren die Dialekte der deutschen Siedler*innen sehr unterschiedlich. Nach der Ankunft war der Kontakt zu deutschen Ländern unterbrochen, sodass die ursprünglichen sprachlichen Formen erhalten blieben. Auch erlaubte die geographische Trennung der Siedlungsgebiete keine Bildung eines einheitlichen karpatendeutschen Dialektes.
Nationalsozialismus und Vertreibung
1939 wurde die Slowakei zu einem autonomen, autoritären Staat unter dem Einfluss von Nazi-Deutschland. Die Deutsche Partei (DP) war als einzige noch zugelassene Organisation der Karpatendeutschen auf dem Führerprinzip und Grundsätzen des Nationalsozialismus aufgebaut. Antisemitismus und nationalsozialistische Agitationen der etwa 60.000 Mitglieder sowie der assoziierten Verbände und Organisationen der DP führten zur Entfremdung zwischen Deutschen und Slowak*innen. Jedoch waren nicht alle Karpatendeutschen mit der Politik der DP-Parteiführung einverstanden. Viele gewährten verfolgten Jüd*innen eine Zuflucht und einige Hundert schlossen sich dem Widerstand und dem Slowakischen Nationalaufstand (SNP) an.
Mit den Niederlagen Deutschlands an der Ostfront wuchs 1944 auf der Widerstand und die Feindseligkeit gegen Deutsche in der Slowakei. Aus Angst vor der vorrückenden Roten Armee verließen bis zum Ende des Krieges ca. 100.000 Karpatendeutsche die Slowakei. Nach Ende des Krieges wurde den verbleibenden Deutschen die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen und ihr Eigentum konfisziert. Ausgenommen von diesen Maßnahmen waren Antifaschist*innen und in gemischten Ehen lebende Deutsche. Die andauernde Diskriminierung führte zu einem starken Assimilationsdruck, dem Verlust des nationalen Bewusstseins der Karpatendeutschen und damit auch einem steilen Rückgang der Anzahl der Deutschen in der Slowakei.
Gründung am 27. August 1990
ca. 4.800 Mitglieder
5 Regionen: Pressburg / Bratislava, Hauerland, Oberzips / Horný Spiš, Unterzips / Dolný Spiš, Bodwatal / údolie Bodvy
33 Ortsgruppen
Hauptsitz: Kaschau/Košice
Der KDV setzt sich für die Erneuerung und Festigung der Identität der deutschen Minderheit in der Slowakei ein. Er unterstützt Deutsch als Mutter-, Minderheiten- und Fremdsprache und fördert die Revitalisierung und den Schutz der deutschen Kultur. Der Verein ist bemüht, Toleranz und demokratische Werte und damit ein friedliches Zusammenleben mit allen Bürger*innen in der Slowakei zu fördern, ungeachtet der Nationalität oder des Glaubens.
Neben Belletristik und Fachliteratur gibt der Verein monatlich die Zeitschrift „Karpatenblatt“ heraus. Der Verein unterhält gute Kontakte zu den anderen Minderheiten in der Slowakei sowie zu den deutschen Minderheiten in Europa und ist Mitglied der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV). Die Karpatendeutsche Jugend (KDJ) führt Projekte für Kinder und Jugendliche durch, veranstaltet Workshops und internationale Treffen wie das Jugendfest.
In deutschen Siedlungen entstanden seit dem 14. Jahrhundert eigene Schulen, in denen auf Deutsch unterrichtet wurde. Nach 1945 sank die Anzahl der deutschen Minderheit in der Slowakei so stark, dass keine eigenen Klassen mehr gebildet werden konnten. Deutsch wurde nur noch als Fremdsprache unterrichtet. Erst nach 1990 kam es zu einer teilweisen Wiederbelebung des deutschen Bildungssystems.
Der KDV und das Goethe-Institut sind bemüht, Kinder aus karpatendeutschen Familien zu unterstützen, neben Slowakisch auch Deutsch zu beherrschen. Zurzeit gibt es in der Slowakei vier Minderheitenschulen, die die deutsche Sprache in besonderem Maße fördern. Das Goethe-Institut unterstützt diese Schulen mit Lehrmaterialien, Projektangeboten und Fortbildungen für die Lehrkräfte.
Die Grundschule Hlboká cesta 4 ist orientiert auf das Unterrichten von Schüler*innen, die der deutschen Minderheiten angehören. Ab dem 1. Schuljahr wird Deutsch als Fremdsprache mit mindestens 3 Stunden pro Woche unterrichtet. Die Schule arbeitet eng mit dem Karpatendeutschen Verein und dem Goethe-Institut zusammen und führt jährlich viele (zu fester Tradition gewordene) Deutschprojekte durch:
St. Martinstag mit Theateraufführung und Laternenumzug
Lesenächte zu wechselnden Themen
Exkursionen nach Wien
Aktive Deutschwoche: Zweimal pro Jahr haben ausgewählte Klassen Lektor*innen aus Deutschland für eine komplette Woche für intensiven Deutschunterricht zu Besuch
Tag der offenen Tür: Eltern haben die Möglichkeit, den Deutschunterricht zu besuchen
Kinderrestaurant
Das Dorf Chmel’nica (Hopgarten) wurde vor rund 700 Jahren von deutschen Siedler*innen gegründet. Die deutsche Mundart ist im Ort erhalten worden und gehört zum größten historischen Gedächtnis. In der Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten bemüht man sich, die deutsche Sprache zu erhalten und weiterhin zu pflegen.
Zu diesem Zweck wird seit September 2015 in der Schule auf Deutsch unterrichtet, nach dem Rahmenlehrplan für Schulen mit der Unterrichtssprache Deutsch. Das bedeutet, dass die Kinder in der 1. Klasse acht Unterrichtsstunden, in der 2. Klasse sechs Unterrichtsstunden und in der 3. sowie 4. Klasse fünf Unterrichtsstunden Deutsch pro Woche haben. Nach der 4. Klasse sind die Schüler*innen in der Lage, sich auf Slowakisch und auf Deutsch mündlich sowie schriftlich zu verständigen und gleichzeitig die Anforderungen für die weiterführenden Schulen in Stará Ľubovňa zu erfüllen.
Die Grundschule Kežmarok (Kesmark) ist eine Schule mit sprachlichem Schwerpunkt und auf den erweiterten Unterricht der Volksgruppensprache ausgerichtet. Deutsch wird in der 1. Klasse mit zwei bis drei Wochenstunden, ab der 2. Klasse mit vier bis fünf Wochenstunden unterrichtet. Alle anderen Fächer werden in Slowakisch unterrichtet. Als sprachorientierte Schule haben die Schüler*innen zudem eine erhöhte Anzahl an Englischunterricht.
In der 8. und 9. Klasse werden die Schüler*innen in Kooperation mit dem Goethe-Institut auf die Prüfung für Goethe-Zertifikate vorbereitet. Auch mit dem Karpatendeutschen Verein arbeitet die Schule eng zusammen und engagiert sich zudem in Erasmus+ Projekten, damit die Schüler*innen die Freunde der umliegenden Länder und deren Kultur kennenlernen und ihre deutsche Sprache verbessern.
Jedes Jahr veranstaltet die Schule eine bundesweite Runde im Vortrag der deutschen Poesie und Prosa und nimmt an der Deutsch-Olympiade sowie am Kulturprogramm des Karpatendeutschen Vereins teil.
Das um 1430 gegründete Dorf Nitrianske Pravno (Deutsch Proben) wie auch die umliegenden Dörfer verdanken ihre Entwicklung dem Bergbau, welcher eng mit der Ansiedlung deutscher Arbeiter und deren Familien verbunden war.
Die Grundschule des Dorfes fördert die deutsche Sprache in besonderem Maße. Pro Jahrgang gibt es eine „deutsche Klasse“, welche Deutsch als erste Fremdsprache bereits ab der ersten Klasse lernt. Diese Klasse wird in der Primarstufe mit 17 Stunden pro Woche, in der Sekundarstufe mit 25 Stunden pro Woche auf Deutsch unterrichtet. Alle anderen Kinder lernen Deutsch als zweite Fremdsprache ab der 7. Klasse.
Auch die Schule in Nitrianske Pravno arbeitet eng mit dem Goethe-Institut für die Vorbereitung auf Deutschzertifikate, in Projekten wie „Experimentieren auf Deutsch“ sowie für Seminare für Kinder sowie Lehrkräfte zusammen. Auch nimmt sie regelmäßig an Projekten des Karpatendeutschen Vereins teil (Kinderwerkstatt, Wettbewerbe, Ferienlager, Kultur- und Begegnungsfest). Bei der Kinderwerkstatt, welche zweimal pro Jahr stattfindet, treffen sich Fünftklässler aller Minderheitenschulen in Vel’ka Lomnica (Gross Lomnitz) in der hohen Tatra, um gemeinsam kreativ zu werden und dabei auf spielerische Art und Weise Deutsch zu lernen.