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Gilberto Nelumba

Porträt von Gilberto Nelumba
Foto: Susana Maria dos Santos © Goethe-Institut Angola

Gilberto Nelumba, 60 Jahre, nahm im Kindesalter am Guerillakampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft teil, der zur Erklärung der Unabhängigkeit Angolas im Jahr 1975 führte. Die Nelumba zählten während der Kolonialzeit zu den privilegierteren Familien, spielten aber eine zentrale Rolle in der Befreiungsbewegung.

Von Raimundo Salvador und Arno Holl

Noch zur Zeit der Kolonialherrschaft war Gilbertos Vater einer der ersten Schwarzen, die in der Mission Pinda in Soyo, in der heutigen Provinz Zaire in Nordangola, zur Schule gingen. Anschließend arbeitete er bei der Post und wurde in die Enklave Cabinda versetzt. Dort lernte er den Vater der Familie Van-Dúnem kennen, die für die Geschichte Angolas sowohl musikalisch als auch politisch von großer Bedeutung sein würde.

Zurück in Luanda wurde Gilbertos Vater zum Apotheker ausgebildet, zusammen mit einem zukünftigen Guerillakommandanten namens Lourenço Ferreira Diandengue. Anschließend begann er, für die Angolanische Diamantenschürfgesellschaft, die Diamang, zu arbeiten. Diese stellte damals eine von der Kolonialregierung praktisch unabhängige Macht dar, die von der Ausbeutung von Diamanten sowie der lokalen Bevölkerung lebte: „Der Landesteil, der heute Lunda Norte heißt, gehörte damals der Angolanischen Diamantengesellschaft. Das war ein Staat im Staat.” Dort lernt er Gilbertos Mutter kennen, eine Cousine der berühmten Sängerin Belita Palma. Ebenfalls während seiner Zeit bei der Diamang verfestigt sich nach den ersten bewaffneten Zusammenstößen mit dem portugiesischen Regime 1961 seine Entscheidung, der antikolonialen Guerilla beizutreten.
 
Der Kontakt zur Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MPLA) veränderte das Leben der Familie stark. 1962, Gilberto war gerade zwei Jahre alt, mussten die Eltern mit ihren sechs Kindern ins nördliche Nachbarland, den damaligen Kongo-Léopoldville, fliehen. Die Einstellung des Vaters machte es der Familie aber leichter, diesen drastischen Schritt nachzuvollziehen: „Mein Vater war jemand, der immer mit seiner Frau und seinen Kindern gesprochen hat. Und mein Vater hat uns, vor allem den drei Ältesten, erklärt, was wir dort machten.”

Der kleine Gilberto hatte keine Schwierigkeiten, sich unter den neuen Umständen zurechtzufinden. Es dauerte allerdings nicht lange bis die MPLA aus Belgisch-Kongo ausgewiesen wurde. Außerdem entstanden Konflikte mit rivalisierenden Befreiungsbewegungen, etwa der FNLA (Nationale Befreiungsfront Angolas), wodurch sogar Familien gespalten wurden: „Angolaner in Kinshasa mussten entweder Mitglieder der FNLA sein oder sich verstecken. Ich hatte einen Cousin, der zu den großen Kommandanten der FNLA zählte. Mein Vater hat noch versucht, ihn dazu zu überreden, die Seiten zu wechseln, aber er hat sich geweigert. Wegen des Tribalismus der Kikongo.”

Die Familie wanderte erneut aus, diesmal in den damaligen Kongo-Brazzaville. Gilbertos Vater aber blieb in Léopoldville, um aus dem Untergrund heraus weiter die Bewegung zu unterstützen. Bei der Rückkehr von einem Besuch bei seiner Familie wurde er gefangengenommen. „Mein Vater wurde 1966 verhaftet, in Kinshasa, und ein Jahr später haben sie ihn getötet. Wir haben davon aber erst 1968 erfahren. Die Leitung der Bewegung wusste schon von allem. Aber sie haben die Familie nicht informiert, um die Moral nicht zu schwächen. Zu diesem Zeitpunkt verlor meine Mutter ihren Mann und einen Cousin, sie ist danach so abgemagert…”
 
Trotz allem erholte sich Gilbertos Mutter von dem Schlag und setzte den Kampf ihres Mannes fort. Sie war Mitgründerin und Leiterin der OMA, der Angolanischen Frauenorganisation, in der sogenannten Zweiten Region, der Enklave Cabinda. Drei von Gilbertos Brüdern, Eduardo, Sanjar und Adelino, traten nun auch der Guerilla bei und gelangten in wichtige Positionen. Auch andere Verwandte spielten in der Bewegung eine große Rolle.

Das Leben als Guerillakämpfer war nicht leicht: „Alle hatten wir eine Kampfausbildung. Wir mussten alle für jedweden Fall vorbereitet sein. Denn du weißt nicht, wann der Feind angreifen wird oder wann es eine Bombardierung geben wird. Du musst immer bereit sein zu fliehen, in den Schützengraben zu gehen, musst wissen, wo du dich verstecken kannst.”

Gilberto begann nun auch die Konflikte innerhalb der Bewegung wahrzunehmen. Einige wurden von außen verursacht, etwa eine Hungerkrise nachdem verschiedene Länder der MPLA ihre Unterstützung entzogen hatten. Andere Schwierigkeiten waren interner Art, wie Tribalismus und rassistische Vorurteile: „Ich lernte dort viele Angolaner kennen, deren Väter von den Portugiesen getötet worden waren, als sie noch sehr jung waren. Die sahen ungern Weiße, auch wenn diese sich wirklich ernsthaft für die Sache eingesetzt haben. Das ist eine Narbe, die bleibt.”
 
Am 8. November 1974 erlebte Gilberto als Vierzehnjähriger etwas, das er als den freudigsten Moment seines Lebens bezeichnet: Er war Teil der MPLA-Delegation, die in Luanda die Unabhängigkeit verkündete. „Das war eine solche Freude, ein Menschenmeer war am Flughafen, es war komplett überfüllt. Es gab keinen Platz. Ich war klein. Um durch diese Menge zu kommen musste der verstorbene Kommandant Valódia mich bis zur anderen Seite tragen, es war ein unbeschreibliches Gefühl.”
 
Bis heute ist er stolz auf das, was er und seine Familie zu erreichen geholfen haben: „Wenn ich in ein anderes Land komme, egal wo auf der Welt, suche ich als erstes meine Botschaft. Und wenn ich dann die Fahne meines Landes in irgendeinem Teil der Welt im Wind wehen sehe, fühle ich mich noch mehr als Angolaner und spüre, dass das, woran ich teilgenommen habe, nicht umsonst war.”
 
Dennoch leugnet er nicht, dass es Missstände gibt. Diesen kritischen Geist, sagt er, hat er von seiner Mutter, die 2003 gestorben ist: „Meine Mutter gehörte zu den Leuten, die sehr wenig sprechen. Aber sie hat immer Kritik geübt.” Gilberto berichtet, dass sie nicht zufrieden damit war, wie sich das Land seit der Unabhängigkeit entwickelt hat, auch innerhalb der Partei.“Die MPLA hat einen stillen Staatsstreich erlitten. Ich erkenne mich nicht darin. Das ist nicht mehr die MPLA. Das sind Trittbrettfahrer, Leute, die die MPLA benutzt haben, um reich zu werden. Sie sind keine Kämpfer der MPLA. Ich frage mich: „Wo waren sie denn damals?” Auch beklagt er, dass Personen, die im Konflikt zwischen den rivalisierenden Befreiungsbewegungen schwere Verbrechen begangen haben, straflos ausgegangen sind. Er bestätigt, dass seine Mutter den Schmerz über diese Dinge mit ins Grab genommen hat.
 
Aktuell sammelt Gilberto Nelumba Familienerinnerungen für ein Buch über den Befreiungskampf aus Sicht der Nelumba.

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