Diesen Monat mit Musik von:
Public Display of Affection | The Mad ExpressAnna Erhard | Radicalis
Emma Lee M.C. & Roccwell | Ill Adrenaline Records
Jichael Mackson | Ilian tape
Soft Violet | Alien Transistor
Autor und Sprecher (Deutsch): Ralf Summer
Ungezügelt, arty und wenig konventionell, minimalistisch, vertupft und clever. Public Display of Affection haben die Kunst des Art Punk mit den Geistern von Gitarrenpop und Trip Hop vermischt, immer getragen von Madeleine Roses aufregenden aber selten aufgeregten, gesungenen, geträllerten Vocals, denen bisweilen der Einfluss von Coco Rosies Bianca Casady herauszuhören ist. Bekannt auch für ihre wilden Liveshows, ist es ihnen gelungen, auf Expressions Of Obsessions, ihrem ersten „richtigen“ Album, diese Energie einzufangen (wie es so schön heißt) und ein intensives Erlebnis zu bieten, dessen Maß über die Summe ihrer textlichen (makellos!) und musikalischen Kompetenzen weit hinausgeht.
Ein lebendiges Beispiel harmonischer (no pun intended) deutsch-amerikanischer Zusammenarbeit ohne Schranken und Zölle: Die Rapperin Emma Lee M.C. aus Harlem, der Münchner Produzent Roccwell und Plattenfirma Ill Adrenaline aus New Jersey eint die Liebe zum klassischen Hip-Hop, mit jazzigen Samples, diesen pappigen Bassdrums und den stolpernden, vielschichtigen Snares. Es ist ein Sound, der nie wirklich verschwunden war, und auch heute noch immer wieder frisch und mutig klingt. Aus heutiger Perspektive betrachtet eine musikalisch richtungsweisende, entspannte Zeit voll fruchtbarer Experimente. Auf dem leider relativ kurzen Chocolate Bars beweisen die beiden ein sicheres Gespür für das Genre, und liefern für die Nachwuchsrappern*innen auf der nächsten Blockparty natürlich auch sämtliche Instrumentals der Tracks mit.
Auf einer „stählernen Oberfläche“ legt Soft Violet ihren glitzernden Elektro auf ihrem Albumdebut Sterner Stuff aus, ein schillerndes, forderndes, kratziges Werk. Sie lässt sich nicht unterkriegen, im Gegenteil verwandelt sie Schmerz und Negativität in ein entrücktes Puzzle aus kleinteiligem Techno und großen Gedanken. Selbstbewusst und spielerisch kündigt die Multiinstrumentalistin, auf Französisch, Englisch, Armenisch und Deutsch, das Matriarchat an. Die hinter dem Projekt stehende bildende Künstlerin Veronica Bernuthian weist einen beeindruckenden Katalog an Ausstellungen auf und war als deren Gitarristin Gründungsmitglied der bahnbrechenden Münchner Post Punk-Kapelle Friends of Gas, von denen sie sich allerdings im letzten Jahr aufgrund nicht akzeptablem Verhaltens ihr gegenüber trennen musste.
Das sonnige Gemüt („went to the spa with my Ma, forgot my swimsuit, had to wear a bra“) und der kreative Geist der Schweizer Berlinerin Anna Erhard sind das Zentrum des Geschehens auf ihrem neuen Album Botanical Garden, einer Sammlung fantastischer, immer leicht verrückter Pop-Folk-Ohrwürmer. Die putzigen Minigeschichten der neun Lieder, ihre liebevoll konstruierten Arrangements und die fantasievolle Instrumentierung nehmen das staunende Publikum mit in das unperfekte Universum ihrer Erschafferin, einer Künstlerin, die es bis in jede kleine Ecke souverän beherrscht. Als Produzent, Musiker und Songwriter ist ein in Deutschland sehr bekannter Musiker, der ehemalige Schlagzeuger der deutschen Hitmaschine Wir Sind Helden, Pola Roy von der Partie. Bereits für das nächste Jahr gebucht ist eine Tour durch Großbritannien, wo sie sich eine beachtliche Fanbase haben aufbauen können, was für einen deutschen Act eher eine Seltenheit ist.
Der Müncher Produzent und DJ Boris Steffen aka Jichael Mackson (einigen sicher auch bekannt als Monaco Jam and Sista Bob) ist schon seit 2003 fester Bestandteil der deutschen Elektronikszene, mit Veröffentlichungen auf Pastamusik, Phictiv, Liebe*Detail oder Akufen’s Label Musique Risquée. Seine sonnige Herangehensweise an die Möglichkeiten der elektronischen Produktion sind immer ein Garant für dynamische Tracks, aber auf Wait For It, seinem (nach all den Jahren!) Debutalbum zeigt er das ganze Spektrum seines Könnens. Von meterdicken Ambientflächen bis zu bouncigem House und experimentellem Glitchgewitter (z.B. bei X-Mas Card) kann man sich über ein rundum gelungenes Werk freuen, das selbst seinen technisch hohen Standards alle Ehre macht.