Geschichtenerzählen als Perpetuum Mobile: Mit Crooks vereint Marvin Kren die größten Namen aus 4 Blocks für eine unterhaltsame Mischung aus Heist-Movie und Roadtrip-Thriller. Von Berlin über Wien und Italien bis nach Marseille jagt die achtteilige Serie durch so viele Cliffhanger und hitzig geführte Dialoge zwischen schillernden Unterweltfiguren, dass der Zuschauer gar nicht erst dazu kommt, sich zu fragen, ob das alles überhaupt Sinn ergibt.
TRAUMURLAUB MIT EXTRA GEWALT
Inspiriert vom spektakulären Diebstahl einer Goldmünze im Wert von über 3 Millionen Euro aus dem Berliner Bode-Museum im Jahr 2017, beginnt Crooks mit einem ähnlich kühnen Coup: einer dreisten Smash-and-Grab-Aktion, bei der eine antike Goldmünze gestohlen wird. Die Täter stammen aus dem Al-Walid-Clan, einer arabischen Einwandererfamilie aus Kreuzkölln – wie sich das hippe Grenzgebiet zwischen Neukölln und Kreuzberg mittlerweile nennt. Was sie nicht ahnen: Ein Verräter in den eigenen Reihen hat der Wiener Unterwelt gesteckt, wo das Gold versteckt ist.Dort wiederum wird ein albanisches Killerkommando beauftragt, das Problem in Berlin zu „lösen“. Ihr Werkzeug: der ehemalige Safeknacker und Ex-Häftling Charly Markovic (Frederick Lau), den sie mit schmutzigen Tricks dazu bringen, den Tresor der Al-Walids auszuräumen. Und dann ist da noch Joseph Muckstein (Christoph Krutzler), das schwarze Schaf der Wiener Gang, der sich nach Berlin aufmacht, um die Münze persönlich abzuholen.
Alle Wege führen nach Marseille. Wien wird für Charly und Joseph schnell zu heiß, also treten sie die Flucht nach Italien an – und schließlich weiter nach Frankreich. Ein Roadtrip aus der Hölle, allerdings in atemberaubender Kulisse. Zwischen Charly und Joseph entwickelt sich zähneknirschend eine Art Bromance, während ihnen sowohl die Al-Walids als auch die Wiener Mafia dicht auf den Fersen sind. In Marseille warten unterdessen noch mehr üble Gestalten: algerische Dealer, die mit den Al-Walids unter einer Decke stecken, und – in der Königsklasse des organisierten Verbrechens – „die Korsen“, angeführt von der imposanten Griselda (Virginie Peignien).
EIN SCHURKENKADER DER OBERLIGA
Ein großer Reiz von Crooks liegt in der illustren Truppe aus Gangstern, die alle Jagd auf die Goldmünze machen. Seit 4 Blocks gehört es zum Standardrepertoire deutscher Crime-Serien, einen Clan aus Südosteuropa oder dem Nahen Osten zu präsentieren – meist eiskalt und jähzornig, mit viel dramatischem Funkeln in den Augen. Hier sind es die Al-Walids: das Clan-Oberhaupt Hassan (Erdal Yildiz), der stur an alten Ehrenkodizes festhält, und – fast schon obligatorisch – eine korrumpierte jüngere Generation, vertreten durch den kokssüchtigen Tarek (Nima Yaghobi, auch bekannt als Rapper Nimo).Mehr Kreativität zeigt Crooks bei seinen Wiener Kriminellen. Da wäre "Der Rote" (der verstorbene Karl Welunschek), ein Bordellbesitzer und Möchtegern-Pate – ein widerlicher alter Mann, der gerne brüllt: „Ich entscheide, wer in Wien fi***! Sein größtes Problem: sein unfähiger Sohn Rio (Lukas Watzl), ein gothischer Lackaffe, dessen Möchtegern-Mafiosi-Gehabe eindrucksvoll belegt, dass auch das Verbrechen unter den Tücken des Nepotismus leidet. Und dann wären da noch drei Neonazi-Killer, die nach großem Getöse als fast schon slapstickhaft unfähig entlarvt werden – möglicherweise ein kleiner Seitenhieb der Showrunner.
So viele Akzente, so viele finstere Gestalten, die sich gegenseitig belauern – Crooks ist ein wahres Schengen-Treffen für harte Jungs. Einige bekannte Gesichter verabschieden sich früh und gewaltsam, was den Zuschauer immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt und Platz für das ungleiche Duo Charly und Joseph schafft. Frederick Lau gibt den Charly gewohnt bodenständig und zurückgenommen – ein kluger Schachzug, denn umso mehr überrascht es, wenn sich sein kriminelles Potenzial entfaltet. Doch die eigentliche Entdeckung von Crooks ist Christoph Krutzler als bulliger, melancholischer Joseph. Als ungeliebter, unehelicher Sohn eines sterbenden Mafiabosses fristet Joseph zu Beginn sein Dasein als Chauffeur für Callgirls. Doch mit steigendem Alkoholkonsum erwacht sein innerer Hulk – und mit der Goldmünze auch sein innerer Prinz Hal.
GIB GAS, MANN!
Die Drehbücher wirken, als hätten sich Kren und seine Co-Autoren Benjamin Hessler und Georg Lippert herausgefordert, eine Geschichte zu schreiben, die nur aus Cliffhangern besteht. Kaum sind Charly und Joseph einer Schießerei in der österreichischen Provinz entkommen, kämpfen sie sich keine 30 Minuten später aus einem italienischen Nachtclub. Diese pausenlose Action gerät nur ins Stocken, wenn die Story zu Samira und Jonas nach Marseille springt – eine Nebenhandlung, die sich zunehmend wie Füllmaterial anfühlt. Wie fast jede Streaming-Serie heutzutage könnte auch Crooks locker eine Episode kürzer sein. Der wahre Star der Serie ist aber ihr „Reiseführer-mit-Kugelhagel“-Format. Während Berlin zu Beginn noch rau und chaotisch wirkt, präsentieren sich die breiten, fast steril-sauberen Wiener Boulevards als Kontrast. Später gibt es atemberaubende Szenen, in denen Charly und Joseph mit Europop im Autoradio die italienische Küste entlangrasen.Und dann ist da Marseille. Offenbar hat sich das österreichische Team beim Dreh in der Mittelmeersonne verzaubern lassen, denn gegen Ende der Serie tauchen immer wieder unerwartet schöne, fast poetische Bilder auf: Figuren, die bei magischem Abendlicht über die Stadt blicken, oder algerische Dealer, die auf den Dächern ihrer malerischen Banlieue herumstolzieren. Diese Momente sind mindestens so packend wie die Story selbst – und Grund genug, bis zum bitteren Ende dranzubleiben.
„Crooks“
Acht Episoden, ca. 45–60 Min. pro Folge.
Mit: Frederick Lau, Christoph Krutzler, Svenja Jung, Jonathan Tittel, Erdal Yildiz, Kida Khodr Ramadan
Kreative Köpfe: Marvin Kren, Benjamin Hessler, Georg Lippert
Regie: Marvin Kren, Cüneyt Kaya
Produktion: W&B Television GmbH, 357 Films