Solidaritätszuschlag   Der teure Weg zur Einheit

Abgebildet ist eine Deutsche Mark-Münze, getragen von zwei Händen. Auf dem hellblauen Hintergrund befinden sich weitere Deutsche Mark-Münzen.
Solidaritätszuschlag © Ricardo Roa

Nach der Wiedervereinigung 1990 hatte Deutschland einen beispiellosen Kraftakt zu leisten, um die beiden deutschen Staaten zusammenzuführen – vor allem finanziell. Die Nachwirkungen sind bis heute spürbar.


Die Party war 1990 gerade erst vorbei. Die Deutschen feierten noch die Wiedervereinigung des 40 Jahre lang geteilten Landes, da zeichnete sich schon die gewaltige Aufgabe ab, die das Zusammenwachsen der beiden Staaten mit sich bringen würde. Auf der östlichen Seite brach die heruntergewirtschaftete Planwirtschaft schneller zusammen als erwartet, hunderttausende ehemalige DDR-Bürger*innen wurden in kurzer Zeit arbeitslos. Der wohlhabende Westen wollte und musste nun die Integration der Staatswirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft organisieren und für Investitionen und neue Jobs in den dazu gekommenen Landesteilen sorgen. 

 
Der teure Weg zur Einheit

Zu Beginn der deutsch-deutschen Vereinigung flossen Haushaltsgelder vor allem in den Osten: auf das milliardenschwere Konjunkturprogramm „Aufschwung Ost“ folgten der „Solidarpakt I und II“. | © Adobe/Picture Alliance


Es zeigte sich schnell, dass dies auch der vergleichsweise reiche Westen des Landes ohne zusätzliche Einnahmen nicht schaffen würde. Noch 1990 hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl versprochen, dass keine Steuererhöhungen nötig sein würden, um die Einheit zu finanzieren – schon ein Jahr später aber kassierte er dieses Versprechen wieder ein. Die Bilanz nach 25 Jahren verdeutlicht die Dimensionen: Bis 2015 kostete die Wiedervereinigung Schätzungen zufolge bis zu zwei Billionen Euro.

Teurer Aufbau Ost

Für den Aufbau Ostdeutschlands wurden alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen oder Verbände auf verschiedene Weise zur Kasse gebeten. So mussten Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber höhere Beiträge für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichten. Mit diesen höheren Beiträgen wurde die Integration der rund 15 Millionen Neubürger*innen in den westdeutschen Sozialstaat finanziert. Denn entsprechende Kassen hatte es in der ehemaligen DDR nicht gegeben – Sozialleistungen waren dort Staatsaufgabe. 

Im Mai 1991 beschloss der Bundestag mit der Solidaritätszulage eine weitere Finanzierungsquelle. Alle Steuerzahler*innen, auch Unternehmen, mussten auf ihre Einkommen- oder Gewinnsteuer eine Ergänzungsabgabe leisten. Sie betrug zunächst 7,5 Prozent der üblichen Steuerlast. Wer also im Jahr 10.000 Deutsche Mark, die Vorläuferwährung des Euro, Steuern bezahlen musste, musste nun zusätzlich noch 750 Mark an das Finanzamt abgeben. So wurde die Herkulesaufgabe zumindest in Teilen auf die gesamte Bevölkerung verteilt. Auch die Ostdeutschen mussten den Solidaritätszuschlag bezahlen, der dem Aufbau ihres Landesteils zugutekommen sollte.
Der Aufschwung ist da!

„Der Aufschwung ist da!“: CDU-Wahlplakat 1998 in Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern. Unter CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl waren in den Jahren zuvor nicht nur der „Soli“, sondern auch milliardenschwere Konjunkturprogramme für den Osten Deutschlands beschlossen worden. | © Adobe/Picture Alliance



Ein Jahr Solidarität reichte nicht

Eigentlich sollte der „Soli“, wie der Solidaritätszuschlag im Volksmund genannt wurde, nur auf ein Jahr befristet gelten. Tatsächlich wurde die Abgabe 1993 und 1994 nicht mehr erhoben. Doch die Probleme der ostdeutschen Wirtschaft hatten sich zwischenzeitlich verschärft, auch weil ihre traditionellen Handelsbeziehungen nach Osteuropa zusammenbrachen, so dass der Soli 1995 wieder eingeführt wurde. Drei Jahre später wurde er zwar auf 5,5 Prozent abgesenkt, er sollte sich aber in dieser Form noch lange halten. Erst seit 2019 bezahlen nur noch besonders gut verdienende Steuerzahler*innen den Zuschlag.

Anfangs war die Akzeptanz für den Soli noch hoch, was sich allerdings im Zeitverlauf ändern sollte. Denn in den ersten Jahren nach der Vereinigung flossen öffentliche Gelder vor allem nach Ostdeutschland. Dort musste eine marode Straßen- und Schienen-Infrastruktur saniert und Unternehmen mit hohen Förderungen angelockt werden. Die erhofften Erlöse aus der Privatisierung der einstigen Staatswirtschaft blieben weitgehend aus, die Betriebe waren nach der Einführung der D-Mark in den neuen Ländern nicht mehr wettbewerbsfähig, die Anlagen und Produkte veraltet. Deshalb wurde Haushaltsgeld aus den Kassen der westdeutschen Bundesländer nach Ostdeutschland umgeleitet: Dieses Programm, der Solidarpakt, sorgte für einen Ausgleich zwischen reichen und ärmeren Bundesländern. 

Andere Regionen wurden Verlierer der Einheit

Diese Umverteilung innerhalb des Landes sorgte in strukturschwachen Regionen des Westens schon in den 1990er-Jahren für Unmut. Bürger*innen und Kommunalpolitiker*innen sahen sich mit ihren Problemen alleine gelassen. Während die in Ostdeutschland entstandenen prosperierenden Zentren allmählich westliche Wohlstandsniveaus erreichten, glitten Städte im Ruhrgebiet in die Armut ab. 

Kritik am Solidaritätszuschlag gab es aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen. Denn niemand weiß genau, wofür die insgesamt rund 300 Milliarden Euro verwendet wurden. Da das deutsche Steuerrecht zweckgebundene Steuereinnahmen nicht vorsieht, landeten die Einnahmen in den Kassen des Bundes. Der Bund hat zwar große Summen in den Osten des Landes investiert. Ab den 2010er-Jahren kamen einige Berechnungen aber zu dem Schluss, dass die Soli-Einnahmen die Ausgaben für den Aufbau Ost überstiegen.

Darüber hinaus muss eine solche Zusatzabgabe grundsätzlich auf die Zeit des finanziellen Mehrbedarfs begrenzt sein.  Mehrfach wurde gegen den Soli geklagt, da zweifelhaft sei, ob dieser Mehrbedarf zu jeder Zeit bestand. Dennoch bestätigte der Bundesfinanzhof bislang die Rechtmäßigkeit. Auch wenn der Soli inzwischen nur noch von einem Teil der Steuerzahler*innen und von Unternehmen bezahlt wird, bringt er dem Staat noch Milliarden ein – und die Debatte um ein endgültiges Ende der Abgabe läuft weiter. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe will am 26. März 2025 sein mit großer Spannung erwartetes Urteil zum Solidaritätszuschlag verkünden.

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