Frauen im Hip-Hop  Party Crashers

Die Rapperin Rah Digga als Kind
Die Rapperin Rah Digga als Kind © Netflix

Hip-Hop, das war in seinen Anfangstagen, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, eine fast rein männliche Domäne. Dabei gab es schon seit frühen Rap-Tagen Künstlerinnen, die ihren Teil zu dem in den 1980er Jahren noch jungen Stil beitrugen, sei es als Musikerinnen, Produzentinnen oder in der Industrie. Doch sie wurden lange nicht als gleichwertige Akteurinnen wahrgenommen, sie gehörten einfach nicht dazu.

Instinct leads me to another flow (flow)
Every time I hear a brother call a girl a bitch or a ho
Trying to make a sister feel low
You know all of that gots to go

Queen Latifah „U.N.I.T.Y.“ (1993)

Hip-Hop, das war männliches Gepose, Ketten, Hunde, aufgemotze Autos und leichtbekleidete Frauen oder vielmehr meistens nur deren Hinterteile. Die Geschichte des Hip-Hop ist eine des Selbstausdrucks, der Rebellion und des sozialen Wandels. Er galt, von seinen Anfängen bis zum heutigen Tag, als Plattform für die künstlerische Freiheit und Entfaltung der Schwarzen Bevölkerung der USA und deren politische Statements im Kampf gegen den Rassismus.

Die Anfänge: Frauen im Schatten der Männer

Warum gerade Frauen in dieser wichtigen und gesellschaftumspannenden Bewegung zunächst nicht ernst genommen wurden, ist Stoff für Historiker*innen. Fest steht aber, dass schon früh, sich mit Sha-Rock, MC Lyte und Salt `n`Pepa, auch weibliche Stimmen in den Vordergrund drängten. Zunächst mit weit weniger Außenwirkung als ihre männlichen Kollegen, aber gegen Ende der 80er Jahre sorgten zwei junge Frauen namens Dana Elaine Owens und Melissa Elliott als Queen Latifah und Missy Elliott dafür, dass sich das Blatt zu wenden begann. Beiden gelang es von Anbeginn ihrer Karrieren, auch mit Schützenhilfe von männlichen Kollegen wie Timbaland und Fab 5 Freddie, mit Themen wie Empowerment und sozialer Gerechtigkeit für Frauen eine breite internationale Öffentlichkeit zu erreichen.
 

Aber auf dem Weg zur Gleichberechtigung wurde zunächst der Spieß umgedreht: Frauen gaben ihren Rap-Persönlichkeiten eine sexuelle Wendung. Künstlerinnen wie Lil Kim, Foxy Brown und Trina rühmten sich mit schlüpfrigen Texten, die ihnen große Popularität und einen großen Anteil an den Albumverkäufen einbrachten. Es lässt sich nicht bestreiten, dass sie einen legendären Platz im Rap-Spiel einnehmen, auch wenn es zunächst fraglich bleibt, ob diese Strategie dabei hilfreich war, das eindimensionale Frauenbild als Sexobjekt zu verbessern oder nicht. Betrachtet man aber moderne HipHop-Künstlerinnen wie Nicky Minaj, wird klar, dass sie ihre Sexualität nicht nutzen um Sex zu verkaufen, sondern um die patriarchalischen Strukturen der Hip Hop-Szene, wie auch der Gesellschaft im Allgemeinen in Frage zu stellen. Es geht um Botschaften von weiblicher Stärke, Ausdauer und Souveränität in einer von Männern dominierten Welt, und sexuell aufgeladene Texte werden von herkömmlichen männlichen Fantasien gelöst, indem Minaj zum Beispiel sexuell aufgeladene Tracks wie Anaconda mit einer Message von „body positivity” versetzt.

Und in Deutschland?

Die deutsche Szene hat eine ähnliche Entwicklung gemacht: Nur wenige Frauen gelang es in den Kindertagen des Genres, so bekannt zu werden wie ihre männlichen Gegenstücke. Die erste, etwas bekanntere deutsche Rapperin Cora E. war bereits in den späten 80er Jahren aktiv, aber in den 90ern kam auch in Deutschland Bewegung die Szene. Die deutschen „Salt’n’Pepa“, das Trio TicTacToe aus dem Ruhrgebiet, die Frankfurterin Sabrina Setlur und die Hamburgerin Nina MC fanden nicht nur als Frauen, sondern auch mit Themen außerhalb gwöhnlicher HipHop Fahrwasser Gehör. Auch hier trugen die frühen Bemühungen reife Früchte: Im Jahre 2024 ist die weibliche Präsenz aus den Veröffentlichungen großer und kleiner Labels nicht mehr wegzudenken. Nachdem im Jahre 2015 das Duo SXTN noch stärker als ihre Vorgängerinnen auf Provokation durch gezielte Nutzung männlicher Klischees gesetzt hatten, scheint das Feld im Jahre 2024 gereift. Eine breite Palette aus unabhängigen (Hayiti, Ebow, Die P) und Mainstream-Künstlerinnen (Badmómzjay, Shirin David, Juju) bedient stilistisch wie inhaltlich alle nur denklichen Facetten und schreckt dabei nicht vor Kollaborationen mit nännlichen Kollegen und genreübergreifenden Stilexperimenten zurück.
 

Eine erhebliche Lücke

Noch 2022 allerdings waren nur 13% aller populären HipHop-Songs von Frauen interpretiert. Zum Vergleich: im Gerne Pop sind es rund ein Drittel. In der Produktion ist es noch krasser: Laut einer Studie über Repräsentation und Gleichstellung in der US-Musikindustrie waren nur 3,4 Prozent der Produzent*innen weiblich, während rund 96,6 Prozent männlich waren. Während sich der Anteil der Musikproduzentinnen zwischen 2018 und 2019 verdoppelt hat, kehrte sich dieser Trend 2020 um und hinterließ eine erhebliche Lücke in Bezug auf die anteilige Vertretung.

Don’t get it twisted – none of this came easy

Rapsody

Diese Zahlen sind überraschend, sind die Beiträge von Rapperinnen mittlerweile recht sichtbar, wenn man sich populäre Playlisten oder einschlägige Charts ansieht. Auch die Art, wie Frauen in der Szene gesehen werden, scheint sich geändert zu haben. Vorbei sind Zeiten, in denen sich Frauen in Rapvideos grundsätzlich wortlos und weitgehend unbekleidet auf Autofendern räkeln, sie in Texten sexistisch beleidigt werden. Zahlen sind nicht alles, es geht, gerade bei Genres, die so aus eine Basis angewiesen sind wie HipHop, auch um Akzeptanz. Rapperin Rapsody macht in der Netflix Miniserie Ladies First (2023) deutlich: der Weg ins Rampenlicht ist bei aller Vorarbeit der Pionierinnen der 80er Jahre schwer. Sich wiederholende, aus Stereotypen über Frauen resultierende Herausforderungen sind stetige Begleiterscheinungen ihrer Karrieren.
Es bleibt noch einiges zu tun, nicht nur im HipHop. Die einzelnen Geschichten der Künstlerinnen, die kleinen Schritte und marginalen Eroberungen von vormals männlichem Terrain sind Teil einer größeren Bewegung mit dem Ziel, Gleichheit zu erreichen, Grenzen zu verschieben und auch neue Perspektiven zu verbreiten, um schließlich einen Zustand zu erreichen, in dem wirklich alle dazugehören dürfen.
 

„Ladies First“ anschauen

weltweit auf   NETFLIX

 

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