Port Said  Port Said: Ein Leben – vom Meer geprägt

Bishoy Kamel Talaat blickt in die Kamera. Er trägt seine Arbeitsuniform in leuchtendem Gelb und eine blaue Sicherheitsmütze. Hinter ihm sieht man das Meer und die Silhouette des Kanals.
Für Bishoy Kamel Talaat, der am Suezkanal arbeitet, ist dieser mehr als ein Knotenpunkt des globalen Handels; es ist der Ort, an dem er ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Lebenssinns gefunden hat. ©Privat

Der Suezkanal: für die meisten ein Symbol des Welthandels; für Bishoy Kamel Talaat ein Ort tiefer, prägender Erinnerungen. Bishoy erzählt von seiner Reise vom Kind, das voller Ehrfurcht die hoch aufragenden Kräne des Hafens von Port Said bestaunte, zum Arbeiter, der Teil der eng verbundenen Gemeinschaft des Hafens wurde. Inmitten der leuchtenden Farben der Schiffe und des beruhigenden Rhythmus des Wassers fand er ein Gefühl von Heimat, das über die bloße Arbeit hinausgeht. Begleiten Sie Bishoy, während er von seinem Weg durch die Welt des Hafens und den wichtigen Entscheidungen erzählt, die ihn immer wieder zu seiner ersten Liebe zurückführen – dem Hafen von Port Said.

Mein Name ist Bishoy Kamel Talaat, geboren 1996 in Port Fuad am Ostufer des Suezkanals, dort, wo der Kanal auf das Mittelmeer trifft. Der majestätische Anblick des Hafens von Port Said am anderen Ufer mit seinen weitläufigen Anlagen und Kränen am Horizont ist eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen.

Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, stand ich oft auf unserem Balkon und blickte über das smaragdgrüne Wasser hinüber auf die gewaltige, geheimnisvolle Welt des Hafens. Die riesigen Kräne reckten sich wie Giraffen zum Himmel, während grüne, rote oder gelbe Schiffe ein- und ausliefen, deren schiere Größe einen kleinen Jungen wie mich damals begeisterte und zugleich verwirrte. Damals konnte ich nicht ahnen, dass eben dieser Hafen eines Tages mein Arbeitsplatz werden und mein Leben für lange Zeit prägen würde.

Map where you can see where the Port of Port Said in Egypt is. ©Canva

Ich erinnere mich an die frühmorgendlichen Spaziergänge mit meinem Vater. Noch vor Sonnenaufgang machten wir uns auf den Weg, leichte Nebelschwaden lagen wie ein Schleier über dem Kanal. Am Ufer trafen wir auf junge und alte Fischer mit ihren Angelruten, die geduldig auf ihren morgendlichen Fang warteten. Andere versammelten sich noch schlaftrunken, in der Hand ihr Gepäck und warteten auf die Fähre zum anderen Ufer. Häufig schlossen wir uns ihnen an. Kaum an Bord, hob mein Vater mich hoch, damit ich Brotkrumen ins Wasser werfen konnte. Scharen von Möwen umschwärmten uns dann wie eine weiße Wolke und verdunkelten für einen Moment die Welt dahinter.

Dann tauchte allmählich der Hafen aus dem Nebel auf, ein spektakuläres Schauspiel aus Kränen, riesigen Schiffen und endlosen Stapeln von Containern, von denen jeder einzelne Geheimnisse aus fernen Ländern barg. Die Luft war erfüllt vom metallenen Durcheinander und dem Brummen der Motoren, wie eine Symphonie aus Abenteuer und Möglichkeiten.

Wie ich wurde der Hafen von Port Said im März geboren – drei Jahre nach meiner eigenen Geburt. Im Jahr 2004 wurde der erste Abschnitt des Containerterminals eingeweiht und damit der Hafen offiziell in Betrieb genommen. Er wuchs und mit ihm wuchs auch ich und aus dem Kind, das mit seinem Vater Möwen fütterte, wurde ein Teenager, der mit seinen Freunden die Stadt erkundete.

Ich streifte über die pulsierenden Märkte von Port Said, atmete den Geruch von frisch gefangenem Fisch, sah leuchtendes Blau, Silber und Rosa in der Morgensonne schimmern, hörte die Ladenbesitzer ihre Waren anpreisen, und beobachtete fasziniert die Bewegungen der Stadt im Rhythmus der Gezeiten.

Ich nahm am frühen Morgen die Fähre, nur um die Vögel zu füttern und die pulsierende Energie des wachsenden Hafens einzusaugen. Zu Hause verbrachte ich Stunden im Internet, um zu erfahren, was sich hinter den imposanten Toren abspielte. Aber wenn ich gedacht hatte, durch meine Recherchen zum Hafenexperten geworden zu sein, so sollte ich bald feststellen, wie sehr ich mich geirrt hatte. Im Jahr 2018 machte ich meinem Abschluss an der Handelswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Port Said. Voller Begeisterung erfuhr ich, dass die Suezkanalbehörde Stellen ausschrieb. Ich bewarb mich sofort und nach strengen Tests und medizinischen Untersuchungen, stand ich eines nebligen Morgens auf der anderen Kanalseite – dieses Mal nicht als mehr Besucher, sondern als Arbeiter.

Voller Vorfreude bestieg ich das Boot für die Angestellten der Kanalbehörde. Der Hafen war für mich über viele Jahre ein ferner Traum gewesen, eine für Außenstehende verschlossene Welt. Jetzt besaß ich die Eintrittskarte zu diesem Reich, das mich so lange in seinen Bann gezogen hatte. Ich war angespannt und aufgeregt zugleich.

Beim Betreten des Hafens überwältigte mich seine schiere Größe. Er war viel größer und komplexer, als es von der anderen Uferseite den Anschein gehabt hatte. Die Kräne, die ich einst als mechanische Riesen betrachtet hatte, ragten nun über gewaltig und einschüchternd über mir auf. Die Geräusche des Hafens – Schiffshörner, gerufene Anweisungen, die schrillen Alarmsignale der Fähren – erzeugten eine Kakophonie des Lärms. Doch inmitten dieses Chaos fühlte ich mich plötzlich zugehörig.

Der Hafen ist ein einziges Labyrinth von Straßen und Gassen. Während der ersten sechs Monate meiner Ausbildung verirrte ich mich regelmäßig und geriet in mir unbekannte Bereich. Mit der Zeit aber gewann ich einen Überblick und es fühlte sich immer mehr wie ein Zuhause an. Ich gewöhnte mich an das konstante Wummern der Maschinen, an das geschäftige Treiben der Arbeiter und die charakteristischen Gerüche der Schiffe. Der scharfe, beißende Geruch der Öltanker war streng, aber das war nichts im Vergleich zum Gestank von Viehtransportschiffen, der noch nachhing, wenn die Schiffe längst wieder ausgelaufen waren. Selbst sechs Jahre später dreht sich mir beim Gedanken daran der Magen um.

Der Hafen ist nicht immer ein schöner Anblick. Es gibt Tage, an denen er chaotisch und überwältigend ist, besonders wenn Schiffe ihren Abfall auf die Docks kippen. Dann türmt sich der Müll und verursacht eine Unordnung, die mich maßlos überfordert. Aber in ruhigeren Momenten – besonders in Winternächten bei leichtem Regen – komme ich zur Ruhe. Der Regen scheint die Luft zu reinigen, er wäscht die raueren Gerüche des Hafens fort und nur der klare, frische Geruch nach Meer bleibt zurück. Es ist ein Moment der Stille inmitten des pulsierenden Hafens. Nach meiner Ausbildung wurde ich auf einem Baggerschiff eingesetzt, einer schwimmenden Maschine, zum Ausbaggern der Sedimente im Kanalbett. Die Arbeit war intensiv und oft furchteinflößend. Die Vibrationen des Baggerschiffs machten mich nervös und die schwer körperliche Arbeit war fordernd. Meine Nerven wurden noch mehr auf die Probe gestellt, als während der Ausbildung ein Kollege aus großer Höhe stürzte und sich das Becken brach.

Allen Gefahren zum Trotz wurde mir schnell klar, dass der Hafen mehr als nur ein Arbeitsplatz war – er war eine Gemeinschaft. Der Einsatzleiter, Kapitän Ehab Al-Zara'a, sorgte dafür, dass mein verletzter Kollege die bestmögliche Behandlung erhielt und organisierte für uns alle einen Besuch im Krankenhaus. Hier zeigte sich die Kameradschaft im Hafen. Wir waren nicht nur Arbeiter, wir waren eine Familie, die immer aufeinander achtete.

Angeleitet von Kapitän Ali Saber begann ich, Vertrauen in mich und meine Rolle zu entwickeln. Er behandelte mich wie seinen eigenen Sohn und gab mir seinen Erfahrungsschatz weiter. Bis heute – sechs Jahre später – lerne ich von ihm. Die Verbindungen, die ich im Hafen geknüpft habe, verleihen mir Kraft, nicht nur am Arbeitsplatz sondern in meinem Leben insgesamt.

Nach einem Jahr zog meine Familie nach Kairo und ich musste mich zwischen meinem Job im Hafen und dem Umzug mit der Familie entscheiden. Es war schwierig, aber ich entschied mich für das Meer. Immer wenn ich Port Said verließ, spürte ich eine erdrückende Enge in meiner Brust, die mir den Atem abschnürte. Die Weiten des Meeres dagegen gaben mir die ersehnte Freiheit.
Bishoy Kamel Talaat blickt in die Kamera. Er trägt eine blaue Uniform. Hinter ihm sieht man das Meer und die Silhouette eines Bootes auf dem Kanal.

Von der Ehrfurcht seiner Kindheit bis zu seinem täglichen Leben als Arbeiter hat der Hafen von Port Said Bishoy Kamel Talaats Herz für immer erobert. | ©Privat

Später wurde ich auf die „Hussein Tantawi“ versetzt, ein größeres Baggerschiff für das Projekt des neuen Suezkanals. Die Arbeit fordert mich, aber das Meer spendet mir immer Trost, selbst wenn ich im geschäftigeren Hafen von Suez stationiert bin. Inzwischen wohne ich näher an Kairo und verbringe dort vier Tage in der Woche mit meiner Familie. Noch immer aber sehne ich mich nach Port Said. Wie eine magnetische Kraft zieht der Hafen mich in seinen Bann und hält mein Herz dort verankert.

Heute teile ich meine Zeit zwischen der Arbeit im Hafen von Suez und meinem Leben in Kairo auf, wo ich als Verkäufer in einem Juweliergeschäft arbeite. Aber wo ich auch bin, meine Gedanken wandern immer wieder zum Meer und zum Hafen von Port Said. Jener Ort, der Teil von mir geworden ist und an dem ich mich wirklich zu Hause fühle.

Die Häfen von Suez und Port Said mögen gar nicht so verschieden sein, aber in meinem Herzen ist der Unterschied himmelweit. Egal, wie weit ich reise oder wie viel Zeit vergeht, mein Herz wird immer Port Said gehören, dem Hafen, in dem meine Geschichte begann.


Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Egab veröffentlicht.

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