Das Release-Narrativ für „Biohackers“, wieder eine neue Netflix-Produktion Made in Germany, klingt so zeitgemäß wie brisant. Ursprünglich für März 2020 angekündigt, wurde die Produktion kurzerhand auf den Spätsommer verschoben als Corona im „Westen“ ankam – Grund: die Serie könnte in Zeiten der Pandemie die Ängste des Publikums triggern. Mittlerweile ist „Biohackers“ seit einiger Zeit in der Welt, COVID wütet wie eh und je, aber der Skandal blieb aus. Ein schlechtes Zeichen? Vielleicht. Lasst und doch genauer hinschauen.
Trouble im Studie-Paradies
„Biohackers“ spielt, ja, im wunderschönen Freiburg, einem Ort also, an dem eigentlich nichts schief gehen kann. Ein Ort, an dem die Zukunft gedacht wird. Ein Großstädtchen unter der Fuchtel seiner Universität, zumindest in der Außenwahrnehmung. Eine Stadt, dessen Gemeinderat mittlerweile fast schon aus Tradition von den Grünen dominiert wird. Bürgermeister ist trotzdem ein evangelischer, parteiloser Politiker mit Namen Martin Werner Walter Horn. Heißt: More Good German wird‘s net. Während „Dark“ gewissermaßen im düsteren Deutschland spielte – dunkle Wälder, Atomkraftwerke, ewiger Regen –, ist „Biohackers“ gewissermaßen im almanesischen Paradies angesiedelt.CRISPR in der Wohngemeinschaft
Die Vorgeschichte des Attentats durch einen braven Biologie-Studi wird im Anschluss im Rückblick erzählt – und alles, was folgt, entpuppt sich in der Folge als sehr viel vorhersehbarer als man nach dem dramatischen Beginn hätte vermuten können. Freiburg präsentiert sich zunächst als Klischee-beladenes Zuhause einer Handvoll Menschen-Karikaturen. Neben den bereits angesprochenen lernen wir in der ersten Folge noch Mia‘s Mitbewohner*innen kennen. Da ist der Verrückte, der seinen Körper als Experimentierfeld betrachtet und versucht mit seinen Selbstversuchen Insta-Fame zu ergattern. Da ist die weibliche Person, die viel zu viel Sex mit viel zu vielen verschiedenen Typen hat – aber sonst nicht allzu viel zu tun scheint. Und die weibliche Person, die offenbar gar keinen Sex hat und dafür superschlau ist. So weit, so einfach und unzeitgemäß. In den WG-Szenen und jenen, die das Uni-Leben dokumentieren, versucht „Biohackers“ sich offenbar daran eine maximal klamaukige Sitcom darzustellen. Das kann man machen, wenn man es denn durchhält.Mia im Labor
Doch eigentlich geht es der Serie im Kern um Mia, der, wie man in weiteren Rückblenden erfährt, in ihrer Kindheit offenbar Schreckliches widerfahren ist und die deshalb nach Aufklärung dürstet. Als verantwortlich für ihr Schicksal macht die kluge und aus der Not heraus manipulativ werdende Frau die Professorin Tanja Lorenz. Lorenz ist von Beginn an als offensichtlich skrupellose Karrieristin gezeichnet – ein frühes Urteil, das sich im Laufe der Serie bewahrheiten wird. Lorenz wird von Jessica Schwarz souverän und überzeugend gespielt – und der Kampf zwischen Mia und ihr ist letztlich das Schmiermittel, das einen beim Zusehen trotz aller Schwächen bei der Stange hält.Im Zentrum von Biohackers stehen Genmodifikationen und ihre Folgen. Die Serie hinterfragt Ethik und Moral in wissenschaftlichen Versuchen. Wie weit kann ein Wissenschaftler gehen, um die Menschheit zu retten? Und was sind die klaren Grenzen, die man nicht überschreiten darf?
Sheena Scott für FORBES
Nichtsdestotrotz hat man konstant das Gefühl zwei Serien zu sehen, die nicht so recht zusammen finden. Da ist zum einen der Student*innen-Klamauk inklusive Gefühlen und zum anderen das Drama, das sich zwischen der Professorin und ihrer klugen Studentin abspielt – und weil es wirkt, als hätten die Macher*innen der Serie für beide Hälften grundverschiedene Erzählweisen gewählt, gerät man nie so recht in einen Sog. Allerdings: einen Hoffnungsschimmer für die bereits bestätigte zweite Staffel gibt es, und zwar das Ende der ersten Staffel. Denn: in Laboren gezüchtete Viren und profitgierige Pharmakonzerne? Das ist doch der Stoff, aus dem man gerade einen kontroversen Katastrophen-Thriller bauen könnte, oder nicht? Eine Serie, die die Verschwörungstheorie-Gläubigkeit breiter Teile der deutschen Bevölkerung aufgreift, entzaubert und daraus Spannung gewinnt, das wäre doch mal was.
Showrunner: Christian Ditter
Regie: Christian Ditter (Folgen 1-3), Tim Trachte (Folgen 4-6)
Ausführender Produzent: Uli Putz und Jakob Claussen, Christian Ditter, Jens Oberwetter und Jake Coburn
Geschrieben von: Christian Ditter (Folgen 1-3), Nikolaus Schulz-Dornburg, Tanja Bubbel und Johanna Thalmann (Folgen 4-6)
Darsteller: Luna Wedler, Jessica Schwarz, Adrian Julius Tillmann, Caro Cult, Thomas Prenn, Sebastian Jakob Doppelbauer, Benno Fürmann, Jing Xiang und mehr
Kamera: Jakob Wiessner (Folgen 1-3), Fabian Rösler (Folgen 4-6)
Produziert von: Claussen + Putz Filmproduktion GmbH, gefördert durch den Deutschen Kinofonds und die FilmFernsehFonds Bayern