48. Filmwoche Duisburg und der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts  Die Wirklichkeit der Welt abbilden

Publikum vor dem Duisburger Filmforum
Buntes Treiben vor dem Duisburger Filmforum Foto (Detail): © Duisburger Filmwoche | Simon Bierwald

Jedes Jahr im November trifft sich die deutschsprachige Dokumentarfilmszene im Herzen des Ruhrgebiets zur Duisburger Filmwoche. Ebenso wichtig wie die Sichtung aktueller Filme ist die Diskussion darüber – und das Publikum macht mit. Besondere Beigabe 2024: Das Goethe-Institut hat seinen Dokumentarfilmpreis verliehen.

Während es draußen allmählich kalt und ungemütlich wird, finden sich in dem wunderschönen roten Kinosaal des Duisburger Filmforums Freund*innen des Dokumentarfilms ein, um gemeinsam Filme zu sehen und danach im angrenzenden Diskussionsraum mit den Filmschaffenden über das Gesehene ins Gespräch zu kommen. Inmitten des Ruhrgebiets wird im November 2024 eine Woche lang das Verständnis vom Kino als Diskursraum leidenschaftlich gelebt.

Dass dem Film und dem Filmgespräch im Festivalprogramm dieselbe Relevanz zukommen, ist das Charakteristische der in diesem Jahr zum 48. Mal veranstalteten Duisburger Filmwoche. Ob angeregte Diskussion, Lob oder Kritik – jedes Filmgespräch wird dokumentiert und anschließend veröffentlicht sowie archiviert.

In der Welt unterwegs

Und es gab wahrlich einiges zu diskutieren. Unter dem diesjährigen Motto „Entferntes Sortieren“ hat die Auswahlkommission ein Filmprogramm mit aktuellen Dokumentarfilmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengestellt. Doch die Schauplätze, an die die Filme das Publikum führten, lagen oftmals an ganz anderen Orten. So führte der Eröffnungsfilm Dom von Svetlana Rodina und Laurent Stoop in die georgische Hauptstadt Tiflis, wohin eine Gemeinschaft russischer Menschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen vor den Repressionen im Land geflohen ist.

Die Filme sortierten entfernte Lebensrealitäten und politische Gegebenheiten an verschiedensten Orten: Auf privaten Filmaufnahmen tanzen iranische Frauen in ausgelassener Stimmung und erzählen von der Freiheit im Privaten, die im scharfen Wiederspruch zum öffentlichen Leben steht. Im Süden Italiens zieht sich eine Gruppe von Frauen in ein Leben im Einklang mit der Natur zurück. In Zürich versucht ein Zoo das Verhältnis von Menschen und Tieren räumlich neu zu ordnen, während an einer Kunsthochschule patriarchale (Geschlechter)Ordnungen freigelegt werden, die tief in den Ort wie auch die Institution eingeschrieben sind.

Preisgekrönter Film über die Entscheidung zwischen Kind und Kunst

2024 ist auf der Duisburger Filmwoche auch der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Institut verliehen worden. Neben vor allem zu erfüllenden cineastischen Kriterien soll der prämierte Film auch einen Deutschlandbezug in Verbindung mit einer interkulturellen oder globalen Perspektive aufweisen. Aus einer Auswahl von acht deutschen Dokumentarfilmen entschied sich die Jury des Goethe-Instituts für den Film Reproduktion von Katharina Pethke. Die Jury lobte das Mehrgenerationenporträt über die Unvereinbarkeit künstlerischen Schaffens und Mutterschaft.

Der Film führt das Publikum an die Hochschule für bildende Künste Hamburg, an der drei Generationen von Frauen nacheinander ihr Studium absolvieren. In genauen Betrachtungen der Geschichte dieses Ortes, seiner Architektur und der ihn schmückenden Werke bildender Kunst macht Reproduktion die vorherrschenden Geschlechterordnungen sichtbar. Im Kunstbetrieb bleibt die Entscheidung zwischen Kind und Kunst bis heute eine schmerzhafte. Katharina Pethke macht dies durch formalästhetische Kraft erfahrbar.

Der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts

Seit 2003 ehrt das Goethe-Institut einmal jährlich eine herausragende filmische Arbeit mit dem Dokumentarfilmpreis. Im Wechsel wird dieser seit 2022 auf wichtigen deutschen Dokumentarfilmfestivals verliehen. Nach der ersten Vergabe im Rahmen des DOK.fest München sowie auf DOK Leipzig im letzten Jahr fand die Preisvergabe dieses Jahr bei der Duisburger Filmwoche statt. Im kommenden Jahr reist der Preis weiter zum Kasseler Dokfest.