Tonabnehmer | Musik  Als Kollegah und Farid Bang den Echo beendeten

Die Deutschrapper Farid Bang und Kollegah stehen auf der Bühne der Echovelerleihung 2018
In Erklärungsnot: Farid Bang und Kollegah sorgen bei der Echoverleihung 2018 für einen Eklat © picture alliance/AP Photo | Axel Schmidt

Der von 1992 bis 2018 jährlich verliehene Echo galt als einer der wichtigsten deutschen Musikpreise. Die letzte Preisverleihung wurde von einem Skandal überschattet. Im Mittelpunkt: die Deutschrapper Kollegah und Farid Bang.

„Verbote und Zensur sind nicht die Lösung. Ich hoffe, dass wir durch solche Auseinandersetzungen zu einem anderen Bewusstsein finden, was noch erträglich ist und was nicht.“  Mit diesen Worten beendete Campino, Frontmann der Band Die Toten Hosen, seine Rede bei der Echo-Verleihung vom 12. April 2018. Das Datum spielt eine wichtige Rolle, dazu gleich mehr.  

Campinos Appell richtete sich an Kollegah und Farid Bang. Das Rap-Duo wurde an diesem Skandal-Abend mit einem Echo in der Kategorie Hip-Hop/Urban National für das Album Jung, brutal, gutaussehend 3 (JBG3) ausgezeichnet. Bereits die Nominierung und die Anwesenheit der Rapper bei der Preisverleihung war kontrovers. Das Internationale Auschwitz Komitee bezeichnete die Nominierung als „einen Schlag ins Gesicht für alle Holocaust-Überlebenden und als beschämendes Ereignis für Deutschland“.

Auslöser für den Skandal war eine Zeile aus dem Song 0815, der sich auf der Bonus-CD von JBG3 befand. Darin heißt es: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“. Die Insassen des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau waren wegen der grausamen Bedingungen stark abgemagert. Zugleich wird wenig Körperfett im Fitnessjargon als „definiert“ bezeichnet und gilt als erstrebenswerter Zustand, da dadurch die Muskeln sichtbarer sind. Farid Bang, der die besagte Zeile vorträgt, bezieht sich hier auf seinen niedrigen Körperfettanteil. Ein äußerst makabrer Vergleich. Umso mehr als dass das Album ausgerechnet am 12. April, am Holocaust-Gedenktag Jom haScho’a, ausgezeichnet wurde. Die Rede der beiden prämierten Rapper wird von Buh-Rufen begleitet. Andere Gewinner*innen geben ihre Preise aus Protest zurück und läuten damit den Anfang vom Ende der Echoverleihung ein.

Der Song 0815 gleicht einem lyrischen Amoklauf, bei dem ein verbaler Tiefschlag auf den anderen folgt. Beim Lesen vieler Textpassagen stellt sich unweigerlich die Frage: Wem gefällt das überhaupt? Neben der offenkundig antisemitischen Anspielung, die den Protest auslöste, finden sich darin rassistische Äußerungen, die auf Vorurteilen gegenüber Geflüchteten basieren und wie AfD-Stammtischparolen klingen. Die bewusste Provokation war Teil der Vermarktungsstrategie hinter der Jung, brutal, gutaussehend-Reihe. Schon JBG 1 kündigten Kollegah und Farid Bang als das „asozialste Tape in der Geschichte des Deutschrap“ an. Ihre Strategie zahlte sich aus: Der zweite Teil von Jung, brutal, gutaussehend verkaufte sich über 100.000 Mal und erhielt Goldstatus, der dritte Teil übertraf seinen Vorgänger sogar mit 200.000 verkauften Exemplaren. 0815 war zwar keine offizielle Single-Auskopplung des Albums, erlangte jedoch aufgrund des Echo-Skandals enorme Aufmerksamkeit. Rap-technisch und musikalisch bietet der Song wenig Mehrwert. Er folgt dem klassischen Battle-Rap-Schema: Feinde diffamieren und das eigene Ego überhöhen und übertrieben inszenieren. Kollegah und Farid Bang pflegen einen hypermaskulinen Stil des Battle-Raps, in dem die eigene Penisgröße besungen oder der harte und distanzierte Sex mit weiblichen Familienmitgliedern ihrer realen oder fiktiven Gegner imaginiert wird.

Der kulturelle Einfluss von 0815 blieb gering, umso größer war jedoch das Nachbeben. Die direkte Antwort auf Campinos Rede folgte noch am gleichen Abend, als Kollegah beim Entgegennehmen des Preises eine von ihm gezeichnete Karikatur des Sängers zur Versteigerung anbot. Später entschuldigte sich das Duo für den Song und besuchte die Holocaust-Gedenkstätte in Ausschwitz. Trotzdem sahen sich die Veranstalter zu drastischen Maßnahmen gezwungen und stellten die Vergabe des Echos-Awards nach der skandalumwobenen Preisverleihung von 2018 ein.