Tonabnehmer | Musik  Was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält

Das Rap-Duo Celo & Abdi bei einem Fotoshooting
Nehmen kein Blatt vor den Mund: die Frankfurter Rapper Celo & Abdi © picture alliance / Eventpress

Die Texte des Frankfurter Rap-Duos Celo & Abdi sind oft sehr drastisch. Dahinter verbirgt sich nicht selten eine scharfe Kritik an der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft.

„Hör zu, was Abdi sagt, Hunger in Afrika/ Parallel dazu isst du Hummer und Kaviar“

Mit diesen anklagenden Worten beginnt der Rapper Abdi den Song Parallelen, auf dem er zusammen mit seinen Kollegen Celo und Haftbefehl rappt. Das Intro des Songs besteht aus einer Anmoderation des Nachrichtensprechers Klaus Cleber, dessen Stimme digital bearbeitet wurde: „Wir reden über Parallelgesellschaften, Gemeinschaften mitten in Deutschland, die nach Regeln leben, die nicht die Unseren sind. Da geht's nicht einfach um Moscheen und türkische Kaffeehäuser oder Geschäfte. Da geht es um das, was eine Gesellschaft im Innersten zusammenhält, um Recht und Gesetz“. Diese Gegenüberstellung – von dem, was als gesellschaftlicher Missstand verstanden wird, und wie ausdifferenziert die verschiedenen Lebensentwürfe auch in Deutschland sind – ist die Essenz des Songs. „Es geht ums nackte Überleben / Eine Welt, zwei Parallelen / Ich will Para sehen oder Plan B“, heißt weiter.

Parallelen war eine Singleauskopplung aus dem Debütalbum Hinterhofjargon des Frankfurter Rap-Duos Celo & Abdi aus dem Jahr 2012. Das Album thematisiert Drogenexzesse im Frankfurter Bahnhofsviertel, Gefängnisaufenthalte (Besuchstag) oder europaweit agierende Drogenringe (Traffic Cartel). Zusammengefasst geht es in den Liedern des Albums um eine Parallelwelt, die die Mittelschicht in Deutschland gleichermaßen schockiert und auf krude Weise dennoch fasziniert.

Celo & Abdi rappen über diese Themen mal humoristisch, mal melancholisch oder – wie in Parallelen  drastisch und anklagend. Der Beat des Liedes, produziert von Hamid Chizari alias M3, baut sich langsam zu einer düsteren und Furcht einflößenden Klangkulisse auf. Das passt zu der Abrechnung mit der Mitte der Gesellschaft, die der Song auch darstellt. Immer wieder konfrontieren die Rapper die nationale sowie internationale Wertegemeinschaft mit ihren eigenen Widersprüchen: „Die Würde des Menschen unantastbar/ Parallel dazu Genozid in Ruanda“. Eine drastische Kritik am Zuschauen der internationalen Gemeinschaft beim Völkermord in Ostafrika. Nicht jede Zeile ist ein Fingerzeig an „die da oben“, es werden auch Einzelschicksale aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel mit seinem Rotlichtmilieu und der berüchtigten Drogenszene beleuchtet: „Parallel dazu platzt im Puff ein Gummi/ Parallel dazu schnappt die Nutte Hunni“. Eine Anspielung darauf, dass Sex für wenig Geld käuflich ist und eine Frau, die ihre Sexdienste anbietet, ungewollt schwanger wird, während ein gutverdienender Banker seinen „Siebener tankt“.

Celo und Abdi nutzen in ihrer Musik einen Slang der Kulturenthusiat*innen begeistert, Deutschlehrer*innen aber wohl eher erschreckt.

Das Album Hinterhofjargon ermöglicht auch einen Einblick in migrantisch geprägte Subkulturen deutscher Großstädte und einen Slang der Kulturenthusiat*innen begeistert, Deutschlehrer*innen aber wohl eher erschreckt. Das Duo vermischt in seinen Songs Arabisch, Serbokroatisch, Französisch sowie Türkisch und natürlich auch Deutsch miteinander. Celo (bürgerlich Erol Huseinćehajić) ist als Sohn bosnischer Eltern in Frankfurt am Main geboren, Abdi (bürgerlich Abderrahim el Ommali) ist auch gebürtiger Frankfurter, seine Eltern stammen aus Marokko. Seit 2009 machen sie zusammen Musik. Durch ihren Rap-Stil, der den Titel „Multikulti“ wirklich verdient, können sie der Deutschrapszene ihren Stempel aufdrücken. Der Deutschrap-Superstar Haftbefehl wird schnell auf das Duo aufmerksam und nimmt sie auf seinem Label unter Vertrag. Er ist deswegen ein wiederkehrender Gast auf vielen Songs, so auch auf Parallelen.

Dort erhebt Haftbefehl ebenfalls Anklage und macht darauf aufmerksam, mit welch unfairen Startbedingungen Menschen in Deutschland auf die Welt kommen: „Ihr kleiner Sohn kennt nichts außer Hass und Zorn/ Liebe bleibt ein Fremdwort, denn vor Jahren ging schon Papa fort. Schon als Kind gestorben, Oma nennt sie Hundesohn /Parallel dazu Mutter putzt im Knast für Hungerlohn.“ Auffällig ist, dass das Wort „Parallelen" als Anapher eingesetzt wird. Als die Wiederholung eines oder mehrerer Wörter am Anfang aufeinanderfolgender Verse oder Sätze, wodurch der Fingerzeig-Charakter des Stücks unterstrichen wird: „Parallel dazu Touchdown beim Superbowl. Parallel dazu Schulden und Hungerlohn/ Parallel dazu sagt einer Hurensohn.“

Zum Abschluss wird die Anmoderation von Klaus Cleber erneut aufgegriffen: „Da geht es um das, was eine Gesellschaft im Innersten zusammenhält, um Recht und Gesetz.“ Nach dem, was die drei Rapper in den Zeilen zuvor angeprangert haben, stellt sich bei den Zuhörenden unweigerlich die Frage, was die Gesellschaft wirklich im Kern zusammenhält und ob überhaupt über die eine Gesellschaft gesprochen werden kann, bei so vielen Parallelen.