Sprechstunde – die Sprachkolumne  Bitte nicht!

Illustration: Mobilgerät mit den Buchstaben A, B, C
Christiane Rösingers Alphabet der widerwärtigen Worte Illustration: Tobias Schrank; © Goethe-Institut e. V.

Immer mehr Menschen leiden unter Sprachallergien. Auch Christiane Rösinger. Hier präsentiert sie ihr kleines Alphabet der widerwärtigen Worte.

Achtsamkeit
Ohne Worte

Bullshit, Bullshit-Bingo, Bullshit-Job
Saloppes Allerweltswort mit rebellischer Note, wird gern von Durchblickern benutzt, um auf USA-Erfahrung hinzuweisen.

Cash Cow
Weiterer Anglizismus aus der Welt der Portfolio-Analysen.

Das feier ich!
Kommt von der Partypeople- und Clubszene, die ja gerne „feiert“, wo früher einfach nur gesoffen, getanzt und Drogen konsumiert wurden.

Ehrlich/ ganz ehrlich?  
Betont im Umkehrschluss, dass in anderen Situationen gelogen wurde.

Fan, bin ich/ Ich bin Fan
Wird inzwischen inflationär gebraucht, um Begeisterung anzutäuschen und Zustimmung auszudrücken.

Gerne!
Passiv-aggressive Wendung, um direkte Ansagen zu vermeiden. Etwa so: „Schalten Sie sehr gerne ihre Handys während des Vortrags aus.“

Handlen, hunten, hustlen
Mit etwas umgehen, jagen, hart arbeiten. Wird von Büro-Angebern benutzt, soll auf Weltläufigkeit und Englischkenntnisse des Sprechers hinweisen.  

Ich bin fein./ Ich bin fein damit.
Vgl. I’m fine. Trauriges Beispiel für falsch verstandene Anglophilie. Eine der dämlichsten Übersetzungen ever!

Jaw Line
Neue Problemzone am Körper des älteren Menschen. Muss man mit Gesichtsyoga und Massage ausdefinieren.

Kreativen, die
Euphemistische Berufsbezeichnung für Leute, die in sinnlosen Medienberufen tätig sind.

Liebs!
Wahrscheinlich vom Englischen „Love it!“ Hat es von Insta-Kommentarspalten leider in die gesprochene Sprache geschafft.

Mindset
Deutsch: Denkweise, Mentalität. Ging leider aus dem Jargon der Lebenshilfeindustrie in den allgemeinen Sprachgebrauch über.

Neurodivergente Eigenschaften
Weit verbreitete digitale Selbstdiagnose, zum Zweck, die Verantwortung für das eigene Handeln abzuwälzen. Funktioniert nur, weil neurodivergenten Eigenschaften bei immer mehr Menschen vorkommen.

Oops!
Gewollt unkonventionell. Salopper Ausdruck des Bedauerns oder der Verwunderung.

Proaktiv
Im gestelzten Büroslang übliche, sinnlose Steigerung von „aktiv“. Ist notwendig, wenn für den Drang große Beflissenheit und die Fähigkeit des vorausschauenden Handelns auszudrücken ein „aktiv“ nicht mehr reicht.

Qualitativ gut
Aufgeblasene Imponiervokabel

Rocken
Wird seit über 30 Jahren nicht mehr in der Rock- und Popszene, sondern nur noch in Büros oder beim CSU-Parteitag verwendet. Zum Beispiel: „Wir rocken das gemeinsam!“
 
Sohnemann, mein
Veraltet und doch immer noch gebräuchlich, um dem Stolz, männliche Nachkommen gezeugt zu haben, Ausdruck zu verleihen.

Triggert/ Toxisch/ Trauma
Kam einst nur im Therapiebereich vor, heute überall. Denn wenn alles toxisch ist, wird man schnell getriggert und re-traumatisiert.

Upskilling
Gespreizter Ausdruck für Weiterbildung. In der neoliberalen Gesellschaft müssen wir uns alle ständig verbessern und brauchen dazu auch immer neue Worte.

Voll!
Irritierendes Kurz- und Zustimmungswort aus dem österreichischem Raum. Wird verwendet, wenn Sprecher zu faul sind, ihre Zustimmung in einem ganzen Satz zu formulieren.
 
Was macht das mit Ihnen?  
Sehr verbreitet! Ersetzt das gute alte „Wie fühlen sie sich dabei?“, das den Angesprochenen als handelndes Objekt anerkennt. Bei „Was macht das mit Ihnen?“ wird der Mensch zum passiven Objekt, mit dem was gemacht wurde. Kommt vielleicht aus der Therapiesprache oder wurde von Markus Lanz erfunden.

X-beliebig
Herablassender Ausdruck, der Beliebigkeit ausdrücken soll, aber auf Sprachapathie schließen lässt.   
 
Yummie
Zur Abwechslung mal was aus der englischen Babysprache. Ersetzt das allgegenwärtige, unschöne „lecker“, soll weltgewandt-kosmopolitisch daherkommen, wirkt aber immer hochgradig infantil.
 
Zeitnah   
Gestelzter Bürojargon, ursprünglich aus der Planer-Szene.

Sprechstunde – die Sprachkolumne

In unserer Kolumne „Sprechstunde“ widmen wir uns alle zwei Wochen der Sprache – als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. Wie entwickelt sich Sprache, welche Haltung haben Autor*innen zu „ihrer“ Sprache, wie prägt Sprache eine Gesellschaft? – Wechselnde Kolumnist*innen, Menschen mit beruflichem oder anderweitigem Bezug zur Sprache, verfolgen jeweils für sechs aufeinanderfolgende Ausgaben ihr persönliches Thema.

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