Alternative Modeszene in deutschen Großstädten  Gerne gestylt

Schwarze Birkenstocks, gelbe Socken
In jeder Farbkombination ein Hingucker: Birkenstocks Foto (Detail): © Unsplash No revisions mlpZ452L6Zs

Stil- und Modebewusstsein in Deutschland? Mehr als ein mitleidiges Lächeln erntete man bei diesem Thema lange Zeit nicht. Doch inzwischen hat sich das Bild geändert – hier sind vier stylische Trends, gesehen in deutschen Großstädten.
 

Pragmatische Funktionskleidung, oft in eigenwilliger Farbkombination – darin fühlen sich viele Deutsche besonders wohl, egal ob sie in Klein- oder Großstädten wohnen. Der internetaffinen Generation Z reicht das nicht. Dank Social Media sind sie immer auf dem neuesten Stand der globalen Trends und registrieren, dass sich die vom Internet kreierten Stile auch mit lokalen Accessoires mischen lassen. Und so kombinieren sie neue und zum Teil teure Kleidungsstücke mit Flohmarktfunden und mit dem, was der Kleiderschrank der Eltern an schicken Sachen hergibt.

Y2K

Ob bei den Skatern in den Beton-Dschungeln Deutschlands, beim Rave in den Berliner Technoclubs oder bei den Hip-Hop-Kids in den Vorstädten: Überall blüht seit Jahren der Y2K-Style. Da gibt’s bunte T-Shirts mit großen Logos, schamlose Velours-Trainingsanzüge, kurze Crop-Tops, weite Baggy-Jeans. Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus dem englischen Wort für Jahr (Year) und 2000 (2K). Nostalgisch gestimmt wollen Jugendliche verschiedenster Subkulturen mit ausgesuchten Kleidungsstücken die alte Zukunftsvision aus der Zeit rund um die Jahrtausendwende verkörpern. Der Style ist auch immer mit Erinnerungen an die eigene Kindheit gespickt: Stilistische Inspirationsquelle ist da eher ein altes Bravo-Heft, das Stars wie Tic-Tac-Toe feiert, als die aktuelle Ausgabe der Vogue.
 
Junger Mann sportlich gekleidet, Y2K-Stil, vor buntem Hintergrund

Lässig im Y2K Style | Foto (Detail): © mauritius images / Volodymyr Melnyk / Alamy / Alamy Stock Photos

Blokecore

Lange Zeit war es so: Hast du jemanden gesehen, der in der Regionalbahn ein Bier aufmacht, und derjenige trug Fußballtrikot, weite Jeans und Schal, dann wusstest du, dass in deiner Nähe ein Fußballspiel stattfinden würde. Die Wochenendstimmung hing ganz vom Spielergebnis der lokalen Mannschaft ab. Diese Zeiten sind längst vorbei, inzwischen hat sich ein neuer Modetrend im Mainstream etabliert. Gerne kleidet man sich wie ein solcher Fußballfan – in Großbritannien heißen sie Bloke - zwar mit weniger Spielkenntnissen, dafür aber mit etwas mehr Stil. Es war ein organischer Prozess, der zum Blokecore führte. Alles begann mit dem Comeback des Samba von Adidas. Dann fing die Bohème in Studentenstädten plötzlich an, alte Fußballtrikots zu astronomischen Preisen in Online-Kleinanzeigenportalen zu ersteigern, egal ob vom VFL-Bochum, von Werder Bremen, dem FC Barcelona oder einem brasilianischen Verein.

Auch die Blokette, das weibliche Pendant zum Bloke, trägt das Trikot zu weiten Jeans oder adretten Kleidungsstücken wie Faltenröcken. Engstirnige Fußballfans empören sich zwar darüber, dass nun Menschen Trikots auf dem Leib haben, ohne überhaupt einen Spieler zu kennen. Spätestens seit der hierzulande stattfindenden Fußball-Europameisterschaft der Männer in diesem Sommer müssen sie aber erkennen, dass ihr Stil längst ihre Subkultur verlassen hat: Das kostenlose Deutschlandtrikot von einem Preisvergleichsportal ist neben dem pinken Auswärtstrikot der deutschen Mannschaft das omnipräsente Kleidungsstück 2024.
 
Zwei Personen im Trikot sitzen auf der Frontklappe eines Autos

Trikots als Modestatement | Foto (Detail): © Dwayne joe via Unsplash

Coquette

Samtschleifen als Haarbänder. Kleider, Röcke, Blusen und Tops in Rosa, Hellblau oder Cremefarben. Dazu Schmuckohrringe von der Großmama und verzierte Täschchen, in denen die Digitalkamera aus der Kindheit steckt. Der hyperfeminine „kokette“ Kleidungsstil taucht immer häufiger in Universitäten, Buchhandlungen, Kinos und Cafés auf. Elegante und verspielte Kleidungsstücke und Accessoires werden mit Alltags-Turnschuhen, Kapuzenpullis und Bomberjacken kombiniert – die gewagten Brüche sind absichtsvoll. So bewegen sich zumeist junge Akademikerinnen trendbewusst durch den Alltag.
 
Eine Frau trägt ein rosafarbenes Vintage-Kleid. In der Hand hält sie einen dunkelgrünen Regenschirm.

Wird wieder gerne getragen: Vintage-Schmuck, Omas Perlen, Haarspange und seidige Outfits | Foto (Detail): © Sunny Ng auf Unsplash


Gorpcore

Ins Auge fallen: funktionale Hosen mit abnehmbaren Teilen, die sich in Shorts verwandeln lassen. Winddichte und atmungsaktive Regenjacken. Wanderschuhe in ausgefallenen Formen und Farben. Accessoires wie ein praktischer, ergonomisch geformter Rucksack und eine Thermoskanne ergänzen das Prinzip „Komfort vor Geschmack“ – gepflegt vom Alpenvorland bis zur Nord- und Ostsee und darüber hinaus. Der Outdoor-Look hat sich in den letzten Jahren von einem rein funktionalen Stil der Wanderszene zu einem modischen Statement entwickelt, das weltweit Anerkennung findet. Ausgestattet mit hochpreisigen Birkenstocks und Funktionsjacken, gefertigt in den Werkstätten der Luxusmarken, zeigen längst auch US-amerikanische Superstars, dass sie sich gerne alles leisten, wenn es um Trendsetting geht.
 
Man sieht einen Mann mit grüner Outdoorjacke und hellblauen Fischerhut vor einem orange-blau gestreiften Hintergrund

Ein Fischerhut rundet den Gorpcore-Look perfekt ab. | Foto (Detail): © Jack Finnigan via Unsplash