Ausgesprochen ... integriert  Ein Land, das hilft

Freiwillige sortieren an einem Tisch Kleidung
Freiwillige Helfer*innen sortieren die eingehenden Sachspenden um sie dann den geflüchteten Menschen aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Ebenso werden Sachspenden in die Ukraine transportiert. Foto (Detail): Jens Schicke © picture alliance / SZ Photo

In schweren Zeiten rücken die Menschen zusammen und helfen einander, so beobachtet es Sineb El Masrar gerade in Deutschland im Zuge des Kriegs in der Ukraine. Diese Hilfsbereitschaft macht Mut in schweren Zeiten.

Derzeit verfolgen wir in Deutschland über die unterschiedlichsten medialen Kanäle einen Krieg, der nur wenige Kilometer von uns entfernt stattfindet. Die internationale Alarmbereitschaft und die geografische Nähe versetzen uns verständlicherweise weit mehr in Angst als bei Krisenherden andernorts. Für manche Bevölkerungsgruppen hierzulande, die selbst einst aus Krisenregionen, wie dem des Nahen Ostens oder aus dem Hindukuschs geflohen sind, kann diese Form von Anteilnahme bisweilen ignorant und rassistisch wirken. Nun gehört auch zur Wahrheit, dass der Mensch bei eigener Betroffenheit durch eigenen Bezug, Familienangehörige oder sonstige Formen der Identifikation automatisch anders empfänglich ist für persönliches Leid und Sorge. Es leben allein in Deutschland rund 130.000  Ukrainer*innen, die in weiten Teilen in großer Sorge um ihre Familienangehörigen und Freunde in der Ukraine sind. Und so verteilt sich auch die Wahrnehmung je nach Fluchtgeschichte, der jeweiligen Bewohner*innen in Deutschland.

Hilfsbereitschaft in Deutschland

Dies bedeutet allerdings in keiner Weise, dass Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung dadurch eingeschränkt ist. In einer Zeit, wo die Coronakrise noch vielen hierzulande in den Knochen steckt, bringen sich bundesweit Menschen mit ein. Dies nicht zum ersten Mal, wenn man allein an die Hilfsbereitschaft aus dem Jahr 2015 und 2016 denkt. Rund 1,5 Millionen Geflüchtete haben in dieser Zeit hier Zuflucht gefunden. Mehrheitlich aus Syrien, aber auch aus dem Irak und Afghanistan. Dies ist das jüngste zurückliegende Ereignis, was als Ursache Krieg und Zerstörung hat. Und damit auch nicht das einzige der Bundesrepublik Deutschland. In Erinnerung rufen möchte ich das Engagement und die Integration von Tausenden vietnamesischen Geflüchteten um die 1975er Jahre, die den grausamen Krieg in Vietnam entflohen sind. Auch kurdische Geflüchtete fanden in den 1980ern und 1990ern Zuflucht vor brutaler Verfolgung. Wie auch Iraner*innen, die nach 1979 vor dem islamistischen Regime flüchteten. Stets hat die Bevölkerung - mehrheitlich ohne Migrationsgeschichte - die Bereitschaft gezeigt ihren westlichen Wohlstand zu teilen.

Nicht wenige Menschen haben immer wieder in der Vergangenheit den Gedanken der Hilfsbereitschaft in die Tat umgesetzt. Nicht selten hat man einzelne Menschen oder ganze Familien bei sich privat untergebracht. Zeit wurde immer wieder aufgebracht um die Betroffenen bei Behördengängen oder medizinischen Terminen zu unterstützen und somit auch einige Minderjährige entlastet. Nicht selten müssen Kinder ihre frisch erworbenen Sprachkenntnisse in den Dienst der Familie stellen und überfordernde Bürokratie ihren Eltern übersetzen. Eine durchaus belastende Situation bei der Kinder und Pubertierende oft auf sich allein gestellt sind. Andere Freiwillige gaben Nachhilfe in Deutsch oder integrierten Kinder in Sportaktivitäten. Nicht selten wurde so banal und unwichtig es klingen mag, einfach nur zugehört und Tränen getrocknet.

Lichtfunken der Hoffnung

Dass Hilfsbereitschaft und Mitgefühl nicht aussterben, wo nach kapitalistischen Regeln gelebt und gehandelt wird, zeigen auch die aktuellen Aktivitäten im ganzen Land. Der bescheidene und vielleicht auch naive Versuch in den eigenen begrenzten Möglichkeiten im Kleinen Geflüchtete zu etwas Gerechtigkeit zu verhelfen, mag naiv sein und doch schenkt gerade diese Geste Hoffnung und lässt den Glauben an die Menschheit wachsen und gedeihen. Immer dann, wenn Herrschende die Verantwortung gegenüber Menschenleben missachten. Wo die Angst und die Wut in dunkle Hoffnungslosigkeit mündet, sind es gerade andere, die ein Lichtfunken der Hoffnung in uns allen entfachen. Aber insbesondere bei jenen, die schlichtweg Sicherheit und Unterstützung brauchen. Gerade Hilfesuchende sollten daher auch bei ihren Nachbar*innen Hilfe finden können. Es sind diese kleinen Orte, wo das Streben nach Freiheit und Demokratie keine naive Vorstellung ist, sondern ein ständiges Versprechen auf Hoffnung und Mitmenschlichkeit.
 

„Ausgesprochen …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms, Maximilian Buddenbohm und Marie Leão. Sineb El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?