Survival-Kit Studium  „Was will man eigentlich damit werden?“

Mara im Regenmantel auf Sylt
Mara auf Exkursion in Sylt - wo sie herausfindet, dass sie eine Krabbenphobie hat Foto (Detail): @ Privat

Mara Julseth, 26, studiert im Doppelstudium den Master Europäische Ethnologie und Bachelor Biologie an der Humboldt-Universität sowie Freien Universität Berlin und fuhr dafür zeitweise täglich mit dem Fahrrad einmal quer durch Berlin.

Das größte Klischee von deinem Studium und was davon gestimmt hat:

Ich glaube, das größte Klischee über Europäische Ethnolog*innen ist, dass sie Labertaschen sind, die sich selbst gern beim Reden zuhören. Das stimmt auch teilweise, aber das heißt nicht, dass die Leute dort nichts auf dem Kasten haben. Bei Biolog*innen gibt es noch das veraltete Klischee, dass sie die Kinder sind, die im Matsch gespielt und Regenwürmer gesammelt haben. Heutzutage sagt man, dass sie keine Ahnung haben, was sie studieren möchten und sich dann nur dafür entscheiden, weil sie in der Schule ganz gut in Bio waren. Es stimmt schon, dass der Studiengang ein wenig überrannt ist. Schon ein großer Schock, dann mit 400 Leuten in der Vorlesung zu sitzen. Es gibt aber sehr viele, die das Studium mit einem gezielten Interesse anfangen und schon wissen, in welchem Bereich sie später arbeiten wollen.

Wie sah dein normaler Tag aus?

Das ist sehr wechselhaft. Zu Beginn des Doppelstudiums war es unglaublich anstrengend. Morgens um acht hatte ich meine Bio-Vorlesung – zum Glück hatten die beiden Studiengänge verschiedene Rhythmen – und spätestens mittags um zwölf war ich dann in den Seminaren der Europäischen Ethnologie. Dazwischen bin ich einmal quer durch Berlin mit dem Fahrrad gefahren. Später hat sich das ein bisschen gelegt, da ich dann oft Blockveranstaltungen in der Biologie hatte.

Auf was hättest du verzichten können?

Unvorbereitete Lehrveranstaltungen, bei denen man gemerkt hat, dass die Dozent*innen keine Lust haben. Es kam auch vor, dass sie sich einfach an den Vorlesungsfolien anderer Professor*innen bedient haben und dann nicht genau wussten, was dort steht. Das gilt aber auch für die Student*innen. Ich fand die Leute immer nervig, die gesagt haben: „Ich habe den Text nicht gelesen, aber …“ In Bezug auf das Doppelstudium hätte ich mir gewünscht, dass man das bürokratisch einen Tick einfacher macht. Ich bin jedes Semester zig Mal zwischen den Studienverwaltungsapparaten der beiden Unis hin und hergerannt.

Gibt es einen Tag an der Uni, an den du dich immer erinnern wirst?

Da gibt es mehrere Tage. Eine Exkursion nach Sylt wird mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben. Da kam so ein Gefühl von Landschulheim auf. Wir haben Krabben im Watt gesammelt und ich habe herausgefunden, dass ich eine Krabbenphobie habe. Ich konnte die einfach nicht anfassen – das war natürlich nachdem meine Gruppe sich dafür entschieden hatte, mit Krabben zu arbeiten. Ein anderer Tag, den ich nicht vergessen werde, ist sicherlich, als ich meine Logik-Klausur hinter mir hatte.

Wenn du dein Studium noch einmal anfangen könntest, was würdest du anders machen?

Ich würde anfangs mehr auf das hören, was andere Student*innen und Vertreter*innen der Fachschaften zu sagen haben und welche Lehrveranstaltungen sie empfehlen. Ansonsten war alles super.

Ich bin sehr glücklich, dass ich diese Herausforderung angenommen habe.

Was war oft deine Rettung?

Ich glaube tatsächlich, dass meine Rettung oft der Spaß an meinen Fächern war. Wenn ich dann in den Veranstaltungen saß, habe ich gemerkt, dass sich der ganze Heckmeck mit dem Doppelstudium wirklich lohnt. Ich bin sehr glücklich, dass ich diese Herausforderung angenommen habe, weil mich dieser parallele Weg total bereichert hat. Mir ist dabei wirklich nicht langweilig geworden. Ansonsten hat mir geholfen, auch mal gar nichts zu machen. Manchmal habe ich mir einfach gesagt: ist mir jetzt egal, ich setze mich aufs Tempelhofer Feld und trinke erst mal ein Bier oder fahre Longboard. Meine Freund*innen haben mich häufig dazu gebracht, zu erkennen, wann auch mal gut ist mit Uni. Eine große Gefahr an der Uni ist ja, dass man theoretisch immer etwas machen könnte und ich glaube, es ist sehr wichtig einzusehen, auch mal Freizeit zu machen.

Was hast du am letzten Tag des Monats gegessen, wann war Sparen angesagt?

Ich habe das ganz gut vermieden, indem ich eine Zeit lang nur Nudeln mit Pesto gegessen habe: da gab es keinen Unterschied zwischen Anfang und Ende des Monats. Auch mein Bierbudget war sehr großzügig, schließlich trinkt man in Berlin das recht günstige Sterni – ein gutes Stück Kultur. In knappen Monaten musste ich eher an Veranstaltungen sparen. Dann ist man zum Beispiel nicht ins Kino gegangen.

Welche Frage wird dir auf Familienfeiern immer gestellt?

Was will man eigentlich damit werden? Die Frage kam besonders häufig in Bezug auf Europäische Ethnologie auf– aber auch die Doppelung mit Biologie haben viele nicht verstanden.

Wenn du nicht gerade an der Uni bist, wo kann man dich dann finden?

Im Sommer kann man mich immer draußen finden. Die Winter in Berlin allerdings… die habe ich alle verdrängt. In unserem Freundeskreis waren wir viel in den Wohnungen der jeweils anderen. Mit einer Freundin hatte ich immer alle Veranstaltungen gemeinsam. Danach sind wir immer rausgegangen oder haben Friends geguckt.

Was war der teuerste Preis für eine gute Note?

Finanziell sicher meine Bachelorarbeit – die habe ich als Ausrede genutzt, um in die USA zu fliegen. Ansonsten war das meine Laborarbeit. In meinem Pflichtpraktikum in Basel musste ich unbezahlt 45 Stunden die Woche arbeiten – eine Note gab’s dafür aber nicht.

Uni heißt auch: Lernen fürs Leben. Was hat dir dein Studienfach für deinen weiteren Weg mitgegeben?

Durch mein Doppelstudium habe ich viel über Zeitmanagement gelernt: wann sind die Deadlines, was mache ich zuerst, was kann ich besser alleine und was besser in einer Gruppe, wo muss ich physisch auftauchen oder wann kann ich Arbeit auch abgeben? Die Biologie hat mich gelehrt, darauf zu achten, was in der Natur um mich herum passiert und die Europäische Ethnologie hat mich feinfühliger gemacht, was zwischenmenschliche Situationen angeht. Ich habe durch beides viele neue Denkanstöße bekommen, was sicherlich auch an den vielen coolen Dozent*innen und Kommiliton*innen liegt.
 

„Survival-Kit Studium“

Wo in Deutschland kann man gut studieren? Wie lässt es sich als Student gut leben? Und wie übersteht man die erste Fachschaftsparty und die Fragen auf Familienfeiern?

Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen erzählen von ihren Erlebnissen an den Unis in Deutschland, ihrem Alltag – und was sie manchmal zur Verzweiflung bringt.