Olympische Spiele in Paris  Inklusiver, verantwortungsvoller, spektakulärer

Der Eiffelturm vor dem Stadtpanorama von Paris. Am Eiffelturm sind die olympischen Ringe angebracht.
Gut platziert: Seit Kurzem prangen die olympischen Ringe am bekanntesten Wahrzeichen von Paris Foto (Detail): © Hendrik Nolde

Zum dritten Mal finden in diesem Sommer die Olympischen Spiele der Neuzeit dort statt, wo sie ins Leben gerufen wurden: Paris. Haben die Spiele in der französischen Hauptstadt mit ihrer Vision der Offenheit das Zeug zum Modell für sportliche Großereignisse der Zukunft?
 

„Games Wide Open“ – mit diesem ambitionierten Slogan bewirbt das Organisationskomitee die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Im dazugehörigen Werbefilm werden dem traditionellen olympischen Motto Citius, Altius, Fortius (schneller, höher, stärker) eine Reihe von Idealen zur Seite gestellt: verantwortungsvoller, inklusiver und spektakulärer sollen die Spiele demnach bei dieser Auflage werden. Gastfreundlicher, feierlicher, urbaner und moderner obendrein. In einer Zeit, in der sportliche Großereignisse vermehrt an totalitäre und restriktive Regime mit schier unendlicher Finanzkraft vergeben werden, präsentiert sich Paris als Gegenmodell maximaler gesellschaftlicher Offenheit. Ob die Spiele zu einem Erfolg werden, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die ambitionierten Selbstansprüche des Veranstalters dem Stresstest der Realität standhalten können.

Mit Interesse verfolgen wird man dies auch im Nachbarland Deutschland, wo in der jüngeren Vergangenheit Ablehnung für das skandalumwitterte Internationale Olympische Komitee (IOC) überwiegte. Korruption, Staatsdoping, Schuldenberge – selten schien es unpopulärer, Olympia auszurichten. Paris erhielt den Zuschlag für 2024 auch, da eine Reihe von interessierten Städten ihre Bewerbungen auf Druck der Öffentlichkeit zurückzogen – darunter Hamburg, wo sich die Mehrzahl der Bevölkerung in einem Referendum gegen Olympia aussprach. Zuvor hatten sich bereits in Garmisch-Partenkirchen und München Protestbewegungen gegen die gemeinsame Ausrichtung der Winterspiele 2018 und 2022 formiert. Sportbegeisterte Deutsche von Hamburg bis Garmisch dürften gespannt beobachten, ob die Vision der offenen Spiele von Paris in diesem Sommer aufgeht.

Die inklusiven Spiele

Das unumstrittene Prestigeprojekt von Paris 2024 ist die geplante Eröffnungsfeier auf der Seine. Statt der üblichen Stadionrunde sollen mehr als 10.000 Athlet*innen auf über 600 Booten als Parade einmal durch die Hauptstadt fahren. Der Gedanke, das traditionell teuerste Ereignis der Spiele einem breiten Publikum öffentlich zugänglich zu machen, ist charmant, wenngleich aufwändig. Die Zahl der zugelassenen Personen musste auf Anweisung der Sicherheitsbehörden allerdings bereits im Vorfeld stark reduziert werden. Immerhin: etwa zwei Drittel der voraussichtlich verfügbaren 300.000 Tickets sollen kostenfrei vergeben werden, und zwar an Sportvereine, freiwillige Helfer*innen sowie städtische Angestellte aus den ökonomisch und sozial marginalisierten Banlieues der Metropolregion.

An den sportlichen Wettbewerben werden erstmals genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen. Symbolisch unterstrichen wird diese Parität durch die Strecke des Marathons, die sich am historischen Zug der Frauen nach Versailles während der Französischen Revolution orientiert. Außerdem wird erstmals der Marathon der Frauen den letzten Wettkampftag markieren – bisher war diese Ehre seit 1896 stets dem Langstreckenlauf der Männer vorbehalten gewesen.

Ein Zeichen für Inklusion soll schließlich auch durch gestärkte Paralympische Spiele gesetzt werden, die sich erstmals ein einheitliches Logo mit den Olympischen Spielen teilen und als gleichberechtigtes Event mit geteilten Wettkampfstätten und Maskottchen vermarktet werden. Allerdings bleibt im Angesicht bisher zurückhaltender Ticketverkäufe zu wünschen, dass die Euphorie für die Spitzenleistungen des Para-Sports in Paris noch ansteigen wird. Die Hoffnung auf barriereärmere Gestaltung des Metronetzwerks ist hingegen bereits vor Beginn der Paralympics geplatzt. Auch das Ziel, diesen Sommer kostenfreien Transport zur Verfügung zu stellen, musste aus Angst vor überlasteten Verkehrsmitteln zurückgenommen werden. Stattdessen erhöhen sich die Preise nun für alle Olympia-Touristen und Einheimische sind angehalten, während der Spiele möglichst wenig zu reisen.


Die verantwortungsvollen Spiele

Olympische Spiele sind schon immer ein Anlass gewesen, um gigantische Infrastrukturprojekte voranzutreiben. Handelte es sich hier in der Vergangenheit jedoch vor allem um Tonnen von Beton, der in unzählige Autobahnkilometer und gigantischen Stadien gegossen wurde, liegt der Schwerpunkt dieses Jahr auf nachhaltigen Projekten. Wie schon bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland gilt: versprochen wird das grünste Olympia aller Zeiten – Ergebnis offen.

Neue Wettkampfstätten wurden jedenfalls nahezu keine gebaut. Stattdessen setzt Paris auf bereits vorhandene Arenen im Speckgürtel und temporäre Strukturen im Herzen der Stadt. Investiert wurde insbesondere im vorstädtischen Département Seine-Saint Denis, wo das Olympische Dorf nach Ende der Spiele in ultramodernen Wohnraum übergeht. Außerdem wurden viele Sportstätten saniert, die den Kommunen zukünftig zur Verfügung stehen sollen – die nachhaltige Förderung des Jugend- und Breitensports zählt zu den zentralen Versprechen der Veranstalter*innen.

Für viel Aufsehen hat die aufwändige Reinigung der Seine gesorgt, in die der französische Staat mehr als 1,4 Milliarden Euro investiert hat. Nicht nur olympische Athlet*innen, sondern auch die Pariser Bevölkerung solle zukünftig im Fluss schwimmen können, hatte Bürgermeisterin Anne Hidalgo vollmundig angekündigt. Um dies zu untermauern, wollte sie selbst öffentlichkeitswirksam noch vor Auftakt der Spiele ein Bad in der Seine nehmen und Staatspräsident Emmanuel Macron schloss sich dem Versprechen kurzerhand an – die PR-Aktion musste aufgrund der noch immer schlechten Wasserqualität jedoch immer wieder verschoben werden. Um alle Zweifel auszuräumen sprang die Bürgermeisterin eine Woche vor Auftakt der Wettbewerbe schließlich doch ins kühle Nass. Macron war dabei übrigens abwesend - das politische Chaos in Frankreich am Vorabend der Spiele ließ offenbar keine Badepause zu.

Die spektakulären Spiele

Spektakuläre Bilder dürfte in erster Linie die Stadt Paris selbst liefern, die geschickt in Szene gesetzt wird. Ob Beachvolleyball im temporären Stadion unter dem Eiffelturm, Bogenschießen auf der Esplanade vor dem Invalidendom oder Fechten im architektonisch reizvollen Grand Palais – man setzt auf eine Symbiose aus sportlichem Schauspiel und kulturgeschichtlichen Monumenten. Die lebendige Kulturlandschaft wiederum leistet ihren Beitrag, um die bisweilen noch zurückhaltende Freude auf das Großereignis anzukurbeln: Viele der renommierten Museen machen mit Sonderausstellungen auf die kulturelle und gesellschaftliche Rolle des Sports aufmerksam. Hinzu kommt im Rahmen der Olympiade Culturelle ein breites Veranstaltungsprogramm – häufig kostenlos zugänglich.

Die sportlichen Wettkämpfe sollen schließlich ihr Übriges tun, um ein aufregendes und modernes Event zu präsentieren. Der Fokus liegt auf urbanen Trendsportarten wie Skateboard, Street-Basketball oder den neu ins Programm aufgenommenen Breakdance-Wettbewerben. Profitieren möchte man auch vom Glanz globaler Superstars: für besondere Aufmerksamkeit dürften die US-amerikanische Turnerin Simone Biles oder Tennis-Altstar Novak Djokovic sorgen, der seine Karriere mit einem Olympiasieg vergolden möchte. Auch unter den gut 400 deutschen Athlet*innen befinden sich große Namen: Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo strebt in Paris die Titelverteidigung an, während im Zehnkampf Shooting-Star Leo Neugebauer von einer Medaille träumt. Auch die deutschen Basketballer um Kapitän Dennis Schröder dürften als amtierende Weltmeister mit Selbstbewusstsein nach Frankreich reisen.

Ob für sie alle ein olympisches Heimspiel am Horizont absehbar ist? Das wird wohl auch davon abhängen, ob sich die ambitionierten Ziele der diesjährigen Spiele an der Seine verwirklichen lassen oder ob sie ins Wasser fallen wie das Bad des Staatspräsidenten.