Die Diversität der Regionen Brasiliens ist auf der 74. Berlinale gut vertreten. Neuanfänge und die Suche nach einem besseren Leben sind wiederkehrende Motive in den nach der Pandemie entstandenen Filmen. In ihnen spiegelt sich die gesellschaftliche und politische Situation des Landes.
In Betânia, dem ersten Langfilm des Regisseurs Marcelo Botta, versucht die Protagonistin, ihr Leben neu zu erfinden, nachdem sie ihren Mann verloren hat. Wovon drei Generationen träumen – Großmutter Betânia, ihre Töchter und Enkelkinder – wird anhand des Alltags in einer kleinen Gemeinde Nordostbrasiliens vorgeführt. Der komplett in der Küstenlandschaft der Lençóis Maranhenses sowohl in Zeiten von Überschwemmungen als auch von Trockenheit gedrehte Film zeigt nicht nur die Probleme der dortigen Bevölkerung, sondern begleitet seine Protagonist*innen auch zu lokalen Festlichkeiten wie Meu Boi Bumbá, traditionellen Reigentänzen und zeitgenössischen Reggae-Remixes.Kehrseite der Postkartenansicht
Die im Encounters Wettbewerb laufende brasilianisch-argentinisch-taiwanesisch-deutsche Co-Produktion Dormir de olhos abertos (Sleep with Your Eyes Open) der deutschen Regisseurin Nele Wohlatz zeigt als subtile und leise Fiktion die Suche chinesischer Einwanderer nach neuen Perspektiven in der brasilianischen Großstadt Recife. Über eine Touristin aus Taiwan, die dort ankommt und sich nach und nach einer örtlichen chinesische Community annähert, lernen wir die flüchtigen Beziehungen illegal Beschäftigter kennen. Dazu im Kontrast steht der Reichtum ihrer ebenfalls chinesischen Arbeitgeber.Rassismus, fehlende Perspektiven, Polizeigewalt
Der ebenfalls in einer Großstadt – Belo Horizonte – verortete Kurzfilm Lapso (Lapse) von Caroline Cavalcanti in der Sektion Generation 14plus erzählt von Bel und Juliano, zwei Jugendlichen aus der Peripherie, die Sozialstunden in einer Bibliothek ableisten. Bel, die in Gebärdensprache kommuniziert, gibt Privatunterricht und ist Skaterin; Juliano liebt Rap und sucht nach einem Sinn für sein Leben. Über den Alltag der beiden Figuren werden die Schwierigkeiten junger Schwarzer Personen in den städtischen Randbezirken Brasiliens deutlich: Rassismus, Perspektivlosigkeit und Polizeigewalt sind für sie Alltag. Trotz des gewaltsamen Hintergrunds ist Lapso ein zarter Film, der viel Raum lässt für Liebe und Solidarität, auch wenn die Erzählung keine Spur einer besseren Zukunftsperspektive für die Protagonisten aufweist.Amazonien: Verwüstung und Zerstörungen
Die Vorstellung, ein Land der Zukunft zu errichten, führte seinerzeit zum Bau der Transamazônica, einer Schneise von Ost nach West durch das Amazonasgebiet. In Quebrante von Janaina Wagner, gezeigt in der Sektion Forum Expanded, begeben wir uns auf eine Reise durch Amazonien, erforschen Wege, Geisterstädte und kleine Ansiedlungen. Vor allem sehen wir Trostlosigkeit und verheerende Auswirkungen der Abholzung.Februar 2024