Experimentier- und Dialogräume Ausstellung „Tejidos Conectivos“ (Bindegewebe) auf der Kunstplattform Experimenta/Sur
Die internationale Plattform darstellender Künste Experimenta/Sur wurde 2013 von der Siemens Stiftung, dem Goethe-Institut und dem Künstlerkollektiv Mapa Teatro – Laboratorio de artistas in Kolumbien gegründet. Ihr Ziel ist es, temporäre Reflexions-, Experimentier- und Dialogräume zu schaffen.
Anlässlich des Themenjahres Humboldt y las Américas war Experimenta/Sur integraler Bestandteil der Ausstellung La naturaleza de las cosas: Humboldt, idas y venidas/Die Natur der Dinge: Humboldt, Kommen und Gehen und brachte Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Lateinamerika, Deutschland und den USA zusammen, um sich gemeinsam mit dem Konzept tejidos conectivos (übersetzt etwa Bindegewebe) auseinanderzusetzen. In diesem Rahmen entstanden der performative Vortrag De bogas y remeros / Von Bogas und Ruderern sowie die Performance El carguero / Der Träger. Zudem wurde die Performance El viaje del formol /Formalinreise gezeigt.
El carguero / Der Träger
Humboldt beschreibt in seinen Tagebüchern die Figur des Trägers im kolonialen Gesellschaftssystem. Die Träger, Männer afrikanischen oder indigenen Hintergrunds, trugen auf ihrem Rücken Reisende und Güter. Der Performance-Künstler Jean Lucumi verbindet diese Figur mit Fragen der Bildung in heutigen postkolonialen Gesellschaften, in denen die Ungleichheiten des kolonialen Systems von Versklavung und Ausbeutung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit in anderer Form weiterbestehen. Als Fracht trägt Lucumi jene Texte, die seine Schulzeit prägten. Eine Last, derer er sich im Laufe der Performance entledigt und die Anlass zum Gespräch über den Zusammenhang zwischen Bildung und globalen Gesellschaftsordnungen bietet.
El viaje de formol / Formalinreise
Die Performance inszeniert eine mythische Welt: Anhand von Videos, Liedern und Reden wird die Reise der ermordeten Mixteken-Aktivistin Alberta „Bety“ Cariño durch die Unterwelt dargestellt. Während dieser politisch-surrealistischen Reise ndet sie Gefährten in Witwen, Hexentieren und Gottheiten, die sie zu einer Wiedergeburtszeremonie begleiten. Ein in Formaldehyd eingelegter Axolotl spielt gleichzeitig die Rolle eines Geschichtenerzählers, eines Reiseführers und eines bei einer Kolonialexpedition entführten Geisterobjekts. Humboldt hatte den mexikanischen Schwanzlurch Axolotl in den Gewässern um Mexiko-Stadt gesehen, gezeichnet und beschrieben. Die Performance zeigt mit dieser mythischen Erzählung die Ver echtung zwischen der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Unterdrückung der indi- genen Bevölkerung Mexikos.
De bogas y remeros / Von Bogas und Ruderern
In diesem performativen Vortrag bezieht sich die Anthropologin Mara Viveros auf einen der wenigen Texte Humboldts, in denen er ein menschliches Wesen und die Körperlichkeit seiner Arbeit beschreibt. Viveros setzt diesen Text in ein spannungsvolles Verhältnis zu der Erzählung über den Alltag eines Mannes, eines Afrokolumbianers, der an der Küste lebt und möglicher Nachfahre des von Humboldt beschriebenen Mannes ist. Die Lesung von Julián Díaz und Liliana Angulo Cortés wird durch Improvisationen von Stephan Micus begleitet, der im Rahmen von Experimenta/Sur Humboldts Route auf dem Orinoco nachverfolgt hat.