Südamerikanische Studierende der Universitäten Weimar und Dessau berichten, was das Bauhaus für ihre kreative Arbeit bedeutet.
Welche Bedeutung hat das Bauhaus für junge Künstler heute? Was kann man 100 Jahre nach Gründung der legendären Kunstschule für Architektur und Design im Jahr 1919 noch lernen? Ihre pädagogischen und künstlerischen Prinzipien finden in den aktuellen künstlerisch-technischen Studienprogrammen der Bauhaus-Universität Weimar und der Hochschule Anhalt in Dessau immer noch Anwendung.-
Isel Vega Ramos, peruanische Architektin, Hochschule Anhalt, Dessau: Ich bewundere die Frauen des Bauhauses, besonders Marianne Brandt und Gertrud Arndt. Sie waren innovativ und wagten es, in ihnen fremde Welten vorzudringen. Das Bauhaus hat mir beigebracht, keine Angst davor zu haben, etwas Neues auszuprobieren, die Kunstrichtungen miteinander zu vereinen, Ideen zu teilen und ich selbst zu sein. Die internationale und multidisziplinäre Umgebung, in der ich derzeit studiere, ist eine Bereicherung für mich. Im Master für Design stoße ich auf Kommilitonen aus aller Welt und aus verschiedenen Studiengängen. Momentan nehme ich am Projekt BauNow teil, das vom Deutsch-Israelischen Zukunftsforum gegründet wurde. Dabei untersuchen wir die Werte des Bauhauses und ihre Relevanz beim Aufbau von sozialen Gemeinschaften.
Foto: Das Innere des Bauhaus-Gebäudes in Dessau steht nicht nur für den Einfluss der Moderne auf die Architektur, sondern auch für eine neue Generation von Designern, die immer noch vom Bauhaus lernen. -
Paula Estéfani Souto Ramos Magalhães Teixeira, brasilianische Beraterin für Design und Umgang mit Innovation, Hochschule Anhalt, Dessau: Das Bauhaus hat nicht nur meinen Blick auf die Künste, sondern auch auf das Leben verändert. Im Studium habe ich gelernt, mich für eine andere Sichtweise der Dinge zu öffnen. Dabei geht es um mehr als die bloße Wertschätzung von Kunst und Design. Nachdem ich diesen Weg des Entdeckens und der Unsicherheit akzeptiert und gelernt hatte, das Design des Immateriellen zu erkennen, stellte ich fest, dass ich durch mein Studium etwas dazu beitragen wollte. Allerdings ist es ein Prozess, der niemals endet. Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit, aber vielleicht werde ich mich in der Zukunft für einen Richtungswechsel entscheiden.
Foto: Vor dem Bauhaus-Gebäude in Dessau an meinem Abschlusstag. -
Mauricio Sosa Noreña, kolumbianischer Publizist, Hochschule Anhalt, Dessau: Das Bauhaus ist viel mehr als Design und Kunst. Es ist eine Lebensauffassung. Die Bauhaus hat versucht, durch Kunst und Design die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, indem es das Denken veränderte, die Städte, die Gegenstände... den Alltag der Menschen. Eine seiner wichtigsten Lehren ist die vereinende Arbeitsweise: Vor ihrer Spezialisierung auf einen Teilbereich müssen die Designer eine gemeinsame Grundlage haben, um später zusammenzuarbeiten.
Foto: Im Bauhaus-Gebäude in Dessau -
Cristian Gabriel Terreno, argentinischer Architekt, Bauhaus-Universität Weimar: Während meines Architekturstudiums war das Bauhaus unter den Lehrenden die am meisten geschätzte Kunstschule. Sie war das Vorbild für alles, was die Ausbildung betraf. Bei meinem ersten Berlinbesuch als Architekturstudent fuhr ich ins Bauhaus-Archiv und war fasziniert. Zwanzig Jahre später kam ich zum Postgraduiertenstudium nach Weimar. Ich fand viel Trost darin, einen kritischen Blick auf die Moderne zu entdecken, der sich mit dem postkolonialen Blick vereint, der meinen eigenen Intellekt als gebildeter Lateinamerikaner, der auf den Westen schaut, herausfordert.
Foto: Ankunft in Weimar 2013, um an einem argentinisch-deutschen Doktorandenprogramm teilzunehmen. Ich bin der Zweite von links. -
David Muñoz Hasselbrink, peruanisch-deutscher Architekt, Bauhaus-Universität Weimar: Unter dem Einfluss meines Großvaters und seiner Bewunderung für die Kunstschule brachte mich das Bauhaus-Erbe dazu, Architektur in Weimar zu studieren. Nach Bauhaus zu denken, heißt, die Künste als eins zu denken, Form und Funktion zu vereinen und seine Kenntnisse in integrierender Weise anzuwenden. Um dieser Idee zu folgen, benutze ich Prinzipien aus anderen künstlerischer Disziplinen bei meinen persönlichen Projekten, in der Musik und in den Geschichten, die ich schreibe.
Foto: Café Atelier der Bauhaus-Universität Weimar -
Ginna Alejandra Vélez Carrasco, kolumbianische Künstlerin und Dozentin, Bauhaus-Universität Weimar: Ich stieß auf das Bauhaus und seinen Beitrag zur Kunstpädagogik, während ich, ausgehend von einer Performance, an meiner Abschlussarbeit über die Konsumgesellschaft arbeitete. Die Bauhaus-Bewegung betont die gemeinschaftliche Arbeit und die Vereinigung der Kunst mit anderen Disziplinen auf eine objektive und funktionale Weise. Durch die Transdisziplinarität werden kontinuierliche Denkprozesse über die Rolle der Kunst im sozialen Kontext und ihre Zugänglichkeit unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Alter oder finanziellem Status in Gang gesetzt. In Kolumbien hat das Bauhaus Fragen zur Lehre der Künste ausgelöst. Ich habe in Weimar studiert, um mich wieder zu finden und zu verbinden mit einem Teil der Geschichte dessen, was ich heute bin: Kunstdozentin und Performerin.
Foto: Van-de-Velde-Bau, Bauhaus-Universität Weimar, 2015. Die Wandmalerei Oskar Schlemmers entstand 1923 und steht für seine Hinwendung zur Erforschung des Körpers, zur Bewegung und den szenischen Künsten. Schlemmer hat mitbeeinflusst, dass ich in Weimar leben wollte. -
Marie-Louise Stille, argentinisch-deutsche Kultur- und Theaterproduzentin, Bauhaus-Universität Weimar: Das Bauhaus hat mich dazu gebracht, mir bei jedem neuen Projekt die Frage nach der Funktionalität zu stellen. Es hat mich gelehrt, Schlichtheit nicht als etwas Einfaches zu begreifen, sondern als einen Weg, der sich aus vielen Suchetappen zusammensetzt, um zu einem bestimmten Ziel zu gelangen. Durch mein Studium habe ich Zugang zu einer Tradition erhalten, die den Stellenwert und die Funktion der Künste kritisch hinterfragt.
Foto: Vor dem alten Bauhaus-Museum. Das Gebäude, aus dem das Haus der Weimarer Republik entstehen soll, lässt mich an die Beziehung zwischen dem Bauhaus und der deutschen Demokratie denken, und daran, wie das Bauhaus die Freiheit seiner Studierenden durch das Experimentieren fördert. -
Carla Ebel, brasilianisch-italienische Architektin, Bauhaus-Universität Weimar: Als Architektin, Stadtforscherin und Professorin trage ich die Bildungsgebote des Bauhauses in mir, seine hundertjährige Entwicklung und meine Erfahrung in einem internationalen Programm. Seit seiner Gründung hat das Bauhaus Anpassungen und Herausforderungen durchlebt. Sein Erbe hat meine Sichtweise der Künste beeinflusst und meine Art, mich mit den Menschen, der Architektur und der Stadtforschung ins Verhältnis zu setzen. Das Bauhaus steht für einen aufmerksamen, interdisziplinären, systematischen und vor allem menschlichen Blick.
Foto: Blick auf Weimar vom Riesenrad am Zwiebelmarkt -
Daniel Castellanos Reyes, kolumbianischer visueller Künstler, Kurator und Dozent, Bauhaus-Universität Weimar: Das Erbe des Bauhauses dient mir als pädagogische und künstlerische Inspiration. In meine Praxis als Dozentin habe ich einige der Strategien aufgenommen, die Künstler des Bauhauses wie Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer angewandt haben. Bei meinem künstlerischen Schaffen dient mir das Denken des Bauhauses als Forschungsmethode, ausgehend von den interdisziplinären Schnittmengen von Kino und Theater mit der Soziologie und Anthropologie des Bildes. Ich suche nach der Interaktion der handwerklichen Berufe und der Künste an unkonventionellen Orten. Die öffentlichen Räume betrachte ich als Bühnen und künstlerische Labors.
Foto: Das Architektur-Museum der Universidad Nacional de Colombia, entworfen von Leopold Rother, ist eine Ikone des Bauhaus-Erbes. -
Mónica Jimena Ramé, argentinische Architektin, Bauhaus-Universität Weimar. Die Bauhaus-Philosophie hat mir dabei geholfen, Brüche als notwendige Wendepunkte zu verstehen, um neue Wege in Kunst und Design einzuschlagen. In meinem Studium versuche ich, die Prinzipien von Rationalität, Schlichtheit und Praktikabilität anzuwenden, mit dem Ziel guter Ergebnisse.
Foto: In der Universitätsbibliothek während der alljährlichen „Langen Nacht der Wissenschaften“. Bei dieser außerstudienplanmäßigen Aktivität können wir Kommilitonen und Perspektiven anderer Studiengänge kennenlernen. -
Gloria Andrea Cuellar Tovar, kolumbianische Designerin, Hochschule Anhalt, Dessau: Dank dem Bauhaus kann ich die Künste und Handwerksdisziplinen als Äste eines selben Stammes betrachten. Dadurch konnte ich mein Denken als Designerin entwickeln, meine Kreativität erhöhen und bei der Arbeit mit Menschen aus anderen Berufszweigen Grenzen überschreiten. Während meiner Ausbildung zur Designerin war das Bauhaus für mich ein Pfad, dem ich folgen konnte, eine Inspiration. Durch mein Studium konnte ich von vielfältigen Disziplinen ausgehend Projekte entwickeln. Es hat mir ein Spektrum eröffnet, um über Aspekte aus der Architektur, dem Grafikdesign, Medien und Forschung nachzudenken.
Foto: An meinem Abschlusstag vor dem Bauhaus-Gebäude in Dessau. Ich trage das blaugeblümte Kleid. -
Augusto Francisco Gandía, argentinischer Architekt, Bauhaus-Universität Weimar: Einerseits hat mir das Bauhaus Disziplin eingeimpft, um ein guter Designer zu werden. Andererseits hat es mir die Möglichkeit verschafft, an Seminaren anderer Fakultäten teilzunehmen wie zum Beispiel Informatik. Das hat mir die Angst genommen, mit Leuten anderer Studiengänge zusammenzuarbeiten, und ich habe gelernt, bei der Arbeit das Vertrauen zu haben, dass ich zur Lösung der Probleme anderer beitragen kann. Das war wichtig, da ich in einer Umgebung studiere und arbeite, wo ich gemeinsame Projekte mit Ingenieuren aus der Robotik, Informatik und anderen Disziplinen mache.
Foto: Mein Abschluss im Hauptgebäude des Bauhauses in Weimar. Ich habe zusammen mit Menschen verschiedener Nationalitäten und Auffassungen von Design studiert. Ich bin der mit dem Jeanshemd vorne links. -
Laura Gutiérrez Mesa, kolumbianische Architektin, Hochschule Anhalt, Dessau: Das Bauhaus und seine Mitglieder sind mehr als eine Bewegung. Es geht darum, in der Praxis zu lernen, etwas mit unseren eigenen Händen zu schaffen, verschiedene Techniken auszuprobieren und uns ständig weiter zu entwickeln. In Dessau habe ich gelernt, die Arbeit in interdisziplinären Gruppen wertzuschätzen. Das Wichtigste des Bauhaus-Erbes ist es zu verstehen, dass ein gutes Projekt das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Vertretern verschiedener Disziplinen sein sollte. Die neue Vision des Bauhauses besteht darin, zur ursprünglichen Vision die Multikulturalität hinzuzufügen, sodass man nicht nur von anderen Berufen lernt, sondern auch von anderen Kulturen und deren Kunst- und Designformen.
Foto: Vor dem Gebäude des Masters Integrated Design MAID, der sich Projekten internationaler Studierender verschiedener Disziplinen widmet.