Der Zoo Feldman Ecopark in Charkiw  Vor Angst beißen Affen sich die Schwänze ab

Der Zoo Feldman Ecopark in Charkiw Illustration: © Tetiana Kostyk

Die Kriegsverluste in der Ukraine werden nicht nur in Menschenleben, sondern auch in Tierleben gemessen. Dutzende Zoos, Tierheime, Naturschutzgebiete und Naturparks geraten unter Beschuss. Im Laufe nur eines Kriegsjahres hat Russland den Feldman Ecopark in Charkiw in eine ökozidale Wüste verwandelt.

Nach Angaben der Tierschutzorganisation UAnimals leben in der Ukraine über 80 vom Aussterben bedrohte Tierarten. Es droht, dass deren Populationen durch die russische Aggression auf ukrainischem Territorium verschwinden. Während des Kriegs seien über zehn Millionen Tiere vom Feind getötet, zehn Naturschutzgebiete und zwölf Nationalparks besetzt worden, so die Vertreter von UAnimals. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky erklärte, Russland begehe einen Ökozid. Darunter versteht man die Vernichtung von Flora und Fauna sowie die Verseuchung von Luft und Wasserressourcen.

Der Feldman Ecopark in Charkiw ist der bekannteste Zoo der Ukraine und seine Geschichte ist eines der tragischsten Kapitel des Ökozids im Land. Die russischen Besatzer haben das Gelände des Zoos, der knapp 5000 Tieren ein Zuhause bot, fast völlig zerstört. Etwa 100 Tiere sind durch Beschuss ums Leben gekommen. Die Mitarbeiter*innen des Feldman Ecoparks wollten die verbliebenen Tiere retten und haben versucht sie zu evakuieren – nicht selten unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Fünf Mitarbeiter*innen sind durch feindliche Kugeln und Granaten getötet worden.

Feldman Ecopark

Der Feldman Ecopark mit 140 Hektar Fläche ist ein regionaler Landschaftspark im Rajon Derhatschi in der Oblast Charkiw. Er gehört zu den Naturschutzgebieten der Ukraine. Vor dem Krieg lebten dort rund 300 Tierarten: Vögel, Raubtiere, Primaten, Huftiere, Reptilien, Nagetiere und so weiter. Auf dem Parkgelände gab es sechs Arten endemische Pflanzen und 18 Tierarten, die auf der Roten Liste der Ukraine stehen; darüber hinaus fünf Tierarten aus der Europäischen Roten Liste.

Kriegsbeginn und Evakuierung

Nach dem großangelegten Angriff Russlands auf die Ukraine mussten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Feldman Ecoparks die Region Charkiw verlassen. Schließlich liegt der Park nur 25 Kilometer von der russischen Grenze entfernt und damit in der Feuerlinie.
  Einige Tage nach der Invasion waren von der 300-köpfigen Belegschaft des Ecoparks nur elf Personen übriggeblieben. Diese Kerntruppe wollte ihre Tiere nicht dem Schicksal überlassen. Unter ihnen war auch Switlana Wyschnewezka, die Leiterin des Bereichs Nagetiere und des Terrariums. Sie erzählte uns die dramatischen Geschichten rund um die Tiere.

Switlana Wyschnewezka mit ihrem Lieblingstapirweibchen Dolly Switlana Wyschnewezka mit ihrem Lieblingstapirweibchen Dolly | Foto: © Anna Lakyza Derzeit arbeitet Switlana im Kowaliwka Ecopark in der Oblast Poltawa, der Nachbarregion der Oblast Charkiw. Besitzer des Kowaliwka Ecoparks ist Witalij Iltschenko, gleichzeitig einer der Direktoren des Feldman Ecoparks. Als die Tiere aus Charkiw evakuiert werden mussten, hat man sie ohne zu zögern in den Kowaliwka Ecopark gebracht, da das Kriegsgeschehen in der Region Poltawa vergleichsweise ruhig war. Mittlerweile leben im Kowaliwka Ecopark etwa 60 Prozent der geflüchteten Tiere des Feldman Ecoparks, darunter Primaten (Mantel- und Steppenpaviane), Tiger, Löwen, ein Tibetbär, Wölfe, Esel, Capybaras, Alpakas, Kängurus, Geparden, Jaguare, Panter, ein Puma, ein Rentier, Binturongs (Marderbären), Fenneks (Wüstenfüchse), Ginsterkatzen, ein Tapir, Walliser Schwarzhalsziegen, Kamele, Nagetiere, Reptilien, Vögel und viele andere mehr. Um die Neuankömmlinge beherbergen zu können, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzliche Gehege angelegt und Räumlichkeiten gebaut. Heute beherbergt der Kowaliwka Ecopark etwa 6.400 Tiere. Dort treffe ich mich auch mit Switlana.

Eine zerstörte Voliere im Feldman Ecopark Eine zerstörte Voliere im Feldman Ecopark | Foto: © Feldman Ecopark Switlana Wyschnewetska ist aus der Region Charkiw nach Kowaliwka gezogen. Sie konnte ihre Tiere einfach nicht alleine lassen. Als ausgebildete Tierärztin hat sie zwölf Jahre im Feldman Ecopark gearbeitet. Dieser sei ihr Leben und die Tiere ihre Kinder, sagt sie. Während Switlana von all den schlimmen Erlebnissen erzählt, die sie gemeinsam mit den Tieren durchgemacht hat, steigen ihr immer wieder die Tränen in die Augen. Dies sind Switlanas Erinnerungen im Wortlaut:
 
„Bis 24. Februar 2022 haben wir bei uns in der Region Charkiw ein glückliches Leben gehabt. Unser Feldman Ecopark ist doch einzigartig: Das ist ein karitatives Projekt mit mehreren Tätigkeitsfeldern: Pflege und Hilfe für die Tiere, Tiertherapie für Kinder mit Behinderung, Reha, Forschung, Bildung und Freizeitgestaltung für Naturfreunde – hier ist alles unter einem Dach vereint. Der Parkbesitzer Oleksandr Borysowytsch Feldman hat sich immer um seine Tiere, Mitarbeiter und Gäste gekümmert. Mit Kriegsbeginn wurde sein Werk, in das er viel Arbeit investiert hatte, vor seinen Augen zerstört. Mittlerweile kommt er regelmäßig nach Kowaliwka, um seine Tiere zu besuchen.

Einige Tage vor Kriegsbeginn hatten die Papageien begonnen, ohne Unterbrechung lauthals zu schreien. Alle Beruhigungsversuche waren vergebens. Ich hatte damals gedacht, die Tiere würden den herannahenden Frühling spüren. Sie aber hatten die Gräuel geahnt, die der Feind in die Ukraine und in unsere Region bringen sollte. Während der Evakuierung haben wir alle 30 Papageien in etwa einer halben Stunde eingefangen. Sie waren verängstigt, und wir waren es auch. Wir hatten jedoch keine andere Wahl.

Am 26. Februar sind die ersten Granaten auf das Gelände des Ecoparks gefallen. Leitung und Belegschaft entschlossen sich zur Evakuierung. Wir bekamen den Auftrag, die Tiere täglich zu überfüttern, damit sie die Evakuierung verkraften konnten und nicht unterwegs verhungerten.
 
Im Kowaliwka Ecopark wurden neue Gehege errichtet für die aus dem Feldman Ecopark umgesiedelten Tiere. Im Kowaliwka Ecopark wurden neue Gehege errichtet für die aus dem Feldman Ecopark umgesiedelten Tiere. | Foto: © Kowaliwka Ecopark
Die ersten Monate haben die Tiere, meine Kollegen und ich bei Oleksandr Borysowytsch gewohnt. Zuerst wurden die Tiere dorthin gebracht. Überall waren Tiere. Die Affen liefen sogar in den Zimmern herum. Bei jeder morgendlichen Besprechung wurde diskutiert, welche Tiere als nächstes evakuiert werden sollten.

Die Evakuierung der Tiere hat circa drei Monate gedauert. Als erstes wurden die Primaten und die Raubtiere in Sicherheit gebracht. Wir hatten eine Orang-Utan-Familie: Vater, Mutter und ein dreijähriges Jungtier. Ich ging zu ihnen ins Gehege und sagte zu der Orang-Utan-Mutter: ‚Ponotschka, wir müssen dein Kind retten. Wir müssen weg von hier.‘ Ich nahm ihre Hand. Da plötzlich packte mich der Orang-Utan-Vater am Bein und ließ mich nicht mehr los. Das war eine heikle Situation. Der Orang-Utan hätte mich zum Schutz seiner Familie in Stücke reißen können. An jenem Tag gelang es mir nicht, die Orang-Utans aus dem Gehege herauszulocken. Am nächsten Tag wurde das Gelände beschossen. Zwei Granaten schlugen in der Nähe des Geheges ein. Schließlich wagten sich die Tiere heraus. Die Orang-Utan-Mutter umarmte ihr Kind und kletterte vor Freude auf die Bäume. Dann wurden sie illegal fortgebracht. Laut Vorschriften hätten wir sie vor dem Transport narkotisieren sollen, aber das taten wir nicht, weil wir nicht genügend Narkosemittel hatten. Die Soldaten an den Kontrollpunkten zeigten Verständnis. Beim Abschied umarmte mich Ponotschka, als wollte sie mir für ihre Rettung danken.

Unter den zuerst geretteten Tieren waren die Orang Utans. Unter den zuerst geretteten Tieren waren die Orang Utans. | Foto: © Feldman Ecopark
Die Orang-Utans und Schimpansen sind zurzeit im Staatlichen Zoologischen Garten Charkiw untergebracht [einer der weiteren ukrainischen Zoos, welche die Tiere des Feldman Ecoparks aufgenommen haben – Anm. d. Red.]. Die erwachsenen Orang-Utans und Schimpansen haben die Kraft von sieben Männern. Käfige, die dieser Kraft standhalten könnten, gab es in Kowaliwka leider nicht. Bären wurden teilweise auch ohne Narkose transportiert. Später haben uns die Kollegen aus Dnipro Narkotika und Transportmittel für die Löwen, Tiger und Bären beschafft.

Ich erinnere mich an den kleinen Löwen Simba. Bei der Evakuierung war er ganz verwirrt und verstand nicht, was um ihn herum passierte. Ich führte ihn an der Leine aus dem Gehege. Seinen älteren Artgenossen wurde ein Narkosemittel gespritzt. Sie wurden dann in die Zoos von Charkiw und Odessa gebracht. Simba kam zu mir nach Kowaliwka. Löwen sind richtig faule Tiere; sie schlafen rund 20 Stunden am Tag.

Die 140 Kilo schwere Aldabra-Riesenschildkröte wurde von fünf Mann auf einer aus alten Lappen improvisierten Bahre zum Abtransport getragen. Vier Spornschildkröten aus Afrika sind in der Kälte gestorben. Die Temperatur muss im Terrarium 35 Grad am Tag und 25 Grad in der Nacht betragen. Im Februar und März war es kalt und da die Infrastruktur durch feindlichen Beschuss beschädigt worden war, konnte der Ecopark nicht mehr mit Strom und Wärme versorgt werden.

Als Cherson befreit wurde, sind wir hingefahren, um zwei Schildkröten und zwei Leguane abzuholen. Ein Mann aus der Gegend betrieb dort einen kleineren Tiergarten. Die Anlage, in er die Tiere gehalten hatte, war völlig zerstört worden. Der Mann weinte bitterlich, als er uns seine Tiere übergab. Es war eine schlimme Zeit damals. Als das Gehege, in dem die Affen hausten, zerstört wurde, liefen sie alle nach draußen. Es war kalt und es gab nichts zu fressen. Schließlich fanden die Affen eine Toilette und fraßen den Kot, den sie dort fanden.

Die Kamele erwiesen sich bei der Evakuierung als sehr pflegeleicht. Sie stiegen seelenruhig und ohne Umschweife ins Fahrzeug. Von den Eseln konnte man das nicht behaupten. Kein Wunder – die Sturheit des Esels ist ja sprichwörtlich. Die Tiere sträubten sich wie sie nur konnten und bewegten sich partout nicht vom Fleck. Erst als wir alle zusammenhalfen, konnten wir sie schließlich zur Zusammenarbeit bewegen. Für die Pferde fanden wir eine einfache Lösung: Wir sind einfach mit ihnen davongeritten.

Die Esel gewöhnen sich an ihre neue Umgebung im Kowaliwka Ecopark. Die Esel gewöhnen sich an ihre neue Umgebung im Kowaliwka Ecopark. | Foto: © Kowaliwka Ecopark
Mehrere Tiere wurden verletzt. So wurde etwa der Huf eines Zebras von einem Granatsplitter getroffen. Das Tier musste danach noch lange hinken. Unser ältester Tiger, der 17-jährige Banzai, erlebte einen wahren Albtraum: Eine Granate explodierte nur 15 Meter von ihm entfernt. Ein Splitter flog in sein Gehege und verletzte ihn. Er wurde in Sicherheit gebracht und behandelt.
 
Mit einem Bagger wurden Massengräber für die toten Tiere ausgehoben. Es war furchtbar. Das kleine Häuschen, in dem die Stachelschweine lebten, wurde von einer Granate getroffen – überall lagen die Leichen herum. Ebenso erging es den Alpakas und Lamas. Wir musste sie begraben, damit sie nicht im Freien verwesten. Die toten Schimpansen und Orang-Utans wurden ins Krematorium gebracht.

Tiere erleben Stress so wie Menschen. Selbst heute ducken sie sich oder rennen in ihren Unterschlupf, wenn sie unsere Militärflugzeuge vorbeifliegen hören. Ich erinnere mich, wie sich die Affen während des Beschusses die Schwänze abgebissen haben. Die Großen Pampahasen fielen vor Schreck tot um.

Die Capybaras zogen sich zurück und kamen nicht mehr aus ihren Verstecken hervor. Man konnte sie mit bloßen Händen nicht herausziehen – als Nagetiere können sie einen schließlich ganz schön beißen. Mit Müh und Not wurden wir schließlich mit ihnen fertig. Am Schlimmsten war es mit den Helmkasuaren. [Helmkasuare sind große flugunfähige Vögel aus Neuguinea. Im Guiness-Buch der Rekorde werden sie als „die gefährlichsten Vögel der Erde“ bezeichnet. – Anm. d. Red.]. Die mittlere Kralle dieser Vögel ist bis zu 15 Zentimeter lang und ähnelt einem Dolch. Mit diesen Krallen können sie durchaus einem Tiger den Bauch aufschlitzen. Wir hatten Glück, dass sie vor Angst in die richtige Richtung gelaufen sind – direkt ins Evakuierungsfahrtzeug.

Capybaras sind Nagetiere, die in Gruppen von zehn bis zwanzig Tieren leben. Capybaras sind Nagetiere, die in Gruppen von zehn bis zwanzig Tieren leben. | Foto: © Anna Lakyza
Fünf Mitarbeiter des Ecoparks sind durch Beschuss ums Leben gekommen. Unter den Toten war der Busfahrer, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihrem Wohnort zum Dienst gefahren hat. Es war so: Eines Tages sind wir mit dem Bus zum Ecopark gefahren, um die Tiere zu füttern. Noch bevor wir die Gehege erreichen konnten, begann der Beschuss. Wer es geschafft hatte, den Keller zu erreichen, konnte dort Schutz finden. An dem Tag ist auch ein 24-jähriger Kollege ums Leben gekommen – ein Splitter hatte ihn im Gesicht verletzt. Der Dienstbus ist auch zerstört worden, obwohl er mit Bildern von Tieren und Kindern markiert worden war. Zwei Menschen wurden vom Feind auf dem Klo erwischt. Beide wurden mit Maschinengewehr erschossen. Der Sohn unseres Tierpflegers, ein 15-jähriger Junge und ein freiwilliger Helfer, wurde ebenfalls getötet. Ihm wurde das Bein abgerissen. Der Junge ist im Krankenhaus gestorben. Mit den Verwundeten und Leichen unserer Kollegen an Bord sind wir mit dem Rettungswagen, der dem Park gehörte, geflohen, in der Hoffnung, dass der Wagen nicht beschossen würde.

Ich würde Müttern aus Russland raten, ihre Söhne nicht in den Krieg ziehen zu lassen. Aber zwischen uns besteht eben ein Unterschied: Wir lieben unsere Söhne und sie lieben ihre Söhne nicht. Einmal haben mich Journalisten gefragt, was ich Herrn Putin sagen würde. Zunächst einmal ist er kein Herr und schon gar nicht unser Herr. Er ist nie unser Herr gewesen und er wird es auch niemals sein. Ich würde diesem Unmenschen sagen: ‚Die ganze Welt hasst dich! Hör auf!‘

Wir konnten unsere Tiere nur dank der ukrainischen Soldaten retten: Sie haben uns den Weg gezeigt und uns vor Gefahren gewarnt. Ich habe ihnen kleine Ikonen und Kreuze geschenkt. Im Ecopark Kowaliwka wurde eine Tafel aufgestellt, auf die unsere Besucherinnen und Besucher Dankesworte an unsere Verteidiger schreiben können.“

An eine Tafel im Kowaliwka Ecopark schreiben Besucher*innen ihre Dankesnachrichten an die ukrainischen Streitkräfte. An eine Tafel im Kowaliwka Ecopark schreiben Besucher*innen ihre Dankesnachrichten an die ukrainischen Streitkräfte. | Foto: © Anna Lakyza

Switlanas Lieblingstapirweibchen Dolly

Vier Monate vor Kriegsbeginn geschah etwas Außergewöhnliches: Ein Tapirpaar bekam Nachwuchs – die kleine Dolly. Es war die erste Geburt eines Tapirs seit 25 Jahren auf dem Gebiet der Länder, die einst die GUS (Gemeinschaft unabhängiger Staaten) bildeten.
 
„Ich rechne mir die Geburt als Leistung an, da ich die Schwangerschaft des Tapirweibchens begleitet hatte. Als die Kleine zur Welt kam, habe ich zehn Tage lang mit den Tapiren in ihrem Gehege gelebt. Ich habe auch dort übernachtet, in einem Schlafsack. Man musste nämlich beobachten, wie sich der Vater gegenüber der Kleinen verhielt.

Ich hänge sehr an der kleinen Dolly. Die ersten Tage nach ihrer Geburt hat sie immer an meinem Finger genuckelt. Sie ist für mich wie eine Tochter. Wir haben inzwischen unsere eigenen Rituale entwickelt. Jeden Morgen möchte Dolly von mir geküsst und am Rücken gekrault werden. Am Tag, als die Tapire evakuiert werden mussten, ereignete sich ein schwerer Beschuss. Sie wurden nach draußen gebracht. Ich war auch dabei. Wir drei – Dolly, ihre Mutter und ich – standen in der Sonne und heulten.

Dolly und ihre Eltern leben jetzt getrennt: Die Kleine lebt zusammen mit den Capybaras im Ecopark Kowaliwka, während ihre Eltern an einem anderen Ort untergebracht sind. Dolly ist noch ganz klein. Sie ist erst anderthalb Jahre alt, wiegt aber schon gut hundert Kilo. Ihre Mutter wiegt 280 Kilo und ihr Vater etwas weniger. Dolly hat momentan viel Spaß und spielt oft im Gehege mit ihren Mitbewohnern. Sie mag Bananen, Kiwis und Mangos.

Das Tapirweibchen Dolly aus dem Feldman Ecopark lebt nun im Kowaliwka Ecopark. Das Tapirweibchen Dolly aus dem Feldman Ecopark lebt nun im Kowaliwka Ecopark. | Foto: © Anna Lakyza

Der Waschbär Sascha

Im Feldman Ecopark gab es 23 Waschbären. Alle waren zahm und hingen an mir wie ein Pelzmantel. Bei jedem Wiedersehen musste ich sie alle küssen. Einen der Waschbären, den Waschbären Sascha, haben wir den Jungs von den ukrainischen Streitkräften geschenkt. Sie wollten ein Tier haben, das ihnen Freude bereiten und sie trösten sollte. Sie haben für Sascha ein Appartement gebaut. Wenn die Jungs von ihren Kampfeinsätzen zurückkommen, spendet der Waschbär ihnen Trost. Er ist sehr anhänglich, wie ein Hund. 

Bei uns hatte Sascha mit einem Murmeltier-Weibchen in einem verglasten Gehege gelebt. Das Murmeltier-Weibchen hatte ihn immer dominiert. Nicht selten hat sie sich einfach auf ihn draufgesetzt. Sie putzte ihm dabei das Fell. Bei einem Beschuss wurde das Gehege von einer Granate getroffen. Das Murmeltier-Weibchen kam dabei leider ums Leben. Sascha aber schaffte es, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

Der kleine Affe Zhora

Zhora ist auch eines meiner Kinder. Er wurde kurz vor Kriegsbeginn geboren. Die Explosionen setzten Zhoras Mutter so sehr unter Stress, dass sie aufhörte Milch zu geben. Eine Mitarbeiterin hat Zhora mit nach Hause genommen, um ihn aufzupäppeln. Drei Monate hat Zhora bei ihr verbracht. Als er in den Ecopark zurückkam, glaubte er, ich sei seine Mama. Seit jener Zeit klammert er sich an mir fest, sobald ich sein Gehege betrete. Immer wenn ich Zhoras Gehege verlasse, macht er ein großes Theater: er weint und springt auf meine Brust. Obendrein ist er auf Sascha eifersüchtig; das ist ein anderer kleiner Affe, der mit Zhora das Gehege teilt. Die beiden hüpfen ständig auf mir herum und können einander nicht in Frieden lassen. 
 
 

Die Samojedenhündin Dzhuna

Witalij Iltschenkos Frau Walerija war einmal mit ihrer zweijährigen Tochter mit dem Auto unterwegs vom Feldman Ecopark nach Hause. Das Kind wollte auf die Toilette, weshalb die Mutter einen Stopp einlegte. Während sich die Mutter dem Kind widmete, sprang ein Hund in den Kofferraum. Es handelte sich um eine Samojedenhündin, ganz schwarz vor Dreck und Schmutz. Vermutlich war der Hund auf der Flucht von seinen Besitzern zurückgelassen worden. Walerija hat ihn mitgenommen. Seither ist Dzhuna – so heißt die Samojedenhündin – eine weitere Angehörige unserer Großfamilie. Dzhuna ist sehr lieb und freundlich.“

Switlana mit der Samojedenhündin Dzhuna. Switlana mit der Samojedenhündin Dzhuna. | Foto: © Anna Lakyza Das Gelände des Feldman Ecoparks befindet sich zwar wieder unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung, ist jedoch zu fast 80 Prozent zerstört. Im Herbst 2022 hat Witalij Iltschenko, der Direktor des Feldman Ecoparks, erklärt, es sei wegen der Minen und Granatensplitter gefährlich, sich auf dem Gelände zu bewegen. Alle Bauten müssten umfassend restauriert werden – und das sei teuer. Ein Beispiel: Allein das Dach und die kaputten Fenstergläser im Gehege der Menschenaffen zu ersetzen würde bis zu zehn Millionen Hrywen [etwa 2,5 Millionen Euro] kosten. Man ist bestrebt die Tiere wieder zurückzubringen, zumindest einen Teil von ihnen. Am 1. Juni 2023 wurde bereits das „Tal der Alpakas“ eröffnet. Die Alpakas leben dort im Freien. Inzwischen sind auch einige andere Tiere – Lamas, Ziegen, Pferde und auch ein Pony – in den Park zurückgebracht worden.

Menschen, denen das Schicksal der Tiere nicht gleichgültig ist, bringen ihre Spenden teils persönlich zum Kowaliwka Ecopark. Menschen, denen das Schicksal der Tiere nicht gleichgültig ist, bringen ihre Spenden teils persönlich zum Kowaliwka Ecopark. | Foto: © Kowaliwka Ecopark
Trotzdem werden die meisten vertriebenen Tiere des Feldman Ecoparks noch für lange Zeit im Ecopark Kowaliwka bleiben müssen. Sie brauchen jede Art von Hilfe: Geld, Medikamente und natürlich Futter (Fleisch, Getreide, Früchte, Vitamine und so weiter). Wer spenden möchte, findet alle Informationen auf den Seiten des Feldman Ecoparks oder kann sie telefonisch direkt bei Zoodirektor Witalij Iltschenko erfragen: +380509248140.

Perspectives_Logo Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

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