Der Name klang für mich sofort originell und treffend: Baterkáreň. So heißt das erste offizielle Re-Use Zentrum in der Slowakei. An diesem Ort bekommen Dinge eine zweite Chance. Sie werden wie ein Akku (in Trnava „Baterka“ genannt) wieder aufgeladen, erhalten neue Energie und müssen nicht auf die Müllkippe.
Simona Hlaváčová, die Gründerin von Baterkáreň, klärt mich über meine Fehlinterpretation des Firmennamens auf. Gemeinsam mit ihrer Freundin Jana Reháková hat sie sich 2019 auf dieses unkonventionelle Projekt eingelassen. Sie wählten den Namen einfach aufgrund der Räumlichkeiten, in die sie eingezogen sind. Ursprünglich war hier ein Telekommunikationsunternehmen ansässig, das in dem Raum Batterien lagerte, deshalb Baterkáreň, der Batterie-Raum.Am Anfang stand das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung
Jana ist Lehrerin, Simona sieht sich selbst als gemeinnützige Aktivistin. Sie beschäftigte sich mit Katzen, problematischen Umweltbedingungen, dem Klima, Abfällen und Kreislaufwirtschaft. Von der Tätigkeit in einem Großunternehmen arbeitete sie sich zur Abfallthematik hin und hatte schließlich das Gefühl, etwas Eigenes machen zu müssen. Sie lud Jana zum Wein ein und innerhalb von einer halben Stunde nahm die gesamte Unternehmung ihren Lauf.Zunächst veranstalteten sie Tauschmärkte, auch Barter Markets genannt, Vorträge in dem örtlichen Club Káčko und Klimastreiks unter dem Motto Fridays for Future.
„Dann kam das Ganze richtig in Schwung, als sich uns zwanzig Freiwillige anschlossen. Bis wir unsere jetzigen Räumlichkeiten im Batterieraum, dem Baterkáreň gefunden hatten, sind wir dauernd umgezogen, sogar bei meinem Freund auf Arbeit sind wir gewesen, wir suchten etwa fünf Monate lang nach einem Raum. Dann haben wir mit ihm auch unseren Namen gefunden“, erklärt Simona.
Baterkáreň war zunächst gleichzeitig eine Drogerie, ein Zentrum für Recycling und eine Plattform für Bildungs- und Kreativveranstaltungen mit Vorträgen und Workshops.
Corona-Test
Die Entscheidung, eine Unverpackt-Drogerie mit Bioprodukten zu eröffnen war, wie sich herausstellte, die Rettung. Die Corona-Pandemie war ausgebrochen und nur die Drogerie durfte während des Lockdowns geöffnet bleiben. „Nur deshalb haben wir überlebt.“Trotz der Krise gelang es, in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft FCC, einem Unternehmen, das zu 51 Prozent der Stadt Trnava gehört, ein modernes Objekt aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Das Wiederverwendungszentrum namens Back2Life beschäftigt jetzt zwei Mitarbeiter, die von der FCC gefördert werden.
Back2Life und Baterkáreň funktionieren anders als herkömmliche Re-Use-Zentren, wo man Sachen hinbringt, die dann in einem Regal herumliegen, bis jemand sie mitnimmt. „Wir loten verschiedene Möglichkeiten aus, wie ein Gegenstand wieder in Umlauf gebracht werden kann. Deshalb haben wir einen Verleih, deshalb haben wir ein Online-Re-Use-Zentrum, deshalb geben wir Kurse, in denen aus alten Dingen neue entstehen, und deshalb machen wir Sammlungen.“
Doch während der Pandemie konnte sich das Zentrum nicht wie geplant entwickeln, doch laut Simona ging es nun in diesem Jahr in die richtige Richtung. „Ich will mir aber nicht zu sicher sein, denn letztes Jahr habe ich das auch gesagt, dass wir endlich die Prozesse und alles neu ausrichten würden ... und dann sind wir am 24. Februar aufgewacht.“
Hilfe für die Ukraine
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges leistete das Baterkáreň humanitäre Hilfe, die Güter dafür wurden selbst gesammelt. Zunächst gab es viele Einzelspender, aber die Welle der Hilfsbereitschaft ebbte allmählich ab. Dank einer Geldspende von UBER konnten bis Januar 2023 Hilfsgüter verteilt werden.Das Baterkáreň führt regelmäßig drei- bis viermal im Jahr Sammlungen durch. Diese spezielle Sammlung für die Ukraine lief jedoch das ganze Jahr über weiter und wurde auch ständig nach dem aktuellen Bedarf ausgerichtet. Die Mitarbeiter*innen koordinierten sich dafür auch mit anderen Hilfsorganisationen. Sie kümmerten sich um die Entgegennahme und Sortierung von Hilfsgütern und um die Übermittlung von Informationen. Ab Ende Februar 2022 schickten sie über den Freiwilligen Zivilschutz Fahrzeuge an die Grenze und erstellten Listen mit allem, was benötigt wird.
Als Menschen aus der Ukraine in die Stadt kamen, schaffte man es im März innerhalb von 2 Wochen über ein Crowdfunding-Projekt eine neue Lagerhalle anzumieten.
Wachsendes Selbstbewusstsein: Wenn wir das geschafft haben, können wir alles schaffen!
Das Re-Use-Zentrum wurde in ein Supermarktsystem umgewandelt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschrifteten und übersetzten alles. Die Leute kamen herein und nahmen sich, was sie brauchten. Damals wurde im Baterkáreň nicht nur eine riesige Menge an abgepackten Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Kleidung umgesetzt, sondern auch Informationen. Das Zentrum stand in intensivem Kontakt mit den Empfänger*innen der Hilfe, mit anderen Hilfsvereinen und -organisationen, mit kommunalen Stellen, mit Freiwilligen und natürlich mit Spender*innen.„In den ersten drei Monaten wurde die humanitäre Krise nur durch den gemeinnützigen Sektor und Freiwillige gestemmt. Aber die humanitäre Hilfe hat uns im Laufe des Jahres so sehr in Anspruch genommen, dass wir eigentlich nicht mehr das tun konnten, was wir ursprünglich tun wollten.“
Fast ein Jahr lang gelang es ihnen, nach diesem nicht-kommerziellen Prinzip zu arbeiten, aber die Räumlichkeiten und die Mitarbeiter*innen mussten trotzdem ständig weiterbezahlt werden. Um die eigene Existenz und die Fähigkeit des Zentrums, anderen zu helfen, nicht zu gefährden, wurde die die humanitäre Hilfe für Geflüchtete dann gestoppt. „Wir haben die Menschen, denen wir geholfen haben, an die charitativen Stellen der Erzdiözese weitervermittelt. Wir wussten, dass sie dort die nötige materielle Hilfe erhalten würden. Aber um dringende Fälle kümmern wir uns auch jetzt noch. Gleichzeitig ist die Gesamtsituation auch nicht mehr so brisant wie im letzten Jahr“, fügt Simona ein wenig entschuldigend hinzu.
Wie man seine eigene Welt erschafft
Die Chefinnen des Baterkáreň haben drei Jahre lang gekämpft, Papiere und Anträge ausgefüllt, Gelder über Fundraising gesammelt, Projekte geplant und Netzwerke aufgebaut. Sie haben es geschafft, sich zu etablieren, die Leute kennen sie und vertrauen ihnen. Sie wissen, dass die Dinge, die sie hierher bringen, auch wirklich da hingelangen, wo sie gebraucht werden. Und das, obwohl die beiden in der Regel nicht offenlegen, für wen sie die Sammlung durchführen. „Das sind oft heikle Fälle. Wir machen keine Fotos mit den Empfänger*innen der Hilfe und verbreiten ihre Gesichter nicht in den sozialen Medien. Es handelt sich zum Beispiel um misshandelte Frauen, die von ihren Männern weggelaufen sind und Hilfe brauchen, weil sie mittellos sind. Also ja, wir helfen nicht nur Ukrainer*innen.“Bei ihren Sammlungen geht es meist um materielle Dinge. Für Weihnachten, noch vor dem Krieg, organisierten sie zum Beispiel mit der Bürgervereinigung ETP Slovensko, die bedürftige Gruppen und einzelne Personen in der Ostslowakei unterstützt, eine Sammlung von schönen Spielsachen für Kinder in einem sozial ausgegrenzten Stadtteil der ostslowakischen Stadt Košice. „Am Ende konnten wir ihnen sieben oder acht große Pappkartons voller Spielzeug schicken. Wir hatten schon früher bei einem Projekt mit ETP zusammengearbeitet und uns mit der Leiterin angefreundet. Wir können Raum für Ideen schaffen, so in der Art: Los, lasst uns mal eine Überraschung für Kinder machen!“
Simona hofft, dass sie sich in der Zukunft mehr der Arbeit mit der Gemeinschaft widmen kann. Sie möchte mit Jugendlichen arbeiten, Bildungsprojekte und Freiwilligenprogramme durchführen. „Es macht mir Spaß, eine Mini-Welt zu schaffen, in der wir einander so behandeln, wie ich denke, dass wir einander behandeln sollten. Dass wir uns gegenseitig helfen können. Man kommt hierher und fühlt sich wohl. Wir nennen diese Welt unsere Bubble.“
In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat das Baterkáreň mindestens 9.500 Hilfspakete und mehr als 20 Tonnen Hilfsgüter verteilt. Ganz schön viel für eine Bubble in einer Kleinstadt!
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
März 2024