Der Lyriker und Journalist Karel Škrabal wohnt und arbeitet in der Stadt. Aber wann immer es möglich ist, fährt er aufs Land, um sich dem Dorfleben hinzugeben: Er pflanzt Bäumchen und freundet sich mit den Nachbarn an. Im Dorf Svatoslav organisiert er sogar ein Festival.
Auf dem Dorf
Der Nachbar hat Arme
nur Muskeln
Er ist alt
aber solche Arme
hat kein Junger
Ständig arbeitet er
mäht Gras
manchmal betrinkt er sich
er hört nicht auf
Der andere Nachbar
planscht im Schwimmbecken
mit der ganzen Familie
Ansonsten fährt er Traktor
und Mähdrescher
Er schneidet an der Kreissäge
hat einen super Rasenmäher
große Holzvorräte
hervorragende Kartoffeln
einen Keller voller Wein
Die Anderen kommen zu ihm
und holen sich Rat
Ich sitze nur
und schreibe das hier
(Aus: Rádio Vítrholc, Větrné mlýny, 2014)
Das erste Frühlingsgras habe ich gestern gemäht. Es war schon nötig. Aber ich habe nie Lust, zu rechen und es wegzuräumen. Ich lasse es liegen. Ich weiß, das ist nicht gut. Dann sind wir ins Wirtshaus gegangen, dort wurde ein Schwein gebraten. Das passiert hier etwa einmal im Monat. Kein Geburtstag oder so etwas Ähnliches. Auf einer perfekten Feuerstelle mit Kurbel braten die Kerle ein Schwein, viele Leute treffen sich, jeder zahlt etwas pro Person, etwa einen Hunderter (ca. 4 Euro), vielleicht auch weniger, ich weiß nicht. Ich habe es vergessen. Als ich schläfrig wurde, beim sechsten Bier etwa, mischte unser Olympionike, hier haben wir einen Typen, der bei einer Olympiade war und der hat noch dazu denselben Namen wie unser Dorf, also er mischte einen Löffel Kaffee, oder zwei, mit einem Stamperl Rum. Dorfkokain. Ich weiß, dass ich sie dazu bringen wollte, nach Hause zu gehen, die Frauen aus dem Wirtshaus müssen auch irgendwann schlafen. Wir sind zum Olympioniken gegangen. Den nächsten Tag habe ich zur Hälfte verschlafen, und die andere Hälfte habe ich an die Wand und in den Fernseher geglotzt. Alles, was ich machen wollte, muss ich heute machen, wo ich das hier schreibe.
Ich gehe die Weiden einsetzen. Ja, die Weiden, zwei Stränge, Peitschen, die wir zu Ostern geflochten haben. Eine Familientradition. Genauso wie wir uns in unseren alten Wohnwagen setzen und auf einen kleinen Campingplatz fahren, der zu Ostern schon offen ist. Mit Wirtshaus. Meine Schwiegermutter kommt mit meinem Schwiegervater in einem Caravan, früher war auch meine Schwägerin dabei. Bevor alles in die Hose gegangen ist. Naja, und immer flechten wir eine Rute, ich vergesse es, meine Frau ruft es mir wieder in Erinnerung, vier und vier, die äußeren in die Mitte gegenüber und auf die andere Seite legen. Naja, und diese Ruten setze ich dann immer auf den Hof. Meistens gehen sie alle früher oder später ein. Früher habe ich sie auch auf unserer Hütte im Böhmischen Paradies eingesetzt. Aber die haben die Eltern meiner Ehefrau vor Jahren verkauft. Ich weiß nicht, was das für eine Manie ist, dass ich mir alle Bäume aufhebe. Ich hebe mir auch die Weihnachtsbäume auf, deshalb kaufe ich sie im Blumentopf. Ich gehe sie einsetzen und dann werde ich hier weiterschreiben.
Als ich schläfrig wurde, beim sechsten Bier etwa, mischte unser Olympionike einen Löffel Kaffee, oder zwei, mit einem Stamperl Rum. Dorfkokain."
Foto: © archív Karla Škrabala Ich habe hier in der Garage so ein altes Motorrad, eine Fünfziger, ich habe sie einst meinem Cousin abgekauft. Es ist ein italienischer Scooter für Frauen zum Einkaufen, und sie ist nach irgendeinem Käfer benannt. Wenn ich ohne Auto hierherkomme, zahlt er sich aus. Auch sonst fahre ich manchmal irgendwohin damit, Einkäufe, Wirtshaus. Die Maschine nach dem Winter wieder anzuschmeißen ist nicht einfach, ich muss hundertmal auf’s Pedal treten. Ich mache mich an die Arbeit. Schließlich war es nicht so schlimm, sie hat sich vermutlich aufgerappelt, nachdem ich sie eine Stunde lang zum Wärmen in der Sonne stehen gelassen habe.
Der Nachbar hat sich ein neues elektrisches Dreirad zugelegt. Saupraktisch. Wenn er ein Wildschwein schießt, dann bringt er es damit heim."
Heute Abend ist die Walpurgisnacht. Da bin ich nicht mehr da, ich fahr woandershin, ich spiele mit meiner Band in Břeclav. Das ist schade, wenn ich hier wäre, wäre das besser für mich. Sich zeigen, grüßen. Vielleicht wäre es auch besser für die Stellung in der Gemeinde, aber vielleicht denke ich darüber nur zu viel nach. Scheißegal. Letztes Jahr nach der Walpurgisnacht erschien mir auf der Straße vor dem Haus eine große Aufschrift: Anschwemmung. Dieses Jahr – werden wir sehen, aber aufschreiben werde ich das nicht mehr, das hier ist schon fertig.
Svatoslav
April 2018