Život na vesnici  Ich sitze nur und schreibe das hier

Foto s/w von Karel Škrabal im Wald. Foto: © Zuzana Lazarová

Der Lyriker und Journalist Karel Škrabal wohnt und arbeitet in der Stadt. Aber wann immer es möglich ist, fährt er aufs Land, um sich dem Dorfleben hinzugeben: Er pflanzt Bäumchen und freundet sich mit den Nachbarn an. Im Dorf Svatoslav organisiert er sogar ein Festival.

Auf dem Dorf

Der Nachbar hat Arme
nur Muskeln
Er ist alt
aber solche Arme
hat kein Junger

Ständig arbeitet er
mäht Gras
manchmal betrinkt er sich
er hört nicht auf

Der andere Nachbar
planscht im Schwimmbecken
mit der ganzen Familie
Ansonsten fährt er Traktor
und Mähdrescher
Er schneidet an der Kreissäge
hat einen super Rasenmäher
große Holzvorräte
hervorragende Kartoffeln
einen Keller voller Wein

Die Anderen kommen zu ihm
und holen sich Rat

Ich sitze nur
und schreibe das hier

(Aus: Rádio Vítrholc, Větrné mlýny, 2014)

Ich habe mir den Computer auf den Tisch im Hof gestellt. In der Hütte habe ich besseres W-LAN, aber auch so überraschte mich das Signal, das bis hier her geht. Aber Facebook lasse ich ausgeschaltet. Ich höre Vögel, den Wind, den Nachbarn, der in dieser Stille etwas im Garten macht. Eigentlich ist es eher ein Feld. Ein Garten, der in ein Feld übergeht. Auf dem Feld hinter unserem Hof gibt es nur Gras. Nichts passiert dort. Nur einmal im Jahr veranstalten wir mit der Nachbarin ein Festival. Bands auf dem Hof. Jetzt ist es hier still, wie es für ein Dorf typisch ist. Hühner, in der Ferne ein Hund, irgendein Klopfen, manchmal fährt ein Auto vorbei, ein Motorrad, ausnahmsweise auch ein Traktor. Die Rasenmäher und Kreissägen schweigen. Hinter dem Haus blüht eine Wiese, Bäume. Es ist ein Wochentag, aber ich habe mich aus der Arbeit herausgeredet, und stattdessen schreibe ich das hier.

Das erste Frühlingsgras habe ich gestern gemäht. Es war schon nötig. Aber ich habe nie Lust, zu rechen und es wegzuräumen. Ich lasse es liegen. Ich weiß, das ist nicht gut. Dann sind wir ins Wirtshaus gegangen, dort wurde ein Schwein gebraten. Das passiert hier etwa einmal im Monat. Kein Geburtstag oder so etwas Ähnliches. Auf einer perfekten Feuerstelle mit Kurbel braten die Kerle ein Schwein, viele Leute treffen sich, jeder zahlt etwas pro Person, etwa einen Hunderter (ca. 4 Euro), vielleicht auch weniger, ich weiß nicht. Ich habe es vergessen. Als ich schläfrig wurde, beim sechsten Bier etwa, mischte unser Olympionike, hier haben wir einen Typen, der bei einer Olympiade war und der hat noch dazu denselben Namen wie unser Dorf, also er mischte einen Löffel Kaffee, oder zwei, mit einem Stamperl Rum. Dorfkokain. Ich weiß, dass ich sie dazu bringen wollte, nach Hause zu gehen, die Frauen aus dem Wirtshaus müssen auch irgendwann schlafen. Wir sind zum Olympioniken gegangen. Den nächsten Tag habe ich zur Hälfte verschlafen, und die andere Hälfte habe ich an die Wand und in den Fernseher geglotzt. Alles, was ich machen wollte, muss ich heute machen, wo ich das hier schreibe.
Ich gehe die Weiden einsetzen. Ja, die Weiden, zwei Stränge, Peitschen, die wir zu Ostern geflochten haben. Eine Familientradition. Genauso wie wir uns in unseren alten Wohnwagen setzen und auf einen kleinen Campingplatz fahren, der zu Ostern schon offen ist. Mit Wirtshaus. Meine Schwiegermutter kommt mit meinem Schwiegervater in einem Caravan, früher war auch meine Schwägerin dabei. Bevor alles in die Hose gegangen ist. Naja, und immer flechten wir eine Rute, ich vergesse es, meine Frau ruft es mir wieder in Erinnerung, vier und vier, die äußeren in die Mitte gegenüber und auf die andere Seite legen. Naja, und diese Ruten setze ich dann immer auf den Hof. Meistens gehen sie alle früher oder später ein. Früher habe ich sie auch auf unserer Hütte im Böhmischen Paradies eingesetzt. Aber die haben die Eltern meiner Ehefrau vor Jahren verkauft. Ich weiß nicht, was das für eine Manie ist, dass ich mir alle Bäume aufhebe. Ich hebe mir auch die Weihnachtsbäume auf, deshalb kaufe ich sie im Blumentopf. Ich gehe sie einsetzen und dann werde ich hier weiterschreiben.

Als ich schläfrig wurde, beim sechsten Bier etwa, mischte unser Olympionike einen Löffel Kaffee, oder zwei, mit einem Stamperl Rum. Dorfkokain."

Eine hohe Fichte, eine Kiefer, eine Tanne im Blumentopf aus diesem Jahr. Die Weihnachtsbäume in unserem Hof. In der Ferne blühen Apfelbäume, die Rose habe ich mit dem schwarzen Holunder verflochten, und vorgestern das heruntergefallene Efeu aufgerichtet, mit einem Freund, mit dem ich in einer Band spiele und der hier einen Garten gekauft hat, den ich schon längst jemand anderem verkauft habe. Früher hat den unsere Familie bewirtschaftet. Jarda hat dort einen Bauwagen aufgestellt. Wenn wir dieses Festival im Hof haben, kümmert er sich um die Tontechnik. Darauf freut er sich sehr, immer misst er etwas ab, rechnet und zeichnet. Wenn die Aktion dann läuft, ist er abends nervös, überall laufen irgendwelche Gestalten herum und er muss sich der Technik widmen, statt dem Bier und den Mädchen. Es ist harte Arbeit, auf dem Dorf Underground zu machen, aber jetzt ist es noch ein Monat bis zur Aktion und wir freuen uns, ein leichtes Veranstalter-Zittern durchfährt uns, auch wenn ich das hier schreibe.

Foto von Karel Škrabal mit Hund auf der Straße. Foto: © archív Karla Škrabala Ich habe hier in der Garage so ein altes Motorrad, eine Fünfziger, ich habe sie einst meinem Cousin abgekauft. Es ist ein italienischer Scooter für Frauen zum Einkaufen, und sie ist nach irgendeinem Käfer benannt. Wenn ich ohne Auto hierherkomme, zahlt er sich aus. Auch sonst fahre ich manchmal irgendwohin damit, Einkäufe, Wirtshaus. Die Maschine nach dem Winter wieder anzuschmeißen ist nicht einfach, ich muss hundertmal auf’s Pedal treten. Ich mache mich an die Arbeit. Schließlich war es nicht so schlimm, sie hat sich vermutlich aufgerappelt, nachdem ich sie eine Stunde lang zum Wärmen in der Sonne stehen gelassen habe.

Der Nachbar hat sich ein neues elektrisches Dreirad zugelegt. Saupraktisch. Wenn er ein Wildschwein schießt, dann bringt er es damit heim."

Die Maschine habe ich wie nix gestartet. Ich bin aufs Gemeindeamt gefahren, zum Bürgermeister, ihm sagen, dass unser Festival wieder stattfindet, damit alles in Ordnung ist. Und dann zum Olympioniken, ich wollte ihm nach dieser verrückten Feier meine neue Sammlung geben, schauen, ob alles in Ordnung ist und ihm ein paar Plakate fürs Festival geben, damit er sie verteilt oder auch aufhängt. Aber nur dezent, wir wollen dem Fahrradwettrennen und dem Fest, die hier zum selben Termin stattfinden, keine Konkurrenz machen. Wir haben uns mit unserem Fest an den Termin angeschlossen, wir haben uns gesagt, wenn schon Radau im Dorf ist, dann machen wir da mit. Einige sehen das als kluges Manöver, andere als parasitär in Hinblick auf die Aktion der Gemeinde. Der Bürgermeister war nicht auf dem Amt und der Olympionike war auch nicht zu Hause. Also habe ich ihm das in einem Plastikbeutel ans Tor gehängt, seine Hunde hätten mir fast die Hand abgebissen. Aber so hoch sind sie nicht gesprungen. Auf dem Heimweg habe ich einen Nachbarn aus meiner Straße getroffen, er hat sich ein neues elektrisches Dreirad zugelegt. Vorne ein Lenker, hinten eine Ladefläche. Saupraktisch. Wenn er ein Wildschwein schießt, dann bringt er es auch damit heim, er ist Jäger. Etwa einmal in der Woche lädt er es auf. Mit diesem kleinen Dreirad erledigt er wirklich alles. Es hat eine abnehmbare Plane für den Korb und eine kleine geflochtene Kabine vorne. Er fährt auch im Winter. Ich hätte auch gern mal so ein praktisches Gefährt, aber derweil sitze ich nur und schreibe das hier.

Heute Abend ist die Walpurgisnacht. Da bin ich nicht mehr da, ich fahr woandershin, ich spiele mit meiner Band in Břeclav. Das ist schade, wenn ich hier wäre, wäre das besser für mich. Sich zeigen, grüßen. Vielleicht wäre es auch besser für die Stellung in der Gemeinde, aber vielleicht denke ich darüber nur zu viel nach. Scheißegal. Letztes Jahr nach der Walpurgisnacht erschien mir auf der Straße vor dem Haus eine große Aufschrift: Anschwemmung. Dieses Jahr – werden wir sehen, aber aufschreiben werde ich das nicht mehr, das hier ist schon fertig.

Svatoslav

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