Musikszene  Prekäre Lage der Popmusik

Vier junge Frauen lächeln in die Kamera.
Trafen sich auf dem PopUp-Kongress 2018: Denise Jäkel und Malin Teckemeyer vom Festival laut & bunt in Rathenow, Olivia Thaws (Singersongwriterin aus Berlin) und jádu-Autorin und Singersongwriterin Ines Herrmann. Foto: © Ines Herrmann

Was geht in Brandenburgs Popmusikszene? Oder besser: Warum geht da nichts außerhalb des Berliner Speckgürtels? Und wie kann man das ändern? Etwa 200 Veranstalter, Musiker, Radiomenschen, Labels, DJs, Booker, Manager, Produzenten… diskutierten Lösungsansätze auf dem PopUp-Kongress 2018 in der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam. Mit dabei war auch jádu-Autorin und Singersongwriterin Ines Herrmann.

Es gibt Länder, wo was los ist. Es gibt Länder, wo richtig was los ist – und es gibt Brandenburg.“

Rainald Grebe

Leerstehende Häuser müssten sie sich suchen, um da zu proben – zur Not auch ohne Strom, erzählen Brandenburger Bands auf dem PopUp-Kongress. Wenn Brandenburg seine Bands behalten will, dann brauchen diese eine Infrastruktur, um ihre Kreativität auszuleben, also bezahlbare Probe- und Konzerträume. Und das nicht nur in Potsdam, sondern auch auf dem Land.

Trotzdem besteht nicht nur die Frage nach der Unterbringung des Angebotes, sondern auch Ungewissheit bezüglich der Nachfrage. Die jungen Kreativen zieht es nach Berlin, weil da die Szene ist. Sie hinterlassen eine „gesellschaftliche Verödung“ und eine zunehmend ältere Bevölkerung, die nicht unbedingt die Zielgruppe für Nachwuchsmusiker ist.

In Brandenburg gibt es zwar mehr als 50 Festivals und Open-Air-Events. Aber in den Line-Ups mangelt es an Lokalmatadoren. Weil sie keine Förderung vom Land bekommen, sind die Veranstalter von Ticketverkäufen abhängig. Bekanntere Bands von außerhalb sind trotz höherer Gagen deshalb ein geringeres finanzielles Risiko als lokale junge Bands, die noch kaum jemand kennt. Wo aber finden dann Musiker und Bands, die nicht unter einem Labelvertrag stehen, ihre Bühne?
Foto von einem Kongress mit Blick auf die Bühne Etwa 200 Veranstalter, Musiker, Radiomenschen, Labels, DJs, Booker, Manager, Produzenten nahmen am PopUp-Kongress 2018 in Potsdam teil. | Foto: © Ines Herrmann

Entweder Hoch- oder Subkultur

Klassikevents wie die Kulturfeste im Land Brandenburg hätten solche Förderprobleme nicht, heißt es von den Kongressteilnehmern. Ein Kollege, der in verschiedenen Ensembles und als Sessionmusiker Cello spielt, bekommt regelmäßig gut entlohnte Aufträge. Davon träumen die Singersongwriter nur. Warum sind hier die Stellenwerte so unterschiedlich? Schließlich ist Popmusik lebensnah. Sie dominiert das Radioprogramm und oft auch unsere eigenen Spotify-Playlists.

Eigene Popmusik zu machen sei gemeinschafts- und persönlichkeitsbildend und stehe der Kreativität beim Komponieren klassischer Musik in nichts nach, sagt Marc Godau, Musikpädagoge der FH Clara Hoffbauer Potsdam. Trotzdem gibt es kaum Lernräume hierfür im Schulkontext. Stattdessen werden Barock-, Klassik- und Romantikstücke analysiert und Chorstücke nachgestellt. Das ist alles das, was man unter „Hochkultur“ zusammenfassen würde.

In die Bildungs- und Förderlandschaft auch Einzug gehalten hat die Subkultur – die Avantgarde, sogenannte zeitgenössische oder auch experimentelle Musik. Sie ist alles außerhalb des Mainstreams, der sich vor allem durch Pop/Rock kennzeichnet. Die Vielfalt der Popkultur ist in der Schule oft verkürzt auf die Beatles und die Stones. Soll das alles sein?

Walter Thomas Heyn, Mitglied im Landesausschuss von Jugend musiziert, sagt, man müsse heute in die Popmusikbildung der Jugend investieren, wenn man in zehn Jahre tolle Brandenburger Bands haben wolle. Aber ist Popmusik im institutionellen Rahmen noch so attraktiv wie in der Garage oder in der Freizeit? Und ist es das Ziel, dass Brandenburg sich Aushängeschilder heranzieht? Und: Warum ist die Erwachsenenbildung kein Thema?

Über das Ziel, mit welchem Popmusik Einzug in die Bildung halten soll, herrscht auf dem PopUp-Kongress Uneinigkeit. Konsens ist nur, dass entsprechende Strukturen im Bildungsbereich geschaffen werden müssen.
Vier junge Frauen lächeln in die Kamera. Trafen sich auf dem PopUp-Kongress 2018: Denise Jäkel und Malin Teckemeyer vom Festival laut & bunt in Rathenow, Olivia Thaws (Singersongwriterin aus Berlin) und jádu-Autorin und Singersongwriterin Ines Herrmann. | Foto: © Ines Herrmann

Und wo bleibt die Popkultur?

Die bestehenden Förder- und Bildungsstrukturen für Hoch- und Subkultur werden auf dem Kongress nicht in Frage gestellt. Jedoch soll endlich auch die Popmusik etwas vom Kuchen abbekommen und es muss auch – und gerade in ländlichen Regionen wie Brandenburg – die lokale Branche gestärkt werden. Finanzielle und ideelle Förderstrukturen für Popkultur könnten dafür sorgen, dass Festivals, Radios und Bühnen niedrigschwelliger für den lokalen Nachwuchs werden. Gefordert werden Zuschüsse statt Darlehen und eine Abschaffung des Eigenanteils. Schließlich könne man sonst nur Gelder bekommen, wenn man bereits Geld hat, und das sei gegenüber den ohnehin vernachlässigten lokalen Popmusikakteuren geschmacklos. Ohne Investitionen wird das aber nicht gehen, diese Erkenntnis sollten auch die Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik vom PopUp-Kongress mitnehmen.

Große Hoffnung setzen indes viele auf dem Kongress in ein zentrales Popbüro, das sogenannte ZPop. Es soll – so die Eigenbeschreibung – „Schnittstelle für Musikschaffende, die ihr Handwerk ausbauen, fördern und sämtliche Potenziale nutzen wollen, sowie für Bildung- und Kulturarbeitende, die mit der Popularmusik neue Formen der Wissensvermittlung erschließen wollen“ sein. Das ehrenamtliche Team bietet bereits seit 2010 unter dem Projekt Mach Musik zahlreiche Angebote der Kinder – und Jugendarbeit sowie Weiterbildungen im Bereich Musik an.

Über das Popbüro könnten finanzielle und ideelle Förderungen akquiriert und verteilt werden. Außerdem würde es Bildungsinitiativen ermöglichen, um die Brandenburger Bevölkerung an Popkultur teilhaben zu lassen. In Berlin gibt es das bereits. Es heißt Musicboard und ist der Grund, warum viele Musiker sich zeitweise in Berlin melden, um auf die Fördermöglichkeiten zurückgreifen zu können. Wieder einmal war die Hauptstadt schneller – und zieht so (auch) Akteure aus der Brandenburger Szene ab.

Mit dem Willen, eine Institution für Popmusik aufzubauen, um ein eigenes Angebot zu schaffen, ist Brandenburg nicht allein. Auch in anderen Bundesländern wird auf die Gründung von Popbüros hingearbeitet, zum Beispiel auf die Musikzentrale in Sachsen.

Der Bedarf wurde also erkannt und der PopUp-Kongress hat nochmals Aufmerksamkeit dafür geweckt. Leider fanden sich zum Kongress tendenziell Menschen ein, die sich weitestgehend einig sind. Die Realität aber bremst ihre Verbesserungspläne vorerst aus: Das ZPop stellte für 2018 einen Antrag auf Strukturförderung beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg. Dieser wurde abgelehnt. Im Oktober 2018 gibt es den nächsten Versuch.

Brandenburg

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