Digitale Infrastruktur  Wer macht die Flecken weg?

Foto von einer weiblichen Hand, die ein Stück Papier in die Luft hält. Foto: rawpixel via unsplash.com, CCo1.0

„Oh du, die Verbindung ist ganz schlecht, chchr chchr, ich höre dich nicht gar nicht…“ Wer hat diese Notlüge noch nicht benutzt, um ungebetene Anrufer abzuwimmeln? In vielen ländlichen Gegenden Deutschlands allerdings ist der Satz meist ernst gemeint. Funklöcher und dazu frustrierend langsames Internet sind dort Alltag.

Die deutsche Politik diskutiert bereits seit Jahren über den Ausbau der Digitalinfrastruktur, innovative Ideen fehlen aber bisher. Zuletzt schlug Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine App vor, mit der Bürger unterwegs Funklöcher den Behörden melden sollten. Für den Vorschlag erntete Scheuer reichlich Spott. Schon heute gibt es Karten der Standorte von Sendemasten und der 4G-Mobilfunkabdeckung. Diese müsste man sich einfach anschauen und sich der „weißen Flecke“ annehmen, so der Tenor der Kritiker. Allerdings hatten ähnliche Experimente in der Vergangenheit gezeigt, dass die Bürger in ihren Apps oft auch Funklöcher meldeten, die in angeblich abgedeckten Gebieten auftraten.

„Das ganze Geld steckt in den Lizenzen“

Dass die weißen Flecken von der Landkarte verschwinden, gehört zu den Klassikern der politischen Versprechen. Bereits Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt kündigte 2015 an, Funklöcher seien bis 2018 Geschichte. Bei der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen wurde damals vorgegeben, dass sich der Gewinner auch um den Anschluss von unterversorgten Gebieten kümmern müsse. Dobrindt schnürte ein „Digitalpaket“ samt Förderprogramm. Getan hat sich seitdem allerdings nicht viel. Empfang auf dem Land ist immer noch keine Selbstverständlichkeit.

Der Ursprung des Problems liegt weit zurück und tatsächlich spielt die Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen keine unerhebliche Rolle. Umgerechnet 50 Milliarden Euro investierte die Wirtschaft bei der ersten großen UMTS-Frequenzauktion im Jahr 2000. Das Internet galt damals als das „nächste große Ding“. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben. Die etablierten Netzfirmen trieben die Preise nach oben um Neueinsteiger abzuschrecken – und versuchten sie schließlich an die Kunden weiter zu geben. Der Plan ging nicht auf. Die Folge: „Das ganze Geld der Unternehmen steckte in den Lizenzen; für den eigentlichen Infrastrukturausbau bleibt nicht mehr viel übrig“, so Burkhard Ringlein, Vorsitzender der AG Netzpolitik der Friedrich Naumann Stiftung.

„Das gleiche Problem haben wir heute auch noch bei der Versteigerung von LTE-Frequenzen“, kritisiert Ringlein. „Es wird viel zu teuer und intransparent versteigert. In Finnland zum Beispiel ist das ein anderer Prozess. Da ist die Auktion deutlich günstiger und die Frequenzen gehören dem Unternehmen erst wirklich sicher, wenn sie innerhalb von drei Jahren 99 Prozent der Fläche, für die sie die Lizenz erworben haben, auch abgedeckt haben.“

Nicht nur räumlich, auch digital abgeschottet

Zum Mobilfunk kommt ein weiteres Infrastrukturproblem: Beim Breitbandausbau, dem Ausbau des schnellen Internets, hinkt man ebenso hinterher – sogar im internationalen Vergleich. Insgesamt betrachtet haben die meisten deutschen Haushalte eine Verbindung zwischen 16 und 30 Mbit Verbindung. Das erst vor vier Jahren von der Bundesregierung abgegebene Versprechen, dass bis Ende 2018 alle Haushalte mit 50 MBit/s im Internet unterwegs sein könnten, wurde von der neuen Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär schon kurz nach ihrem Amtsantritt in diesem Jahr kassiert.

Ähnliche Versprechungen hatte es seit 2010 immer wieder gegeben. Nie wurden sie eingelöst. Die Liste von Enttäuschungen im Bereich der Netzpolitik ist lang, und gerade für Menschen auf dem Land frustrierend. In ländlichen Gebieten und besonders in Ostdeutschland ist weniger als die Hälfte der Haushalte an eine 50 MBit-Leitung angeschlossen. Eine grobe Aufschlüsselung nach Region kann man im Breitbandatlas der Bundesregierung genauer anschauen. Dort zeigt sich: Im Großteil von Mecklenburg Vorpommern hat teilweise jeder vierte Haushalt keine Verbindung über 6 Mbit pro Sekunde.

Was Privatpersonen nervt, ist für Unternehmen sogar eine Gefahr. Zwar haben fast alle Unternehmen hierzulande einen Internetanschluss. Fast drei von zehn Unternehmen arbeiten jedoch mit einer Datenübertragungsrate von weniger als 10 Megabit pro Sekunde. Das schränkt die Geschäfts- und Wettbewerbsfähigkeit ein. Die Digitalisierung ist in aller Munde, gerade der Verkauf von Waren wird zunehmend über das Internet abgewickelt. Aber wie soll man einen Onlineshop oder auch nur einen Instagram-Account betreiben, wenn das Hochladen von Bildern oder das Aktualisieren der Webseite mehrere Stunden dauert?
 

Der Funklöcher nehmen sich die Bundesländer inzwischen in Eigeninitiative an. In Bayern überlegt man, mietbare Mobilfunkmasten selbst zu errichten, da deren Ausbau aus privatwirtschaftlicher Sicht oft nicht lohnt. Sachsen holte sich kürzlich vom Bund die Erlaubnis, den Eigenanteil der Kommunen beim Breitbandausbau übernehmen zu dürfen und diese damit vor allem bürokratisch zu entlasten und den Ausbau voranzutreiben. Auch NRW ist mit Mobilfunkanbietern im Gespräch, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Hoffnung gesetzt wird außerdem in die fünfte Generation des Mobilfunks. Das 5G gilt mit seiner Datenrate von bis zu 10 GBit/s als Zukunft des Mobilfunks. Seit Mai 2018 stehen Europas erste 5G-Antennen in Berlin, das „Testfeld“ soll erweitert werden. Bis die Technik flächendeckend – und zwar wirklich flächendeckend – eingesetzt wird und nicht nur Städter davon profitieren, können aber noch einige Jahre vergehen.

Glasfaser-Gelaber statt echtem politischen Willen

In Sachen Internetanschluss mangelt es ganz klar an Glasfaserkabeln. Diese können unvorstellbar große Datenmengen gleichzeitig und schnell transportieren und sind deshalb in einer Welt, wo jeder online streamen oder seine Daten in Clouds speichern möchte, unabdingbar geworden. Ein 30-Jahres-Plan für den deutschen Glasfaserausbau wurde schon in den 80er Jahren besprochen – landete aber wieder in der Schubladen, weil man zuerst das Kabelfernsehen ausbauen wollte. Was man damals verschleppt hat, liegt also heute noch auf der Strecke.

Für den Breitbandausbau mit Glasfaser gibt es zwar Förderprogramme, aber die Gelder werden „zu spät, zu knapp und zu bürokratisch“ vergeben, wie Torsten Gerpott, Professor für Telekommunikationswirtschaft, zuletzt in der Tagesschau kritisierte. Auf technischer Ebene enden die Glasfaseranschlüsse der Unternehmen nicht in den Wohnungen sondern in den Verteilerkästen auf der Straße oder im Keller. Von dort aus laufen die alten Kupferkabel weiter und die kommen beim Datenstrom dann nicht hinterher. Den baulichen Aufwand, auch die letzten Meter Kupferkabel in Eigeninitiative durch Glasfaser zu ersetzen, wollen sich Mieter und Eigentümer gerade in Mehrfamilienhäusern dann doch nicht antun, Firmen fürchten den finanziellen Aufwand. Weil nicht alle den gleichen Internetprovider haben, müsste man die Signale auf allen Kabeln zudem noch angleichen. Da machen dann wieder die Unternehmen nicht mit.

Dazu kommt, dass die Regierung selbst offenbar gar nicht so viel Wert auf Glasfaser legt. In Deutschland setzt man lieber auf Vectoring. „Diese Technologie“, wie Blogger Sascha Lobo schreibt, „ist eine Art technisches Voodoo, mit dessen Hilfe man den Zombie Kupferleitung noch ein Weilchen am Leben halten kann“, und laut Europäischem Rechnungshof dafür verantwortlich, dass Deutschland beim schnellen Internet einfach nicht voran kommt. Die Regierung verteidigt Vectoring weiter und ebenso tut es die Deutsche Telekom – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der Staat fast ein Drittel der Unternehmensanteile hält. Zwischen Klüngelei und Lobbying geht der politische Wille, Zukunft zu gestalten, öfters mal verloren.

Es ist eine unendliche Geschichte

Es bleibt viel zu tun. Deutsche Bürger und Kommunen sollten sich nicht mehr auf die politischen Versprechen der Regierung verlassen. Nach zehn Jahren Versagen im Breitband- und Mobilfunkausbau lässt sich die Beratungsresistenz der Bundesregierungen nicht mehr bestreiten. Sascha Lobo formuliert es noch einen Deut härter: „Es gab nie eine Breitband-Strategie, es war immer Breitband-Fahren auf Sicht, unter Berücksichtigung der drittelstaatlichen Telekom, ohne ernsthaftes Interesse für die Zukunft. Was eine Digitalpolitik ergab, die alle Beteiligten in genau diesem Moment möglichst gut dastehen lassen sollte. Die vielen Versprechungen waren niemals ernst gemeint, sie waren ausschließlich – wirklich ausschließlich – Situationskosmetik.“

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