Liebesgeschichte zwischen Mensch & Maschine  Liebe aus dem Automaten

Kann man mit einem künstlichen Menschen eine normale Beziehung führen? Foto: Markus Spiske via unsplash, CC0 1.0

Kann man mit einem künstlichen Menschen eine normale Beziehung führen? Emil Hakl versucht sich in Kiras Version an einer Liebesgeschichte zwischen Mensch und Maschine.

Manchmal ist es ein Zufall, der von jetzt auf gleich das komplette Leben auf den Kopf stellt. Nachdem sich František, genannt Eff, aus Versehen aus seiner Wohnung in einem Prager Vorort ausgeschlossen hat, ruft er nicht den Schlüsseldienst, sondern begibt sich auf einen Streifzug durch die Peripherie der Stadt; er landet zwischen Obdachlosen in einer verfallenen Hütte am Bahndamm und legt sich für die Nacht auf einer dreckigen Matratze ab. Schon lange hatte er sich in seinem Alltag gelangweilt und so willigt er sofort ein, als ihn am nächsten Morgen ein alter Mann, „Gevatter Tod“ genannt, für einen Gelegenheitsjob anheuert. Dass dieser beinhaltet, eine von ihm künstlich hergestellte Frau zu testen, hält Eff zunächst für einen Witz und den Androiden für eine erprobte Schauspielerin: „Klare Sache: eine ganz normale Frau. Sie spielt großartig, das schon. Präzision in den Bewegungen, Unvorhersehbarkeit, hölzerne Reaktionen, Unsicherheit.“
 
Doch irgendwann muss Eff einsehen, dass dieses Wesen, das sich selbst als „Kira zwei“ bezeichnet, zwar einem Menschen aus Fleisch und Blut täuschend ähnlich sieht, sprechen und logisch denken kann, aber dennoch aus der Retorte stammt. Was ihn nicht daran hindert, Kira mit der körperlichen Liebe vertraut zu machen; wer weder Schmerz noch Müdigkeit spüren kann, mit dem lassen sich alle sexuellen Spielarten ausprobieren: „Ihr liegt nebeneinander. Du berührst sie. Streichst ihr über den Kopf. Ihr Körper ist heiß, er kommt dir begehrenswert vor. Du gibst ihr einen leichten Kuss. Sie erkundigt sich, was du für einen Wunsch hast. Locker umschreibst du, um was es sich in etwa handeln würde. ‚Wahrscheinlich kann ich das, hm‘, entgegnet sie, ‚aber ich bin so grob, so aus Blech, hm, weißt du.‘“
 
Warum ihm Kira anvertraut wurde, weiß Eff weiterhin nicht; ab und zu muss seine Gespielin zur Inspektion, doch bleiben die Umstände ihrer Entwicklung sowie Sinn und Zweck ihrer Existenz bis zuletzt im Dunkeln. Dass Kira in intensiven Gesprächen mit ihrem menschlichen Betreuer eine philosophische Denkweise entwickelt und beginnt, ihre Existenz zu hinterfragen, lässt Gevatter Tod nervös werden – letztendlich bricht er das Experiment ab. Da ist Eff der synthetischen Geliebten allerdings bereits mit Haut und Haaren verfallen und versucht mit aller Kraft, sie zurückzuholen.
Kiras Version © Braumüller Verlag
Emil Hakl vereint in seinem Roman Kiras Version Anleihen aus verschiedenen Genres. „Gevatter Tod“, der die mit allen weiblichen Reizen ausgestattete Androidin mit einem Kollegen entwickelt hat, erinnert an den Alchemisten Coppelius aus E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen Der Sandmann, der seine hölzerne Puppe Olimpia wie eine eigene Tochter behandelt; wenn Kira von ihrem Schöpfer eine Schwester fordert, denkt man an das einsame Wesen aus Mary Shelleys Schauergeschichte Frankenstein, das sich eine Gefährtin wünschte. Auch mag Franz Kafka den Autor inspiriert haben, wird Kira Eff doch ohne jede Erklärung aufgedrängt, auch spätere Fragen nach dem Ziel der ganzen Aktion werden nicht beantwortet.
 
Warum Hakl die Geschichte allerdings abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Eff, dann aus einer beobachtenden Du-Perspektive und später aus der Sicht von Kira erzählt, erschließt sich nicht vollständig – außer dass Kira nun nachlesbar fähig ist, über sich selbst und ihre Herkunft zu reflektieren – und wirkt oft verwirrend. Zudem sind die Handlungen der Figuren nicht immer nachvollziehbar, häufig laufen Gespräche plötzlich ins Leere oder endet eine Szene abrupt und gefühlt unfertig. Mit derber und unflätiger Sprache, die trotz wechselnder Perspektiven fast durchgängig genutzt wird, zeichnet Hakl das Bild eines düsteren und kalten Prag voll zwischenmenschlicher Zwietracht und Misstrauen; die Schilderung der immer menschlicher werdenden Innigkeit zwischen Eff und Kira soll dabei wohl als Gegengewicht zur abweisenden Realität des Außen fungieren, bleibt aber letztendlich ebenso steril und seelenlos wie die Umgebung.
 
Die Dualität zwischen Mensch und Maschine hat Schriftsteller seit jeher fasziniert, auch die zeitgenössische Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz ist immer wieder Dreh- und Angelpunkt von Romanen. Kiras Version orientiert sich an zahlreichen literarischen Vorbildern – und bleibt doch leider weit hinter ihnen zurück.

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