Der Comic KI, wir müssen reden erklärt, was Künstliche Intelligenz ist, warum sich viele vor ihr fürchten und weshalb sie so häufig missverstanden wird.
Sie ermöglicht autonomes Fahren, erleichtert die Krebsfrüherkennung und hilft bei der Verbrechensbekämpfung genau wie bei der Filmauswahl am Feierabend: Künstliche Intelligenz – kurz KI genannt – gilt als eine der Schlüsseltechnologien der anbrechenden 2020er-Jahre. Auch die Bundesregierung hat seit rund einem Jahr eine „Strategie Künstliche Intelligenz“, für deren Umsetzung satte drei Milliarden Euro eingeplant sind. Und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bekräftigte im November: „Unser Anspruch ist es, bei KI in allen Bereichen in die Weltspitze zu kommen.“Sie ist schon ein großes Versprechen, diese künstliche Intelligenz. Oder nur ein großes Buzzword? Neu ist die Idee jedenfalls nicht: Schon in den 1960ern gab es die Hoffnung, dass Computer bald „denken“ können. Doch zu dem noch viel älteren Gedanken, Maschinen künstlich zu beleben, gehört auch immer die Angst, dass die sich am Ende gegen uns auflehnen – ob in der Geschichte vom Golem, in Goethes Zauberlehrling oder in Filmen wie Terminator oder Matrix.
So weit ist die Realität noch lange nicht. Eine viel reellere Gefahr als Terminator-Weltuntergangsszenarien sind die Möglichkeiten, die sich für Staaten und Konzerne in der Nutzung von KI bieten. China setzt sie zur Überwachung seiner Bevölkerung und manche Firmen für die Bespitzelung ihrer Kunden ein. Dort spricht man dann oft von „Empfehlungsalgorithmen“ oder „verbesserter Analyse von Nutzerdatenprofilen“ – wobei einige, etwa im Dialog mit „intelligenten Assistentinnen“ wie Siri und Alexa, unbewusst dazu beitragen, dass das System funktioniert.
Was kann KI für die Gleichberechtigung leisten?
Diesen komplexen Debattenstand will das Comic-Essay KI, wir müssen reden von Julia Schneider (Text) und Lena Kadriye Ziyal (Zeichnungen) greifbar machen. Das beginnt mit einer Einführung in die wichtigsten Begriffe und Grundlagen der KI – Algorithmen, Big Data, Deep Learning … you name it. Anschließend zeigen Schneider und Ziyal an mehreren Beispielen die praktischen Anwendungen der Technologie auf. Im finalen „Ausblick“-Kapitel beschäftigt sich das Buch schließlich mit weiteren Diskussionsfeldern – zum Beispiel mit der Frage: Was kann KI für die Gleichberechtigung leisten? – und versucht sich an einer – vorsichtig – positiven Utopie.Das Comic-Essay zeigt: Dass KI zurzeit ein Thema ist, liegt – erstens – an der enormen Steigerung der Rechenkraft, mit der die – zweitens – immer größer werdenden Datenmengen durchforstet und verarbeitet werden können, sowie – drittens – an den Fortschritten beim Programmieren der künstlichen Intelligenz. Wobei KI ja eben genau nicht Programmieren bedeutet: Denn muss man dabei jeden Schritt und jede Handlungsanweisung für jede mögliche Situation einzeln mitteilen, bringt künstliche Intelligenz dem Computer das Lernen selbst bei. Das tut dieser dann immer wieder fehlerhaft, bis er beispielsweise irgendwann auch auf einem Foto, das er noch nie gesehen hat, selbstständig eine Katze erkennen kann. Oder ein malignes Melanom. Oder einen Terroristen. Oder einen Verkehrsteilnehmer.
Zu Chancen und Risiken lesen Sie diesen Comic
Bei der Umsetzung all dieser Gedanken halten sich Julia Schneider und Lena Ziyal an ein strenges formales Raster: pro DIN-A4-Seite sind immer sechs gleich große querformatige Bilder zu sehen, darunter steht stets ein Text in Tweet-Länge. Das funktioniert nicht immer gut. Im Erklärteil zu Beginn und auch beim Ausblick müssen die Informationen auf der Textebene stark verdichtet werden und bleiben mitunter oberflächlich und für Laien kaum verständlich. Auch Illustratorin Ziyal stößt in dem starren Muster an ihre Grenzen. In ihrer sehr reduzierten, mit vielen Symbolen arbeitenden Bildsprache findet sie zwar immer wieder kluge Wege, das Geschriebene umzusetzen und dabei weiterzuspinnen und zu erweitern – aber manchen Bildern sieht man an, dass es sie nur gibt, weil es sie geben muss. Gleichzeitig ist es schade, dass nie mal eine Zeichnung größer, komplexer sein darf.Sosehr sich Schneider und Ziyal auf der formalen Ebene limitiert haben, so frei sind sie in ihrem Denken. Das Beste an KI, wir müssen reden ist seine Unvoreingenommenheit. Die Autorinnen stehen neuer Technologie nicht feindlich gegenüber, wohl aber kritisch. Sie beleuchten die Chancen und Risiken gleichermaßen. So könnte etwa Ärzt*innen viel Arbeit abgenommen werden, die ihre gewonnene Zeit dann im besten Fall für das persönliche Gespräch mit den Patient*innen nutzen. Bei der Überwachung bieten sich hingegen erschreckende neue Möglichkeiten durch KI an, auch der Energieverbrauch kann ein Problem werden. Wohin der Weg am Ende führt? Das bleibt offen.
KI, wir müssen reden von Julia Schneider (Text) und Lena Kadriye Ziyal (Zeichnungen) ist 56 Seiten lang und auf Deutsch und Englisch erhältlich. Die englische Version kann man hier kostenlos downloaden.
Februar 2020