Wie hat sich das alltägliche Leben eines Predigers in einer christlichen Gemeinde während dieser Pandemie verändert?
In unserer Gemeinde haben wir uns darauf konzentriert, die Menschen zu ermutigen. Vor Ostern haben wir fast allen, die zu unserer Gemeinde Kontakt haben, einen selbst gebackenen Kuchen vor die Tür gelegt. Mitarbeiter können Karten ausfüllen und in ihrer Nachbarschaft einwerfen. Falls jemand Hilfe braucht, ist sofort ein Helfer in der Nähe. Zu Ostern haben wir online einen Gottesdienst angeboten. Täglich senden wir eine dreiminütige Ermutigung per Video. Und es kommt uns sehr zugute, dass wir viele junge Menschen in der Gemeinde haben, die fit mit dem Internet sind und Filme gut schneiden und aufbereiten können.Der Alltag ist digitaler geworden. Bibelgesprächsgruppen halten wir per Videokonferenz ab. Senioren kontaktieren wir per Telefon, fragen nach, wie es ihnen geht. Am meisten fehlt der persönliche Kontakt, der einer der wichtigsten Aspekte der christlichen Gemeinschaft ist.
Wie haben die Gläubigen, mit denen Du in Kontakt kommst die notwendigen Einschränkungen aufgenommen?
Die meisten Gläubigen nehmen die Vorgaben der Regierung ernst. Wer glaubt, aufgrund seines Glaubens gegen Corona immun zu sein, hat nicht verstanden, was ewiges Leben bedeutet. Christen bekommen ja auch alle anderen Krankheiten. Die Unsterblichkeit bezieht sich auf die Seele, nicht auf den Körper. Natürlich darf ich um Gesundheit beten und bin mir sicher, dass Gott uns immer wieder vor Krankheiten bewahrt.Einige Christen sind kritisch gegenüber dem, was Wissenschaft und Massenmedien vermitteln. Das liegt auch daran, dass Christen über persönliche Kontakte zu Missionaren direkte Informationen aus vielen Ländern erhalten und selbst die Erfahrung gemacht haben, dass Vieles nur einseitig oder sogar falsch vermittelt wird.
Andere Christen fasziniert es auch, gegen den Mainstream zu sein. Sie wollen bewusst einen eigenen Weg gehen. Die Geschichte zeigt ja auch, dass sie manchmal richtig lagen.
Hat die derzeitige Situation für Dich auch positive oder inspirierende Aspekte?Ich erlebe jetzt oft, wie manche kreativ werden und ohne Impulse der Gemeindeleitung selbst aktiv werden. Das sind für mich die schönsten Momente, denn in ihnen steckt echtes Leben.
So hat Pia, eine unserer Kindergottesdienst-Mitarbeiterinnen einen kurzen und spannenden Kindergottesdienst entwickelt. Da ich als Pastor von Spenden lebe, die aufgrund des Veranstaltungsverbots gesunken sind, haben wir Kurzarbeit beantragt. Daraufhin haben wir als Familie viel Unterstützung erhalten. Eine Familie hat uns drei Tüten mit tollen Kinderkleidern und Schuhen geschenkt. Der Zusammenhalt wächst und es stellt sich immer mehr die Frage nach dem, was wirklich wichtig ist.
David Grau ist Pastor einer evangelischen Gemeinde im Süden von Baden-Württemberg.
Mai 2020