Jugendkult  Täuschen wir die Natur und erlangen Unsterblichkeit?

Täuschen wir die Natur und erlangen Unsterblichkeit? Foto: Sam Moghadam Khamseh via unsplash | CC0 1.0

Einige Visionäre unter den Wissenschaftlern sagen voraus, dass der Mensch bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Unsterblichkeit erlangen wird. Kosmetikhersteller und die Schönheitschirurgie begleiten uns bereitwillig auf dem Weg dorthin. Schließlich ist auch ewige Jugend nicht zu Verachten.

Wer kennt nicht den Roman Die Großmutter (Babička) von Božena Němcová? Wir alle haben ihn in der Schule behandelt, viele lasen ihn mit Begeisterung, bis heute ist es eines der bekanntesten und beliebtesten Bücher in Tschechien und der Slowakei. Auch die Verfilmung war erfolgreich. Die Großmutter, eine weise, aber vom Leben gezeichnete alte Frau, ist vielen Lesern und Zuschauern immer noch sympathisch. Sie hat weißes Haar, ihr Rücken ist gekrümmt und sie kann kaum laufen.

Das reale Vorbild für diese literarische Figur war Marie Magdalena Novotná-Čudová. Wenn wir jedoch ein wenig recherchieren und anfangen zu rechnen, sind wir vielleicht schockiert. Zu der Zeit, als diese Frau in Ratibořice lebte, wo sie ihre Enkelin Božena Němcová bezauberte, war sie erst 55 bis 60 Jahre alt. Diese alte über das Grab gebeugte Greisin war also in einem Alter, in dem viele heutige Frauen das Leben in vollen Zügen genießen, bestens aussehen und oft sogar eine neue Liebe finden. Heutzutage will niemand altern und wir versuchen, unsere Jugend, unsere Gesundheit und unser frisches faltenfreies Aussehen so lange wie möglich zu bewahren. Haben wir die Natur getäuscht? Wie weit ist kann die Menschheit gehen? Von der ewigen Jugend ist es nur ein Schritt hin zur Unsterblichkeit. Yuval Noah Harari, einer der größten Denker unserer Zeit, glaubt, dass die Menschheit noch im 21. Jahrhundert versuchen wird, diese zu erlangen.

Angst vor dem Älterwerden

Die Wissenschaft und vor allem die moderne Medizin haben unser Leben erheblich verlängert. Viele Krankheiten, an denen Menschen früher häufig starben, haben wir besiegt. Es kommen ständig neue Heilmittel für Zivilisationskrankheiten hinzu. Und verschiedene Präparate helfen uns, den Körper fit zu halten. Dennoch ist Ageism oder Altersdiskriminierung in der Gesellschaft immer noch eine der am weitesten verbreiteten Diskriminierungsformen, und so ist es vielleicht kein Wunder, dass für viele Menschen „forever young“ ein großer Traum ist.

„Angst, eine gewisse Furcht vor dem Altern, kann natürlich auch wünschenswert sein. Angst an sich ist nützlich, da sie uns vor drohenden Gefahren warnt. Wenn wir die Angst verstehen, können wir auch eine angemessene Haltung gegenüber der Bedrohung einnehmen und uns auf die Veränderung vorbereiten und diese akzeptieren. Wir können nach den konkreten Inhalten einer bestimmten Angst suchen. Wovor habe ich eigentlich Angst, wenn ich mich vor dem Älterwerden fürchte? Vor dem Tod, vor Nutzlosigkeit, davor, nicht gewollt, nicht geschätzt zu werden? Dann können wir es symptomatisch angehen. Solange eine Angst irrational ist, führt sie zu Beklemmungen und Panik und schränkt unser normales Leben ein. Es kann passieren, dass eine solche Angst zu dem zwanghaften Versuch führt, den natürlichen Alterungsprozess aufzuhalten“, sagt die Psychologin Linda Klein. „Viele Menschen fürchten sich davor, nicht mehr gebraucht zu werden, vor Schmerz und Tod, und die Auseinandersetzung mit diesem natürlichen Lebensabschnitt kann eine Prüfung für die persönliche Reife sein. Für manche ist es ein Weg, aktiv zu bleiben oder weiter zu arbeiten, neue Interessen zu finden und sich weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass es heute vor allem in größeren Städten und deren Ballungsgebieten mehr Möglichkeiten in dieser Richtung gibt“, fügt sie hinzu.

Die Psychologin Linda Klein Die Psychologin Linda Klein | Foto: © privat

Schönheitskliniken florieren

Die Psychologin weist auf den ungesunden Jugendkult hin, der uns von allen Seiten umgibt. Oft erliegen wir dann dem Gefühl, dass nur Jugend und Schönheit von Wert sind. Linda Klein ist jedoch davon überzeugt, dass wir uns das nicht zu eigen machen müssen, sondern einfach an unseren eigenen soliden Werten festhalten sollten. „Perfekte Körper, faltenfreie Gesichter und dichtes Haar ohne graue Strähnen sind überall zu sehen. Seien wir ehrlich: Wenn eine Frau in den Fünfzigern jünger aussieht, dann erweckt sie doch den Anschein, besser zu sein als die anderen, dann wird sie vielleicht sogar angestellt... Im Fernsehen sehen wir Frauen 50+, die für Faltencremes, Lebensversicherungen (in letzter Minute) und bestenfalls für Bratpfannen werben. Wenn die Gesellschaft der Meinung ist, dass wir ewig jung bleiben sollen, und uns gelingt das nicht, dann müssen wir wohl etwas dagegen tun... Andernfalls – so wird uns eingeredet – sind wir im Beruf nicht mehr erwünscht oder ein jüngerer Kollegen erhält die Beförderung, tauscht unser Mann uns gegen ein ‚jüngeres Modell‘, sind wir nicht gut genug! Doch eigentlich ist alles davon abhängig, worin unsere Wertvorstellungen liegen und woher wir unsere eigenen Werte beziehen. Sind das materielle Aspekte, Lob für unsere Leistungen, Status, Schönheit und vergängliche Dinge, werden wir dieses Rennen verlieren, was sehr entmutigend sein kann. Für Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit ihrem Aussehen oder ihrer Selbstdarstellung bestreiten, ist dies sicherlich eine größere Herausforderung. Einfach ausgedrückt, so wie wir gelebt haben, werden wir altern“, fügt Linda Klein hinzu.

Eine der bekanntesten Dermatologinnen und Gründerin von Esthetic, einer Klinik für ästhetische Medizin, Alexandra Rozborilová, sieht das jedoch etwas anders. Der Wunsch, auch im Alter gut auszusehen, ist ihrer Meinung nach kein Zeichen für einen Jugendkult in unserer Gesellschaft. Sie räumt ein, dass Schönheitskliniken florieren, was aber ihrer Meinung nach damit zu tun hat, dass die Menschen einfach jung im Geiste sind und auch so aussehen wollen. „Die Leute, die zu uns kommen, wollen nicht, dass wir sie jünger machen. Sie fühlen sich jung, achten auf sich selbst, treiben Sport, achten auf ihre Ernährung, trinken keinen Alkohol und haben das Gefühl, dass ihre äußere Erscheinung nicht dazu passt, wie sie sich fühlen. Wir versuchen also, sie dabei zu unterstützen, das zu harmonisieren. Da muss man sich gar nicht einmal nur auf die in den Medien präsenten Persönlichkeiten konzentrieren, die in Wirklichkeit nur die Spitze des Eisbergs der ästhetischen Medizin sind und die auch ohne einen plastischen Chirurgen oder Dermatologen schlecht aussehen würden, denn ‚zurichten‘ kann man sich auch allein. Manchmal ist das Altern einfach ungerecht, und ein Mensch, der innerlich gesund und jung ist, hat zum Beispiel eine genetische Veranlagung für extrem hängende Augenlider. Und das kann sowohl mit 30 als auch mit 50 passieren“, erklärt Alexandra Rozborilová.

Investition in sich selbst

Die Wahrheit ist, dass es der Medizin bereits gelingt, die Natur in dieser Hinsicht zu „täuschen“. Heute kann man oft nur schwer sagen, ob eine Person, die sich gut pflegt, 30 oder 50 Jahre alt ist. Eine Frau in den Fünfzigern, die aussieht wie Němcovás Großmutter ist eher die Ausnahme, oder besser gesagt, müsste sie sich schon durch einen extrem schlechten Lebensstil zu einem solchen Aussehen „verholfen“ haben. Schönheitskliniken gibt es in der Slowakei reichlich und ihr Erfolg beweist, dass dies nicht mehr nur ein Luxus für die Reichen ist. „Sich um sich selbst, seine Gesundheit und sein Aussehen zu kümmern, hat sich von der Ebene der Prominenten auf die Ebene der normalen Menschen verlagert. Unsere Kundschaft sind ganz normale Menschen im besten Sinne des Wortes, die für individuelle Behandlungen sparen, weil es etwas ist, das ihr Selbstwertgefühl stärkt, und was sie als eine Investition in sich selbst sehen. Und wir alle wissen, dass eine Investition in sich selbst die beste Investition ist“, meint Alexandra Roborilová.

Wie die Medizin insgesamt, so entwickelt sich auch die ästhetische Medizin sprunghaft weiter, die Verfahren werden immer sicherer, und wo früher ein Skalpell nötig war, kann die ästhetische Medizin heute mit Fäden, Botox, Hyaluronsäure und anderen nicht-invasiven Techniken helfen. Wer aber glaubt, dass nur Frauen darauf zurückgreifen, der liegt falsch. „Es stimmt, dass wir 80 Prozent unserer Eingriffe bei Frauen durchführen, aber Männer sind ein ebenso fester Bestandteil unserer Kundschaft. Die Haartransplantation etwa ist ein Verfahren, das überwiegend Männer durchführen lassen“, fügt die Ärztin hinzu.

Besiegen wir den Tod?

Man könnte also sagen, dass die Menschheit das Altern weitestgehend unter Kontrolle hat. Und dem oben erwähnten Yuval Noah Harari zufolge werden wir noch im 21. Jahrhundert versuchen, den Tod zu besiegen. Wie er im Buch Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen schreibt, gibt es für jedes technische Problem eine technische Lösung. „Wenn wir den Tod besiegen wollen, müssen wir nicht auf das Jüngste Gericht warten. Dazu reichen ein paar Freaks in einem Labor.“ Er untermauert dies mit Aussagen und Forschungsergebnissen weltweit führender Wissenschaftler. „Die rasante Entwicklung auf Gebieten wie der Gentechnik, der regenerativen Medizin und der Nanotechnologie befeuert noch optimistischere Prognosen. Einige Experten glauben, die Menschheit werde 2200 den Tod überwinden, andere sprechen vom Jahr 2100“, so Harari.

Auch in der Slowakei befassen sich Wissenschaftler mit der Suche nach Unsterblichkeit. Wissenschaft und Medizin arbeiten zu unseren Gunsten. Wir werden länger und besser leben. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass wir für ein glückliches Leben auch Schönheitschirurgen und Psychologen brauchen werden.

Das könnte auch von Interesse sein

Failed to retrieve recommended articles. Please try again.

Empfehlungen der Redaktion

Failed to retrieve articles. Please try again.

Meistgelesen

Failed to retrieve articles. Please try again.