Tschechische Bürgerinitiative  Wohnen aus Sicht der Mieterinnen und Mieter

Viele der in der Tschechischen Republik angebotenen Wohnungen befinden sich in unsanierten Häusern. Den Eigentümer*innen fehlt oft die Motivation, in neue Fenster zu investieren, da die Mieter für die Energiekosten aufkommen müssen.
Viele der in der Tschechischen Republik angebotenen Wohnungen befinden sich in unsanierten Häusern. Den Eigentümer*innen fehlt oft die Motivation, in neue Fenster zu investieren, da die Mieter für die Energiekosten aufkommen müssen. Foto: © Ester Dobiášová

Im Gegensatz zu den westlichen Nachbarländern ist der Mietmarkt in Tschechien weniger stark reguliert und bietet keinen ausreichenden Rechtsschutz für Mieter*innen. Auch deshalb wurde 2022 eine Gemeinschaftsinitiative der Mieter*innen (Iniciativa nájemníků a nájemnic – INN) gegründet, um gemeinsam Probleme mit Vermieter*innen zu lösen und sich für eine bessere Ausgestaltung künftiger Gesetzesvorlagen einzusetzen.

In der Tschechischen Republik werden Mietverträge oft für ein Jahr abgeschlossen, was für die Mieter eine Quelle von Stress und Unsicherheit darstellen kann. Stell dir vor, du musst jedes Jahr die Bedingungen deines Mietvertrags neu aushandeln oder dich im schlimmsten Fall nach einer neuen Wohnung umsehen. Manche Vermieter*innen bieten sogar Verträge mit einer Laufzeit von drei bis sechs Monaten an.

Kurzzeitmietverträge geben den Mieter*innen nicht das Gefühl von langfristiger Stabilität und sind einer der Hauptgründe für die Unzufriedenheit der Menschen mit ihren Mietverhältnissen. Du wohnst in einer ruhigen Gegend, in der du Freund*innen gefunden hast, aber wo wirst du in einem Jahr sein? Diese ständige Ungewissheit kann sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Ein Umzug bringt auch zusätzliche Kosten mit sich, die sich schnell summieren können.

Schlimmer noch: Befristete Mietverträge sind oft von Vorteil für die Vermieter*innen, da sie einfach die Miete erhöhen oder deinen Mietvertrag nicht verlängern können, wenn sie ein „besseres Angebot“ finden. Durch eine Aneinanderreihung von Zeitmietverträgen kann ein Vermieter auch vermeiden, viele der im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Mieter*innenschutzrechte einhalten zu müssen.

Mit vereinten Kräften für besseres Wohnen

Zusätzlich zu den befristeten Verträgen verschlechtert sich die Situation auf dem Mietmarkt zu Beginn des Semesters erheblich, wenn viele Studierende nach Wohnraum suchen. Die erhöhte Nachfrage nach Wohnungen gibt den Vermieter*innen die Möglichkeit, die Mieten überproportional zu erhöhen. Die Wohnungen sind schnell vermietet und die Studierenden haben oft keine andere Wahl, als ungünstige Bedingungen zu akzeptieren.

„Wir wohnen seit sieben Monaten zur Untermiete, aber wir haben noch keinen Vertrag. Der Vermieter schickt uns immer weg und sagt, dass wir bald einen bekommen", erzählte eine dunkelhaarige Studentin auf der Oktobersitzung der Mieter*inneninitiative von ihren Erfahrungen mit der Wohnsituation. Im Theater Husa na provázku (etwa: Gans an der Leine) in Brno, das sich in dieser Spielzeit ebenfalls dem Thema Wohnen widmet, kamen rund zwanzig Personen zusammen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und Tipps für faire Wohnungsverhandlungen zu erhalten. Aber es sind nicht nur Studierende hier. „Ich habe bisher nur einen Vertrag für sechs Monate“, seufzt ein älterer Mann neben mir, und eine Gruppe von Mädchen in der Nähe nickt mit dem Kopf – sie auch. Und wenn die abgelaufen sind? Mal schauen.

Tschechische Mieter*innen-Initiative Tschechische Mieter*innen-Initiative | Foto: © Ida Taušlová | Tschechische Mieter*innen-Initiative Das Treffen wird von Veronika Dombrovská geleitet, die bei der Plattform für sozialökologische Transformation Re-set für eine Kampagne gegen Energiearmut tätig ist und eine der Autorinnen des gerade veröffentlichten praktischen Leitfadens Wie man sich als Mieter*in behauptet (Jak se sebou nenechat zametat v nájemním bydlení) ist. Dieser liegt in Stapeln zum Mitnehmen auf dem Tisch und kann auch online heruntergeladen werden. Als Veronika im vergangenen Herbst Freund*innen von ihren bizarren Erfahrungen mit ihrem Vermieter erzählte, stellte sie fest, dass sie nicht die Einzige war, die mit Kommunikationsschwierigkeiten und Problemen wie der kaputten Heizung in ihrer Haushälfte zu kämpfen hatte.

Deshalb schloss sie sich der damals brandneuen und noch sehr kleinen Initiative an, die nach einem Jahr ihrer Tätigkeit über 120 Mitglieder, lokale Gruppen in Brno, Prag und Ostrava und mehrere erfolgreich gelöste Fälle hat. „Bei einem dieser erfolgreichen Fälle wandte sich ein Mieter aus Prag an unsere Initiative, weil es Probleme beim Umbau des Wohnhauses gab, in dem er lebte“, sagt Veronika. „Obwohl er Teile der Wohnung nicht nutzen konnte, zahlte er die volle Miete. Mit unserer Unterstützung gelang es den Mietern des Hauses, ein Treffen zu organisieren, ihre Forderungen aufzuschreiben und mit dem Bezirk konkrete Verbesserungen auszuhandeln, darunter auch eine Senkung der Miete während des Umbaus.“

Die Initiative nimmt sich verschiedene Länder zum Vorbild, darunter Schweden mit seiner langen Geschichte von Mieter*innenorganisationen und Länder wie Irland, England und Deutschland, in denen erfolgreiche Kampagnen zu Wohnungsfragen durchgeführt wurden. In Österreich zum Beispiel veröffentlicht das Justizministerium alle zwei Jahre sogenannte Mietspiegel, die entsprechend den Inflationsindikatoren angepasst werden. Inspirieren lassen kann man sich auch von Dänemark, wo die Mietverträge ebenfalls vom Justizministerium standardisiert werden, was dazu beiträgt, Probleme wie die Ungültigkeit bestimmter Klauseln in Verträgen zu vermeiden.

Ideale Untermieter*innen sind still und zahlen

In der Tschechischen Republik gibt es keinen Mustervertrag, und für Mieter*innen und Vermieter*innen ist es oft schwierig zu beurteilen, was nach dem Gesetz darin enthalten sein sollte oder könnte, und was nicht. Die Dame, die mit mir am Tisch sitzt, teilt meine Sorge über den universellen Untermietvertrag, den sie und ihr Mann vor einem Monat unterzeichnet haben. Obwohl sie auf einige strittige Punkte gestoßen sind, haben sie sich damit abgefunden und befinden sich jetzt schon mitten in der Einrichtung ihrer Wohnung.

Weniger günstige Untermietverträge werden von größeren Unternehmen wie UlovDomov (etwa: Schnapp dir dein Zuhause) abgeschlossen, zu dem auch Ideální nájemce (etwa: Der ideale Mieter) gehört. Als ich dieses Jahr selbst auf der Suche war, konnte ich als Bewerberin für eine ältere Wohnung in Brno einen Blick in einen solchen Vertrag werfen.

Wenn man den Anhang zum Vertrag durchblättert, den man natürlich nicht ändern kann, stößt man auf richtige „Schätze“. Der umstrittenste Teil versteckt sich unter dem sehr knappen Punkt 5.7, in dem die untermietende Partei auf ihre Rechte aus dem Gesetz Nr. 67/2013 Sb. verzichtet. In diesem Gesetz zur Vermietung von Wohnungen sind die grundlegenden Rechtsvorschriften für die Rechte und Pflichten von Mieter*innen und Vermieter*innen festgeschrieben. Wenn ich dieses Gesetz ausdrücklich ausschließe, verzichte ich auf einige meiner Rechte und den Schutz durch dieses Gesetz. Auch der Artikel IX über Vertragsstrafen ist ein Minenfeld. Hier finden sich sechzehn verschiedene Gründe, wegen denen das Unternehmen eine Vertragsstrafe in Höhe von 300 bis 10.000 CZK (etwa 12 bis 400 Euro) erheben kann, und zwar „für jeden Tag des Verzugs, und das ab dem ersten Tag“, wie es heißt. Neben der Weigerung, die Versicherung zu zahlen, gehören zu den teuersten Punkten das Rauchen oder das Halten eines Haustiers ohne Zustimmung der Immobiliengesellschaft.

Auch ohne Erlaubnis der Wohnungsbesitzer*in dürfen Mieter*innen Tiere halten. Auch ohne Erlaubnis der Wohnungsbesitzer*in dürfen Mieter*innen Tiere halten. | Foto: © Ester Dobiášová „Meiner Meinung nach umgeht das Unternehmen das Gesetz, indem es versucht, den Vertrag als Untermietvertrag darzustellen“, betont Jan Polášek, der Rechtsberater der Mieter*inneninitiative INN. „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von UlovDomov minimieren die Rechte des Untermieters beinahe auf null. Dieses Unternehmen versucht, den Menschen die rechtliche Absicherung zu nehmen, die ihnen das Gesetz mit einem geschützten Mietverhältnis garantieren will. Würde man die Bedingungen aus der Perspektive des Mietvertrags beurteilen, wäre es beispielsweise nicht möglich, unangemessene Vertragsstrafen zu verhängen, die Haltung eines Tieres von der Zustimmung abhängig zu machen, die Anwendung des Gesetzes 67/2013 auszuschließen, den uneingeschränkten Zugang zur Wohnung zu verlangen oder die Verpflichtung aufzuerlegen, die Wohnung jederzeit während der letzten fünf Tage des Mietverhältnisses zu übergeben, wie es in den Bedingungen von Ideální nájemce der Fall ist.“

Wie das Unternehmen einige der Mietsünden überprüfen, beweisen oder durchsetzen will, ist schwer zu sagen, aber die Androhung eines Rechtsstreits trägt nicht gerade zur Sorglosigkeit bei. „Die Rechtsprechung schweigt sich über den Schutz von Untermietern ziemlich aus“, sagt Polášek. „Aber wenn ein solches Rechtsverhältnis von einem Gericht geprüft würde, bin ich überzeugt, dass es den Vertrag für unwirksam oder nichtig halten würde.“

Ein warmes Zuhause

Zusätzlich zu den oben genannten Problemen findet man in der Tschechischen Republik einen relativ veralteten Wohnungsbestand und eine Reihe von unsanierten Häusern mit alten Fenstern, veralteten, nicht oder nur teilweise funktionierenden Heizungsanlagen. „Dadurch, dass die Mieter die Energiekosten selbst tragen müssen, haben die Eigentümer keinen Anreiz, in das Haus zu investieren und es zu reparieren. Die Mieter haben die Wahl: entweder sie ziehen aus oder sie zahlen hohe Energiepreise. So geraten viele von ihnen in die so genannte Energiearmut, wo sie auf Kosten anderer grundlegender Lebensbedürfnisse heizen müssten, so dass sie manchmal nicht einmal im Winter heizen“, erklärt Veronika das Phänomen, mit dem etwa jede*r zehnte Tschech*in bereits vor der Energiekrise der letzten Jahre leben musste.

Und wenn ein*e Vermieter*in eine Immobilie investiert, ist in der Regel das Ziel, den Wert der Investition zu steigern. Dies kann zu einem raschen Anstieg der Miete oder zur Vertreibung der derzeitigen Mieter*innen führen, damit die Immobilie teurer weitervermietet werden kann. Dies kann beispielsweise in Schweden nicht passieren, wo die Heizung nicht nach dem Verbrauch abgerechnet wird, sondern in der Miete enthalten ist. Die Wohnung muss laut Gesetz auf 20 Grad Celsius beheizt werden können. Die Eigentümer*innen von Häusern oder Wohnkomplexen, die oft der Stadt oder privaten Unternehmen gehören, müssen in Schweden dafür sorgen, dass die Heizung effizient funktioniert und die Gebäude isoliert sind. Auf diese Weise können die Mieter*innen ihre Wohnungen unabhängig von Energiepreiserhöhungen auf der gleichen Temperatur halten.

Ein Umzug ist oft mit zusätzlichen Kosten verbunden, zum Beispiel für die Anmietung eines Lastwagens, die Freistellung von der Arbeit und die Arbeitsstunden für die Einrichtung und oft auch für die Renovierung der Räumlichkeiten. Ein Umzug ist oft mit zusätzlichen Kosten verbunden, zum Beispiel für die Anmietung eines Lastwagens, die Freistellung von der Arbeit und die Arbeitsstunden für die Einrichtung und oft auch für die Renovierung der Räumlichkeiten. | Foto: © Ester Dobiášová

In Minischritten zum Wandel

Das Verhältnis zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen ist von Natur aus immer sehr unausgewogen. „Bei der derzeitigen Lage in Tschechien wäre der erste Schritt, die Abfolge von Kurzzeitverträgen zu beenden und langfristige oder unbefristete Verträge zu regeln, um den ständigen Anstieg der Mieten zu verhindern“, erläutert Veronika.

Wie will die Initiative also wirklich etwas bewirken? „Wenn die Medien über Mietwohnungen berichten, fragen sie in der Regel Vertreter*innen des Mietwohnungsverbands, einer Organisation, die Zehntausende von Wohnungen verschiedener Vermieter*innen verwaltet und im Namen der Vermieter*innen Lobbyarbeit betreibt. Die Stimme der Mieter*innen hat bisher gefehlt“, erklärt Veronika die Intention der Initiative. „Das Ministerium für regionale Entwicklung hat einen runden Tisch mit verschiedenen Interessenvertreter organisiert, um einige der Probleme im Zusammenhang mit Mietwohnungen zu erörtern, darunter die Aneinanderreihung von Kurzzeitverträgen. Unser Ziel ist es, in die Regulierung von Mietverhältnissen einzugreifen, entweder durch formale Anmerkungen oder indem wir weiteren Druck auf die zuständigen Ministerien ausüben.“

Wohnen als Grundbedürfnis

Ich möchte noch auf meine eigenen Eindrücke von der Wohnungssuche eingehen, die ich in diesem Jahr gesammelt habe. Ich bin seit April dreimal umgezogen, nachdem ich vorübergehend zur Miete gewohnt hatte, und habe jetzt ein Haus mit Garten gefunden. Ich habe den Vermieter um einen unbefristeten Vertrag gebeten – und ihn bekommen. Bis jetzt sieht alles gut aus, ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Vermieter*innen gemacht, und ich habe an sechs Orten länger gewohnt.

Mit meinem Einkommen, das bisher hauptsächlich aus einem Gehalt im gemeinnützigen Sektor bestand, kann ich mir die Miete allein nicht leisten und lebe (nicht nur deshalb) in einer Wohngemeinschaft. In den letzten sieben Monaten habe ich Ungewissheit bis hin zur Angst erlebt, vor allem gegen Ende meiner befristeten Unterkunft, als ich noch keine neue Bleibe in Aussicht hatte. Man geht dann fast zwanghaft Angebote durch und markiert sie, nimmt auch die kleinste Kammer in Kauf, überlegt, den Hund im Tierheim abzugeben (nein, das war nur ein Scherz, aber mit einem Hund eine Wohnung zu finden, ist wirklich knifflig), rennt zu Besichtigungen und hat für alles andere keine geistige Kapazität mehr, kann kaum noch einschlafen.

Die Wohnungssuche ist auch mit Stress, Unsicherheit und dem Verlust von Geborgenheit verbunden. Die Wohnungssuche ist auch mit Stress, Unsicherheit und dem Verlust von Geborgenheit verbunden. | Foto: © Ester Dobiášová
Im schnellen Einleben bin ich mittlerweile Expertin, so dass ich mich schnell wenigstens ein bisschen zu Hause fühlen und etwas anderes tun kann, zum Beispiel nach einem Job suchen. Heute habe ich ein paar graue Haare mehr und zum ersten Mal in meinen dreißig Lebensjahren ein eigenes Zimmer in einem ungedämmten Haus aus den 1930er Jahren. Was aber bleibt ist das Gefühl, dass dies nur eine vorübergehende Station ist, dass ich bald umziehen muss, dass ich Geld an die Energiekonzerne verlieren werde, dass ich in einer Mietwohnung nie das Gefühl von Heimat erleben werde – aber eine eigene Wohnung kann ich mir eben nicht leisten. Wird dieses Gefühl jemals verschwinden?

Und so stimme ich Veronika zu, dass der Staat sich zu sehr um die Rechte von Eigentümer*innen von manchmal mehreren Immobilien kümmert, während es immer mehr Menschen gibt, die zwar kein Eigentum besitzen, aber das Gefühl von Wohnsicherheit und das damit verbundene Gefühl von Geborgenheit erleben wollen. Gewerkschaftliche Zusammenschlüsse wie die Mieter*inneninitiative könnten uns da zumindest ein Gefühl der Selbstbestimmung, des Miteinanders und des Bewusstseins für unsere Rechte geben, wenn wir uns erlauben, Orte als unser Zuhause zu erleben.

Perspectives_Logo Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

Das könnte auch von Interesse sein

Failed to retrieve recommended articles. Please try again.

Empfehlungen der Redaktion

Failed to retrieve articles. Please try again.

Meistgelesen

Failed to retrieve articles. Please try again.