Piotr Górski   Emotionen gegenüber Autoren und Autoritäten

Illustration: Emotionen gegenüber Autoren und Autoritäten Illustration: © Polityka Insight

Seit mehreren Jahren geht der Begriff „Fake News“ durch Presse und soziale Medien. Das Phänomen, das sich dahinter verbirgt, lässt die Emotionen hochkochen: Werden uns Fehlinformationen vorgesetzt, verletzt das unser Empfinden für Gerechtigkeit und Anstand. Bei den Medien kommt noch hinzu, dass falsche Nachrichten ihrem Hauptzweck widersprechen – der zuverlässigen Wissensvermittlung.

Licht- und Schattenseiten von Emotionen

Emotionen erleichtern es dem Menschen, sich in einer komplexen, unsicheren und wechselhaften Welt zu bewegen; sie helfen, Entscheidungen zu treffen und mit einem Übermaß an Informationen fertig zu werden – es wäre uns unmöglich, jeden einzelnen Reiz mit dem Verstand zu analysieren. Geschätzte 34 GB Daten strömen täglich auf jeden von uns ein. Das menschliche Hirn besitzt nicht genügend Kapazitäten, über sie alle nachzudenken. Das stellt uns vor die schwierige Entscheidung, auf was wir uns konzentrieren sollen. Hierbei helfen die natürlichen Mechanismen des Gehirns, indem sie Emotionen in Gang setzen.

In den ersten Sekundenbruchteilen fällt die Entscheidung, ob Wörter oder Bilder, die uns erreichen, unser Interesse so weit erregen, dass wir ihnen mehr Zeit widmen. Das Telefon klingelt – ein Verwandter liegt im Krankenhaus; in den sozialen Medien jubelt eine Freundin über eine bestandene Prüfung; auf der Titelseite schreibt die Zeitung von neuen Regierungsplänen; im Fernsehen läuft ein Film mit dem Lieblingsschauspieler. In solchen Fällen lässt der Reiz uns nicht kalt. Aber wie oft bleiben wir gleichgültig, weil ein Reiz keine Angst, Freude, Wut, Sorge, kein Verlangen, keine Belustigung oder Neugier in uns weckt?

Unbekannte Medien oder Autorinnen und Autoren lernt man zumeist durch die Empfehlung anderer Menschen kennen, die man für vertrauenswürdig befunden hat – man verbindet positive Emotionen mit ihnen. Manchmal bekommt man auch Negativempfehlungen, jemand fordert uns durch seine Kritik auf, uns mit etwas zu befassen, das unseren Ansichten entgegensteht, und gibt dabei gleich eine Anregung zur Interpretation. Häufig empfindet man denjenigen, durch dessen Vermittlung man Neues kennenlernt, als eine gewisse Autorität.

Die Autorität des Einzelnen

Jemand, der unsere Autorität genießt, genießt unsere Anerkennung in dem Sinne, dass wir uns seine Urteile anhören und strenge Meinungsäußerungen selbst dann akzeptieren, wenn sie nicht unserer eigenen Überzeugung entsprechen. Das muss uns nicht immer gefallen, aber gleichgültig lässt es uns auf keinen Fall – wissen wir doch, dass durch die Kritik Gutes für einen anderen Menschen oder für die Gemeinschaft erreicht werden soll. Eine so verstandene autoritäre Rolle können beispielsweise Meinungsführer innehaben – Politikerinnen, Journalisten, Wissenschaftlerinnen oder Kulturschaffende. Meistens ergibt sich ihre Autorität aus der Kombination der Funktion, die sie ausüben, und bestimmten individuellen Eigenschaften, aufgrund derer andere Menschen positive Emotionen mit ihnen verbinden.

Kommen wir nun zu den meinungsbildenden Autoritäten. In ihren Artikeln erwartet man gut ausgewählte und fundierte Informationen, eventuell einen deutlichen Standpunkt. Die positive Einstellung zum Autor oder zur Autorin – die auf Emotionen basiert, die bereits bei früherer Gelegenheit ausgebildet wurden – ist entscheidend bei der Wahl seines Textes aus Hunderten von Publikationen. Welche Reaktion der Text beim Leser hervorruft, hängt wiederum mit dessen Emotionen bezüglich des behandelten Themas oder Standpunkts zusammen. Manchmal lässt die Lektüre zum Beispiel eine kritische Haltung entstehen. Damit es so weit kommt, muss der Artikel beim Leser starke Emotionen auslösen.

Vertrauen in die Medien

Ähnliche Mechanismen greifen gegenüber institutionellen Autoritäten. In der Perspektive, die uns hier interessieren soll, sind das Tageszeitungen, Wochenblätter, Fact-Checking-Portale, Meinungsmagazine oder Thinktanks. Gatekeeper der Informationen sind dort die Redaktionen – von ihnen erwarten die Leser, dass sie nur entsprechend geprüfte Nachrichten an die Adressaten weitergeben. Verlässt man sich auf die Autorität einer solchen Institution, braucht man die Arbeiten des konkreten Autors nicht zu kennen; man vertraut dem Redaktionsteam, das gemeinsam für das herausgegebene Material verantwortlich ist.

Leider steht es heute um dieses Vertrauen nicht allzu gut. Laut dem vom Reuters Institute erstellten Digital News Report 2018 vertrauen gerade einmal 48 Prozent aller Menschen in Polen den Medien allgemein (gegenüber noch 53 Prozent 2017) – unter den 37 untersuchten Ländern auf der ganzen Welt beträgt der Durchschnitt 44 Prozent.

Bei einer Umfrage von TNS Political&Social vertrauen 55 Prozent der Polen der gedruckten Presse, 30 Prozent nicht. Etwas geringeren Vertrauens erfreuen sich digitale Ausgaben von Pressetiteln sowie Internetdienste (entsprechend 45 Prozent und 33 Prozent). Zum Vergleich: Gedruckte Medien werden bei den Finnen am höchsten geschätzt (es vertrauen ihnen 90 Prozent), am niedrigsten dagegen bei den Ungarn (33 Prozent).

Mit dem Internet erwuchs der Presse eine große Konkurrenz durch Portale, die sich nicht an traditionelle Redaktionsprinzipien halten und stattdessen auf starke, spontane Reaktionen setzen. Emotionale Botschaften „verkaufen sich“ bestens und finden schnell Leser. Wenn dann noch Algorithmen „vor den Karren gespannt“ werden, die den Usern Inhalte vorschlagen, auf die andere Leser bereits reagiert haben, entsteht eine gefährliche Mixtur, die sich die Verbreiter von Fake News gern zu Nutzen machen. Schließlich wählen wir aus den unzähligen Reizen, die uns Tag für Tag erreichen, denjenigen aus, der uns emotional bewegt – wodurch wenig oder sogar keine Zeit mehr für andere bleibt. Dieser Mechanismus trägt mit dazu bei, dass die Leser sich von der traditionellen Presse abwenden. Durch sinkende Verkaufszahlen sinken aber auch die Werbeeinnahmen, was sich wiederum auf die Zahl der Beschäftigten auswirkt, deren immer kleinere Teams immer mehr Materialien bearbeiten muss, und das wiederum beeinträchtigt die Qualität der Arbeit. In der Folge davon schwindet das Vertrauen in die Medien.

Warum vertrauen wir Informationen, die uns gefallen?

Steht eine Vielzahl unterschiedlicher Medien zur Verfügung, muss der Leser seine Komfortzone nicht verlassen und sich mit Informationen auseinandersetzen, die ihm „schlechte Laune machen“. Leser beschränken sich mit Vorliebe auf Quellen, die ihre Überzeugungen bestärken – während sie nur ungern der Empfehlung folgen, unterschiedlich geartete Informationsquellen zu verfolgen. Der Zweck, dem eine solche Konfrontation dienen sollte – die Verifikation von Wissen und Ansichten, eine Erweiterung der Perspektive – ist nicht attraktiv genug, um Emotionen hervorzurufen, die dieses Handeln erleichtern würden.

Kein Wunder also, dass wir von Meinungsführern vor allem die Bestätigung unserer Ansichten erwarten, befriedigen wir doch auf diese Weise unsere emotionalen Bedürfnisse. Wir werten uns selbst dadurch auf, dass unser Standpunkt von anderen geteilt wird – insbesondere von Menschen, die wir als Autoritäten wahrnehmen. Wollen wir also einen Leser von der Falschheit einer Information überzeugen, der er Glauben geschenkt hat, sollten wir ihn nicht in eine schwierige emotionale Lage bringen. Nur – wer schreibt heute noch, um einen Opponenten von der Richtigkeit der eigenen Ansichten zu überzeugen, und nicht, um all die Überzeugten in ihrer Überlegenheit noch zu bestärken?

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