Ein Mann muss immer stark, cool und groß sein. Die Frau hingegen schlank und mit einem geringen Körperfettanteil. Um diesen Stereotypen zu entsprechen, widmen sich viele Menschen dem Kraftsport und betreiben den Muskelaufbau in Dimensionen, die auf natürliche Weise ohne Doping gar nicht erreicht werden können.
Doping ist in jeder Sportart ein Thema. Neben den erlaubten Mitteln wie Koffein, Nikotin oder Glukose greifen viele Sportler aber auch zu jenen, die in unserem Land verboten sind. Fitness und Bodybuilding gehören zu den ästhetischen Sportarten, bei denen die Wettkampfteilnehmer*innen nicht nur ihre Kraft, sondern in vielen Kategorien auch ihren Körper zur Schau stellen. Im Streben nach einer gewissen ästhetischen Perfektion ist die Verwendung von verbotenen Substanzen in diesen Disziplinen wohl am offensichtlichsten. „Einem Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur aus dem Jahr 2021 zufolge lagen die positive Analyseergebnisse für verbotene Substanzen beispielsweise im Rennrodeln, Curling und Bobfahren bei 0,0 Prozent und in olympischen und nicht-olympischen Sportarten bei 0,65 Prozent. Im Bereich Fitness und Bodybuilding betrug der Anteil positiver Tests 14 Prozent. Da sehen Sie selbst, welch hohe Zahl das im Vergleich ist“, sagt Dr. Kamila Chomaničová, Pharmazeutin der Slowakischen Anti-Doping-Agentur. Natürlich beinhaltet diese Zahl nur die erfassten Fälle auf höchster Ebene.Seitdem in den 1950er Jahren erstmals androgene Steroide synthetisch hergestellt werden konnten, ist ihre Verwendung heute nicht mehr nur im Bereich des professionellen Bodybuildings üblich, sondern immer mehr auch in der breiten Öffentlichkeit und im Freizeitsport. Steroide gehören seit langem zu den am häufigsten missbrauchten Substanzen. „Schon 15 oder 16-jährige Jugendliche können in Kontakt mit anabolen Substanzen geraten, denn ihr Hauptziel besteht darin, Muskelmasse aufzubauen oder ihren Körperfettanteil zu reduzieren, um bewundert, respektiert und für sexuell attraktiv gehalten zu werden. Aber wie kommen sie an diese Substanzen? Es ist kein Geheimnis, dass es eine Reihe von Anbietern gibt, die solche Sachen illegal im Internet verkaufen.“
Sogar einige Influencer*innen ermutigen in ihren Videos auf Social Media die Jugendlichen und bieten Rabattcodes für verschiedene verbotene Produkte an. Es kommt auch nicht selten vor, dass Trainer*innen selbst Doping-„Hilfsmittel“ in die Ernährungspläne ihrer Schützlinge einbauen, oft ohne eingehende Analyse ihrer Trainings-, Gesundheits- oder Ernährungsgeschichte. Karol (Name geändert), der seine Identität nicht preisgeben möchte, kam in einem ähnlich jugendlichen Alter erstmals mit Dopingmitteln in Berührung. „Ich habe Clenbuterol zum ersten Mal in der Vorbereitung auf einen Wettkampf ausprobiert, als ich schneller abnehmen und Fett verbrennen musste. Für mich ist das ein Dopingstoff, das ist kein anaboles Steroid“. Im Falle von Clenbuterol handelt es sich um einen Stoff, der in einigen Ländern als Heilmittel für Asthma zugelassen, in der Slowakei jedoch verboten ist, da seine Anwendung mit gesundheitlichen Risiken einhergehen kann.
Natürliches Maximum
Auch der Natural Bodybuilder und amtierende slowakische Meister Martin Slezák, der in der Slovak Association of Natural Bodybuilding (SANK) antritt, wollte zu Beginn seines Krafttraining einfach nur gern „besser“ aussehen, so wie viele Jugendliche in der Pubertät. „Auch ich war mit meiner Figur nicht zufrieden. Als ich 14 Jahre alt war, beschloss ich, mit einem Freund ins Fitnessstudio zu gehen, der von Krafttraining schon ein bisschen Ahnung hatte. Bis ich 17 war, hatte ich kein einziges Training ausgelassen, außer wenn ich mal krank oder verletzt war, und ich hatte bereits eine anständige Muskelmasse aufgebaut. Nach meinem ersten Wettkampf wurde mir klar, was ich verbessern musste, und meine Trainingsmotivation verzehnfachte sich. Von da an begann mein Weg, auf dem ich immer mehr und definiertere Muskeln aufbaute und versuchte, meine natürliche Bestleistung zu erreichen.“Der natürliche Weg ist jedoch langwierig und in der heutigen schnelllebigen Zeit des ständigen Wachstums wollen viele nicht warten, geschweige denn stagnieren. Martin beschreibt, dass dieser Weg oft eine echte Herausforderung sein kann. „Es geht mir überhaupt nicht darum, um jeden Preis so massig wie möglich zu werden und den Körper mit riesigen Muskelpaketen zu belasten. Ohne Steroide nimmt man nach x Jahren Training dann nur noch ein paar Gramm an Muskeln pro Jahr zu, und das kann sehr demotivierend sein, wenn sich beim Blick in den Spiegel nichts verändert. Aber man kann trotzdem weiter machen und Fortschritte erzielen. Wenn man jedoch die Vorteile und Risiken abwägt, muss die Antwort für jeden klar sein – der natürliche Weg ist besser.“ Ohne Doping muss man mehr auf Sehnen-, Muskel- oder Gelenkverletzungen durch Übertraining achten, mehr Regenerationstage einplanen, sich mehr auf Aufwärmübungen konzentrieren, und auch Massagen und in jedem Fall eine hochwertige Ernährung mit bewährten Nahrungsergänzungsmitteln sind von großer Bedeutung. Ein Sportler, der in der Erholungsphase eine Substanz zu sich nimmt, die dem Körper hilft, sich schnell zu regenerieren, muss sich vielleicht im Training nicht so oft einschränken.
Karol, der Steroide nimmt, sagt, dass er sich mit diesen Substanzen derzeit viel besser fühlt. „Klar achte ich auf meine Gesundheit, wenn ich diese Sachen nehme, und auch jetzt, wo ich Testo genommen habe. Ich entscheide mich für das, was natürlich und körpereigen ist, wie Testosteron eben und Wachstumshormone, die ich in therapeutischen Dosen nehme, so dass die Nebenwirkungen echt ganz gering sind. Ich lasse Hormon- und Bluttests machen. Ich fühle mich besser, erhole mich besser und schlafe besser. Wenn bei 40- oder 50‑jährigen der Testosteronspiegel langsam sinkt, dann bekommen sie therapeutische Dosen an Testosteron verschrieben. Ich habe nicht gewartet, bis ich zum Arzt muss, denn ich will mich einfach jetzt besser fühlen, obwohl ich noch nicht mal 30 bin. Wenn ich so viel Sport treibe, so viel arbeite, so viel Stress habe und so wenig schlafe, würde es mich umbringen, wenn ich das Testo nicht nehmen würde.“
Natural Bodybuilder Martin hingegen beschreibt die positiven Aspekte seines Weges zum natürlichen Maximum. Sein Lebensstil habe auch seine Familie und seine Freundin dazu inspiriert, gesünder zu leben. „Abgesehen von den offensichtlichen Dingen wie regelmäßigem Training, den Vorteilen von Krafttraining und gesunder Ernährung haben mir Verzicht und das Ertragen von gewissen Unannehmlichkeiten beim Training geholfen, diesen Ansatz auf andere Bereiche meines Lebens zu übertragen. In der Schule, bei der Arbeit, beim Investieren – überall konnte ich durch Verzicht, teilweises Aufschieben von Freuden und ständiges Verlassen der eigenen Komfortzone großartige Ergebnisse erzielen.“
Pulver, Testo, Wachstumshormone
Dass Steroide und Dopingsubstanzen kein Tabu oder eine Grauzone sind, sieht man schon daran, wie verbreitet die einschlägigen Mittelchen unter Sportler*innen sind. Das Paradoxe ist, dass viele Athlet*innen bereit zu sein scheinen, an den meisten Tagen des Jahres teilweise extrem strenge Diäten ohne ein Gramm Kohlenhydrate, zugesetzten Zucker oder Fett einzuhalten, aber die Steroide nehmen sie dann einfach ohne das zu hinterfragen von einem bekannten Fitnessexperten und interessieren sich dann auch nicht weiter für die Herkunft oder Zusammensetzung des Präparats. Ein gesundes Maß an Doping gibt es nämlich nicht, es birgt immer ein Gesundheitsrisiko. Natürlich gelten die niedrigeren und kontrollierten Dosen für eine Testosteronersatztherapie allgemein als sicher für Männer und Karol argumentiert, dass er nichts Extremes macht und auch nicht machen wird und mit den Nebenwirkungen klarkomme.„Nebenwirkungen habe ich bei mir nur bemerkt, als ich höhere Dosen Testosteron genommen habe. Ich habe mehr Wasser eingelagert und mein Blutdruck ist etwas gestiegen.“ Anabolika haben Auswirkungen auf den Körper, aber auch auf die Psyche. Kamila Chomaničová von der Slowakischen Anti-Doping-Agentur beschreibt, dass „sich die Veränderungen bei der Einnahme von Steroiden vor allem im Herz-Kreislauf-System, in der Leber oder im Fettstoffwechsel bemerkbar machen. Es kann auch zu Wassereinlagerungen im Gewebe, Gewichtszunahme und toxischen Leberschäden kommen“. Steroide werden oft mit Drogen verglichen, und bei längerem Gebrauch kann eine Person auch eine psychische Abhängigkeit, psychische Störungen oder sogar eine Psychose entwickeln. Die Pharmazeutin erklärt weiter, dass negative Auswirkungen nicht nur mit der Einnahme, sondern vor allem auch mit dem Absetzen dieser Substanzen verbunden sind, insbesondere zeige sich dies im Verhalten. „Die psychischen Nebenwirkungen von Anabolika betreffen vor allem Stimmungsschwankungen. Bei kurzzeitiger Einnahme können sie positive Wirkungen wie erhöhte Motivation und Euphorie, aber auch negative Wirkungen wie Reizbarkeit, Aggressivität, emotionale Instabilität, Depressionen und Gewaltbereitschaft haben“.
Karol beobachtet diese negativen Auswirkungen natürlich auch bei sich selbst. „Nachdem man es abgesetzt hat, nach der Wettkampfvorbereitung, tut einem alles weh, man kommt nicht klar, man erholt sich nicht und die Muskeln sind nicht so definiert und hart. Aber das kann man in den Griff bekommen und regulieren. Aber es hat mich definitiv verändert. Wenn erst einmal alles besser funktioniert hat, dann reicht es dir nicht mehr aus, wenn dein Körper normal ist. Ich meine ja nicht die extra hohe Dosis, sondern eine therapeutische Dosis, 250 Milligramm Testo pro Woche. Dann funktioniert bei mir alles völlig anders, mein Sexualleben, die Regeneration, der Schlaf, meine Leistungsfähigkeit, die Wundheilung, Verdauung, einfach alles.“
Natürlich ist es schwer, sich an den neuen Zustand zu gewöhnen, egal ob es sich um die Muskelmasse, die körperliche Form oder um kurzfristige positive Effekte handelt. Die Pharmazeutin fügt hinzu, welche Zustände ein Mensch durchmachen kann, wenn er die Einnahme dieser Substanzen beendet. „Beim Absetzen von Anabolika kann es zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Schüttelfrost, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen.“ Solche Erscheinungen will natürlich jeder unbedingt vermeiden. Es gibt aber keine sichere Dosis von Steroiden, da jeder Körper einen natürlichen Spiegel an anabolen Hormonen hat. „Daher kann man unmöglich bestimmen, welche spezifische Dosis von Anabolika die sportliche Leistung eines bestimmten Athleten verbessern würde, ohne ein Gesundheitsrisiko darzustellen", so Chomaničová abschließend.
April 2024