Ökologische Bestattungen  Für eine gesunde Kultur des Abschiednehmens

Auf dem Naturfriedhof im Wald der Erinnerungen gibt es anstelle von klassischen Grabsteinen nur Gedenkschilder aus Holz, die an den Bäumen angebracht sind. Auf ihnen ist der Name der Person vermerkt, deren Asche an den Wurzeln des jeweiligen Baumes beigesetzt wurde. So kann das ursprüngliche Landschaftsbild erhalten bleiben.
Auf dem Naturfriedhof im Wald der Erinnerungen gibt es anstelle von klassischen Grabsteinen nur Gedenkschilder aus Holz, die an den Bäumen angebracht sind. Auf ihnen ist der Name der Person vermerkt, deren Asche an den Wurzeln des jeweiligen Baumes beigesetzt wurde. So kann das ursprüngliche Landschaftsbild erhalten bleiben. Foto: © Ester Dobiášová

Sich ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst zu sein, lässt Ivka Hasová Demut und Dankbarkeit erleben. Im Gegensatz zum Großteil der Gesellschaft hat sie vor diesem Thema keine Angst. Im Gegenteil: Als Bestatterin und Mitglied des Vereins Ke kořenům, der den Gedanken von Naturbestattungen in Tschechien bekanntgemacht hat, begleitet Ivka Hinterbliebene mit individuellen und sinnvollen Zeremonien für den letzten Abschied. Ester Dobiášová sprach mit ihr unter anderem über den ökologischen Aspekt von Bestattungen – und warum die tschechische Gesetzgebung diesbezüglich unzureichend ist.

Ivka, wann hast du das erste Mal vom Konzept der Naturbestattung erfahren?

Das war schon während meines Studiums der Umweltwissenschaften im Jahr 2014, dank der Organisation Ke kořenům. Das Öko-Bestatterinnentrio Blanka Javorová, Alžběta Slavík Živá und Monika Suchánská habe ich damals als Studentin sogar mit einer kleinen Spende auf der Crowdfunding-Plattforum Hithit unterstützt. Dafür habe ich eine wunderschöne Dankespostkarte bekommen, die den Wald der Erinnerungen zeigt, den ersten Naturfriedhof in ganz Tschechien. Die Postkarte habe ich bis heute.

Auch ich habe in einer Vorlesung von Blanka Javorová, die damals noch Dobešová hieß, zum ersten Mal an der Fakultät für Umweltwissenschaften von Naturbestattungen gehört. Du bist dann Bestatterin geworden. Wie kam es dazu?

Ich bin schon als Kind gern auf Friedhöfe gegangen. Ich mochte die Ruhe und bin dort gern spazieren gegangen oder habe gelesen. Ich mag tiefgründige Gespräche über ungewöhnliche Themen, und weil ich es liebe, unsere Innenwelten und unser Erleben von Dingen zu ergründen, habe ich an verschiedenen Kursen teilgenommen. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation hat mich zum Beispiel sehr geprägt, auch darin, wie ich für andere und mich selbst ein besserer Mensch sein kann.

Das Bestattungswesen hat mich interessiert wegen der Leute, die es betreiben. Bestatter*innen und auch die Palliativmediziner*innen sind oft inspirierende Persönlichkeiten, denen der Kontakt mit unserer Sterblichkeit eine tiefe Weisheit gebracht hat, die mich sehr ansprach.

Ich habe dann Kateřina Grofová kennengelernt, die für ihre Initiative Na konci dechu (etwa: Am Ende des Atems) Stephen Jenkinson nach Tschechien geholt hatte, der in Brno ein Seminar zum Thema „Weises Leben, weises Sterben“ hielt. Kateřina wurde seitdem zu meiner Lehrerin, auch wenn sie das selber vielleicht gar nicht so gern hört [lacht]. Sie ist Mitglied von Ke kořenům und über sie habe auch ich die Möglichkeit bekommen, dazuzustoßen und in Brno und Umgebung aktiv zu sein. Heute bin ich stolzes Mitglied der Organisation. Ich bin sehr froh, dass ich auf diesem Feld tätig sein kann, das in Tschechien überhaupt erst dank Ke kořenům entstanden ist. Es freut mich, dass wir gemeinsam eine gesunde Kultur des Abschiednehmens schaffen.
 
Ivka Hasová

Ivka Hasová | Foto © Jana Bergerová

Muss man denn keinen Kurs oder eine Schulung absolvieren, durch die man auf das Amt im Bestattungswesen vorbereitet wird?

Wenn jemand diese Richtung einschlagen möchte, dann kann ich den viertägigen Kurs zur Trauerbegleitung von Ke kořenům wärmstens empfehlen. In der Schulung werden Kenntnisse über Bestattungen vermittelt, zudem sammelt man Praxiserfahrung. Bei diesem Dienst am Menschen ist es nämlich unabdingbar, neben der Theorie auch seine eigene Beziehung zum Tod erforscht zu haben. Nur so können wir Hinterbliebene wirklich unterstützen und ihnen auf dem Weg der Trauer Halt geben.

Sehr zu empfehlen ist auch unsere australische Mentorin Zenith Virago. Sie organisiert das Trainingsprogramm Deathwalker und ist damit ab und zu auch in Europa unterwegs. Im Oktober dieses Jahres findet ihr Kurs in Bratislava statt. Dahin eingeladen wurde sie von unserer slowakischen Partnerorganisation Funebra.

Von offizieller Seite gibt es verschiede Weiterbildungen für Hinterbliebenenberater*innen. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich die Kurse der Organisation Cesta domů (Der Weg nach Hause) empfehlen.

Im September vergangenen Jahres hast du mit deinen feinfühligen Ratschlägen geholfen, die Beisetzung für meinen guten Freund und Kollegen Jirka zu gestalten. Gemeinsam mit seinen Freund*innen haben wir ein Feuer in seinem geliebten Kirschbaumgarten entzündet. Wir haben seinen Holunderblütensirup getrunken und seine Schlehenmarmelade gegessen. Wir haben Nachrichten auf Zettel geschrieben, mit Dingen, die wir vergessen oder nicht mehr geschafft haben zu sagen oder die uns einfach bewegen, und diese Zettel haben wir im Feuer verbrannt. Es wurde auch auf der Geige gespielt. Für mich und ich denke auch für alle anderen war das ein schönes Erlebnis. Gerade die Beratungsgespräche mit den Hinterbliebenen sind ein wichtiger Teil deiner Arbeit. Was zählt sonst noch zu deinen Aufgaben als Bestatterin?

Ich stelle oft fest, dass wir für die Hinterbliebenen eine Art Insel sind, an der sie in diesem aufbrausenden Meer aus Emotionen kurz Halt machen können, damit wir gemeinsam einen Weg finden, das einzigartige Leben des verstorbenen Menschen zu würdigen.

Mitunter reichen die Gespräche schon aus, so wie das auch im Fall deines Freundes Jirka war. Die Hinterbliebenen bekommen von uns Informationen, Inspiration und Unterstützung, sodass sie das Abschiednehmen selbst in die Hand nehmen können.

Wir bieten aber auch die Durchführung von kompletten Trauerfeiern an, die dann auf Grundlage der Wünsche der verstorbenen Person und der Hinterbliebenen gestaltet werden. Als Bestatterin führe auch ich die Beerdigungszeremonie durch. Die Trauergäste können sich daran beteiligen, damit sich alle so verabschieden können, wie sie es individuell benötigen. Manchen wollen nämlich vielleicht nicht nur Ehre und Liebe zum Ausdruck bringen, sondern möchten der verstorbenen Person womöglich auch für etwas danken, ihm oder ihr vergeben oder selbst um Verzeihung bitten.

Für uns bei Ke kořenům ist die Aufklärung ganz wichtig. Das heißt, dass die Menschen noch bevor das Thema Tod für sie aktuell ist, von ihren Möglichkeiten und Rechten erfahren sollen. Ausreichend Informationen und Inspiration zu haben, ermöglicht nämlich eine stärkere innere Stütze dafür, was man sich wirklich wünscht. Wir halten deshalb Vorträge und bieten Kurse an. Und bei unseren Treffen, den sogenannten Gesprächen über den Tod (Smrťácké rozhovory), reden wir über das Leben und das Sterben. Wir besuchen gern regionale Gemeinschaften und Gemeinden, die uns einladen, um Vorträge zu halten. Das ist dann oft der erste Schritt zu umweltfreundlicheren Beisetzungsformen an dem jeweiligen Ort.

Vermutlich unterscheiden sich die einzelnen Beerdigungen auch je nach dem Charakter der jeweiligen Bestatterin, oder?

Absolut. Als ich bei unterschiedlichen Beisetzungen assistiert habe, habe ich festgestellt, dass jede Bestatterin auch etwas von sich selbst hineingibt. Wir wollen alle bei der Zeremonie voll anwesend sein, ruhig und in unserer Mitte. Weil wir aber in den Prozess der Beerdigung vertrauen, lassen wir auch zu, dass wir eben wir selbst sind, und finden es in Ordnung, unsere persönlichen Begabungen einzubringen. Jede von uns ist anders. In meinen Augen zeichnet sich die eine Kollegin etwa durch ihre Ruhe aus, die andere durch ihre Feinfühligkeit, die dritte durch ihre Spontanität und wieder eine andere durch die weise Tiefgründigkeit in ihrer Stimme.

Und auch deshalb bin ich so verliebt in die Naturbestattungen. Bei diesem Dienst verfestigen sich in mir Qualitäten, die mich auch in meinem Privatleben weiterbringen und einen besseren Menschen aus mir machen. Ich kann so für mich selbst und die Menschen in meinem Umfeld noch wertvoller werden.

Gab es eine Begebenheit während einer Beisetzung, die dein Leben oder deine Wahrnehmung von Sterblichkeit nachhaltig geprägt hat?

Auf jeden Fall. Jede einzelne Familie zu begleiten, ist für mich ein Geschenk, das ich auch in mein Privatleben mitnehme. Dem Thema der Endlichkeit so nah zu sein, erfüllt mich mit Demut, Dankbarkeit und macht mir klar, was in meinem Leben wirklich wichtig ist, wohinein ich meine Aufmerksamkeit und Energie investieren will.

Bei den Trauerfeiern bin ich einem zeitlosen Raum, in dem die Hinterbliebenen und ich uns gemeinsam sozusagen dem anderen Ufer annähern… Und wenn ich dann nach der Beisetzung nach Hause komme, bin ich erfüllt von Dankbarkeit dafür, dass ich zu meinem Mann fahre, der lebt. Ich verspüre Dankbarkeit dafür, dass ich tanzen kann, mich mit meinen Freunden und Verwandten treffen oder in den Bergen wandern. Denn ich weiß, dass ich all das irgendwann nicht mehr tun kann.
 

Beerdigungen sind oft sehr emotional. Wie behältst du dein emotionales Gleichgewicht?

Ja, es gibt da schon starke Emotionen – und sie sind auch erwünscht. Wir unterstützten die Hinterbliebenen dabei, zuzulassen zu weinen und die ganze Last abzuwerfen. Denn das kann helfen, den großen Verlust zu verarbeiten.

Was mein persönliches Gleichgewicht angeht, hat sich für mich bewährt, nach einer Beisetzung einen Tag nur für mich zu haben. Ich gehe dann etwa in den Wald spazieren. Es hilft mir auch, jeden Tag in den kalten Fluss zu springen, der nur ein paar Schritte von unserem Haus entfernt fließt. Wasser ist ein Element, das viel Unterstützung bietet. Es hilft mir, loszulassen, was ich nicht mehr halten will oder muss. Es wäscht all das weg, was nicht meins ist, etwa die Emotionen der anderen von der Beisetzung. Außerdem fühle ich mich nach dem Eisbaden wirklich aufgeweckt und lebendig.

Beobachtet ihr bei Ke kořenům in den letzten Jahren einen Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Tod und Naturbestattungen?

Und wie! Es freut uns sehr, dass es in der Gesellschaft ein steigendes Interesse danach gibt, sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen und auch dem eigenen Verhältnis dazu auf den Grund zu gehen.

Dieses Interesse zeigt sich etwa in der gestiegenen Nachfrage nach unserem Kurs zur Trauerbegleitung, den wir deshalb nun zweimal im Jahr anbieten. Zudem gibt es immer mehr Initiativen, Vereine und Naturfriedhöfe. Im ganzen Land werden in verschiedenen Städten Festivals zum Thema Tod abgehalten, es entstehen Podcasts und auch das Interesse an unseren Dienstleistungen wächst.

All das ist im Grunde genommen kein Wunder. Denn klassische Beisetzungen, bei denen die Trauerredner*innen vorgefertigte Texte vorlesen, tragen nicht zu einem guten Abschied bei. Dass es eine steigende Nachfrage nach Unterstützung für Sterbende und deren Angehörige gibt, zeigt auch die Palliativmedizin – ein Bereich, der in Tschechien Jahr für Jahr wächst.

Gleichzeitig bin ich mir aber dessen bewusst, dass ich schon auch in einer gewissen Blase lebe und das Thema Tod in der Mehrheitsgesellschaft deshalb immer noch tabu sein kann.

In eurem Team arbeiten nur Frauen. Und als wir uns zuletzt beim regelmäßigen Treffen im Rahmen der Gespräche über den Tod gesehen haben, waren in dem vollen Raum nur zwei Männer. Ist das Interesse von Männern am Tod geringer? Oder gibt es hierfür eine andere Erklärung?

Tatsächlich spricht der Bereich Naturbestattung eher Frauen an. Ich denke, es ist ganz richtig, danach zu fragen, warum das so ist. Leider kann ich aber nicht wirklich antworten, das ist eher eine Frage an die Soziolog*innen. In jedem Fall möchte ich gern auch Männer ermutigen, sich zu engagieren, wenn sie damit liebäugeln, selbst im Bereich Naturbestattung tätig zu sein.

In der Diplomarbeit von Blanka Javorová kann man lesen, dass sich Menschen oft für eine Naturbestattung entscheiden, weil ihnen die Vorstellung gefällt, dass am Ort der Beisetzung ein Baum wächst. Ihr zufolge verbindet sich dadurch die innere Welt der Hinterbliebenen und ihre Trauer mit dem lebenden, physischen Baum. Die Jahresringe zeigen zudem die Zeit an, die seit dem Tod der Angehörigen vergangen ist. Was ist deiner Erfahrung nach der Hauptgrund, weshalb Menschen eine Naturbestattung wählen?

Die Hinterbliebenen wenden sich mit verschiedenen Wünschen an uns. Oft hören wir, dass sie keine klassische Zeremonie in einer Trauerhalle möchten, weil sie diese als kalt und leer empfinden. Von einem Menschen, den sie ihr ganzes Leben lang gekannt haben, möchten sie sich zudem nicht innerhalb von zwanzig Minuten verabschieden. Die Hinterbliebenen kommen zu uns, weil sie wissen, was sie nicht wollen, sie suchen aber noch danach, wie sie sich eigentlich wirklich verabschieden wollen. Gemeinsam gestalten wir dann das Konzept für die Beisetzung auf Grundlage der Wünsche des verstorbenen Menschen und der Hinterbliebenen.

Es melden sich aber auch Familien bei uns, die bereits eine sehr genaue Vorstellung davon haben, wie die Beisetzung aussehen soll. Oft benötigen sie aber Unterstützung und wollten sicher gehen, dass ihre Idee im Rahmen des gesetzlich Erlaubten liegt.

Manche Familien erzählen uns, dass der oder die Tote sehr naturverbunden war. Dass er oder sie nun bei den Wurzeln eines Baumes oder in einem Blumenbeet bestattet wird, kann für die Hinterbliebenen ein schöner Gedanke sein, denn vielleicht ist auch die verstorbene Person an dieser letzten Ruhestätte entlanggewandert und hat dort Halt gemacht.

Ganz persönlich empfinde ich, dass mich die Natur in schweren Zeiten immer in den Arm nimmt. Wenn es mir nicht gut geht, gehe ich spazieren und die Natur ist mir eine Stütze. Ich stelle das auch bei den Beisetzungen fest. Die Natur bietet den Hinterbliebenen Halt in ihrem Trauerprozess.

Einer der Gründe kann auch der Umweltschutz sein. Inwiefern ist eine Naturbestattung umweltfreundlicher als eine normale?

Den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, ist einer der Kerngedanken der Naturbestattung. Bei der Auswahl einer Urne oder eines Sarges empfehlen wir deshalb, sich für zersetzbare Materialien zu entscheiden, die die Umwelt nicht belasten und lokal hergestellt werden.

In den Gesprächen mit den Angehörigen regen wir auch dazu an, Blumenschmuck und Trauerkränze, die oft an Ringen aus Kunststoff befestigt werden, kritisch zu hinterfragen. Diese Dekoration landet nach dem Begräbnis oftmals im Container und zudem muss die Familie dafür ziemlich viel Geld auf den Tisch legen. Bei der Naturbestattung regen wir die Hinterbliebenen deshalb dazu an, sich auch in die Ausgestaltung der Trauerfeier einzubringen, indem sie selbst einen Strauß mit Blumen aus der freien Natur binden und diesen ohne Schleifen aus Kunststoff zum Begräbnis mitbringen. Einen Blumenstrauß zusammenzustellen kann nämlich auch ein heilender Prozess sein. Wenn sich die Familie aber einen größeren Blumenschmuck wünscht, können wir sie mit ökologischen Florist*innen in Verbindung setzen.

Wenn wir schon über den Umweltschutz im Bestattungswesen sprechen: In letzter Zeit wird immer öfter darüber diskutiert, wie mit dem toten Körper umgegangen werden soll. Feuerbestattungen sind in Tschechien weit verbreitet, dabei wird aber eine Menge CO₂ und Quecksilber freigegeben und es entstehen auch weitere giftige Stoffe. Die ökologische Alternative ist die sogenannte Reerdigung. Dabei kommt es zu keinerlei toxischen Verbindungen. Der Leichnam wird natürlich zersetzt und verwandelt sich in nährstoffreichen Kompost. Dieser kann dann in die Erde gegeben werden, die durch die Nährstoffe angereichert wird. Dieses Verfahren wartet in Tschechien allerdings noch auf die gesetzliche Genehmigung. In anderen Ländern Europas ist es bereits erlaubt. Das erste derartige europäische Projekt überhaupt kam von der deutschen Firma Meine Erde.

Das umweltfreundlichste Verfahren, das bisher in Tschechien möglich ist, ist den Leichnam auf dem Wiesenfriedhof in Prag beizusetzen. Dies ist bisher der einzige Naturfriedhof hierzulande, auf dem Körper beigesetzt werden dürfen, die nicht eingeäschert wurden.
 
„Während einer Beisetzung im Herbst haben wir zum Beispiel Tulpenzwiebeln eingepflanzt. Das Pflanzen ist für mich sehr symbolisch aufgeladen. Denn durch die Hinterbliebenen kann das, was sie an dem oder der Verstorbenen geliebt haben, weiterleben – und aufblühen so wie Tulpen im Frühling. Durch die Hinterbliebenen kann also die Liebe der Verstorbenen wachsen.“

„Während einer Beisetzung im Herbst haben wir zum Beispiel Tulpenzwiebeln eingepflanzt. Das Pflanzen ist für mich sehr symbolisch aufgeladen. Denn durch die Hinterbliebenen kann das, was sie an dem oder der Verstorbenen geliebt haben, weiterleben – und aufblühen so wie Tulpen im Frühling. Durch die Hinterbliebenen kann also die Liebe der Verstorbenen wachsen.“ | Foto: © Ester Dobiášová

Der Wald der Erinnerungen im Prager Stadtteil Ďáblice war der erste Naturfriedhof in Tschechien. Auf ihn folgten das Tal der Erinnerungen in Brno-Líšeň und zuletzt der Wiesenfriedhof in Prag, auf dem Leichname auch ohne Feuerbestattung beerdigt werden dürfen. In Planung ist nun auch der Naturfriedhof Vzpomínky pod Lysou (Erinnerungen unter dem Kahlberg) in den Mährisch-Schlesischen Beskiden. In Großbritannien, der Wiege der Naturfriedhöfe, gibt es mehr als 270 entsprechende Begräbnisplätze. Können die angebotenen Friedhöfe und Dienstleistungen in Tschechien überhaupt die Nachfrage decken?

Das ist eine sehr gute Frage. Wir können quer durch die Generationen hinweg ein steigendes Interesse feststellen. Ich muss hier allerdings ein wenig ausholen.

An Beisetzungen im Wald der Erinnerungen in Prag gibt es eine sehr große Nachfrage. Das hängt auch mit der großen Unterstützung vonseiten des Betreibers, der Prager Friedhofs- und Beerdigungsverwaltung, zusammen. Sie informiert regelmäßig über diese Möglichkeit der Bestattung und ruft auch daran anknüpfende Projekte ins Leben. Im Falle des Naturfriedhofs in Brno muss man aber lange nach einer entsprechenden Erwähnung auf der Webseite der Friedhofsverwaltung suchen. An dem Ort, an dem es die Hinterbliebenen also am meisten erwarten würden, erfahren sie nichts über diese Form der Beisetzung. In der Folge ist das Interesse an diesem Friedhof natürlich nicht sonderlich groß. Die Friedhofsverwaltung von Brno legt deshalb alle Beisetzungen und Trauerfeiern im Tal der Erinnerungen auf nur einen einzigen Arbeitstag im Monat. Wenn sich also einmal Interessenten finden, haben sie kaum Möglichkeiten, einen Termin zu bekommen, an dem auch viele aus der Familie Zeit haben. Wir finden das sehr schade, denn dieser Friedhof ist ein schöner Ort und wir denken, dass er viele Menschen ansprechen könnte, die naturverbunden sind und umweltbewusst leben.

Unser Wunsch für die Zukunft ist, dass es mindestens einen Naturfriedhof in jedem Kreis Tschechiens gibt – idealerweise in jedem Bezirk. Und die Leute sollten von dieser Möglichkeit wissen und so den idealen Ort für die Erfüllung ihrer Wünsche auswählen können.

Lässt die Gesetzeslage in Tschechien in Sachen Naturbestattung viel zu?

Die Gesetze ermöglichen derzeit lediglich die Feuerbestattung oder die Beisetzung des Leichnams in einem Sarg in ein Grab, das sich auf einem Friedhof befinden muss. Diese beiden Formen sind aber aus Sicht der Umwelt nicht gerade ideal.

Die Hinterbliebenen sind oft froh, dass die Asche fast überall beigesetzt werden kann, sofern eine Zustimmung des Grundstückseigentümers oder der -eigentümerin vorliegt. Die Asche kann dadurch auch in der Natur oder im Garten der Familie beerdigt werden, etwa mit der zeitgleichen Pflanzung eines Baumes.

Die Vorbilder aus dem Ausland geben uns Hoffnung, dass es mit der Zeit auch hierzulande nachhaltigere Beisetzungsmethoden geben wird und auch mehr Möglichkeiten, wo der Leichnam bestattet werden darf. Die Reerdigung, die ich bereits erwähnt habe, versucht hierzulande der Verein Poslední stopa (Letzte Spur) voranzubringen, an dessen Spitze Adam Vokáč steht, der auch den Wiesenfriedhof in Prag verwaltet.

Nur am Rande sei erwähnt, dass es in Teilen der USA möglich ist, Verstorbene in sogenannten conservation burial grounds beizusetzen. Es handelt sich dabei um frei zugängliche Naturschutzgebiete, einen Status, durch den sie auch vor Bebauung geschützt werden. Ich finde es wirklich bereichernd, ins Ausland zu schauen, was alles möglich ist. Und ich hoffe, dass sich auch unsere Rechtsprechung bald öffnet für nachhaltigere Bestattungsvarianten, damit alle frei das wählen können, was ihnen zusagt.

Iva, du wünscht dir, dass wir dem auf den Grund gehen, was (nicht nur) unser letzter Wille ist und dabei mutig sind. Wie sollen wir damit anfangen?

Dieser Wunsch, sich mutig etwas zu wünschen, stammt aus dem Buch 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen (The Top Five Regrets of the Dying) von Bronnie Ware. Der Autorin zufolge bereuen Sterbende zumeist, dass sie nicht den Mut hatten, so zu leben, wie sie es wirklich wollten – dass sie sich eher danach gerichtet haben, was andere von ihnen erwartet haben und dass sie sich deshalb viele ihrer Wünsche nicht erfüllt haben. Wenn euch dieser Gedanke packt, dann nehmt ihn mit auf einen Spaziergang und dann werdet ihr sehen, was passiert.

Perspectives_Logo Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

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