Greenwashing in Ungarn  Toxische Belastung durch Fabriken für Elektroauto-Batterien

Die Proteste gegen die Fabriken begannen in der Stadt Göd, wo das südkoreanische Unternehmen Samsung seit 2017 Batterien für Elektroautos herstellt.
Die Proteste gegen die Fabriken begannen in der Stadt Göd, wo das südkoreanische Unternehmen Samsung seit 2017 Batterien für Elektroautos herstellt. Foto: © Tamás Farbaky

Mit der grünen Transformation und der Abkehr von fossilen Brennstoffen steigt die Nachfrage nach Lithium und Elektrofahrzeugen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán möchte sein Land zum führenden Produzenten von Batterien für Elektroautos in Europa machen. Seine Pläne stoßen bei Anwohner*innen auf Widerstand. Wir wollten vor Ort herausfinden, warum die Menschen in Ungarn gegen die Fabriken protestieren. Ihre persönlichen Erfahrungen verweisen auf die Schattenseiten der gegenwärtigen Grünen Transformation und neue Formen des Greenwashings, die heute immer üblicher werden.

„Das hier ist nur der erste von drei Teilen der CATL-Fabrik“, zeigt mir Éva Kozma von der Vereinigung Mütter von Mikepércs für die Umwelt (Mikepércsi Anyák a Környezetért Egyesület - MIAKÖ) das riesige Industriegebiet am Rande von Debrecen, Ungarns zweitgrößter Stadt. Der führende chinesische Batteriehersteller CATL baut derzeit die größte Fabrik für Elektroauto-Batterien in Europa. Debrecen wird damit allmählich zum führenden europäischen Zentrum für die Produktion von Batterien für Elektrofahrzeuge. Auch der deutsche Automobilhersteller BMW und mehrere weitere chinesische und südkoreanische Unternehmen verlagern ihre Produktion hierher.

„Derzeit wissen wir von mindestens sieben Batteriefabriken, die allein in der Region Debrecen gebaut werden“, sagt Éva Kozma. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein chinesisches Unternehmen namens SEMCORP in Betrieb, und schon bei dieser einen Fabrik beobachten wir bereits eine über dem Grenzwert liegende Luftverschmutzung“, fährt sie fort, während mir ein anderes Mitglied der Vereinigung, Veronika Csuvarszki, auf ihrem Handy eine Grafik von der gemessenen Verschmutzung zeigt. Um den Zugang zu unabhängigen Daten zu gewährleisten, haben die MIAKÖ-Mitglieder beschlossen, die Luftqualität in der Nähe der Fabriken mit einem eigenen Messsystem zu überwachen. Sie sagen, dass sie der Regierung in dieser Hinsicht nicht vertrauen können.

„Heute zieht der Rauch in Richtung Mikepércs“, kommentiert Éva, als wir an den Schornsteinen der SEMCORP-Fabrik vorbeikommen. Vor den Toren weht die Flagge der Volksrepublik China neben den Flaggen von Ungarn und der Europäischen Union. Auf der einen Seite, hinter den Fabriken, können wir die beiden Türme einer Kirche von Debrecen sehen. Auf der anderen Seite ragt der Kirchturm von Mikepércs hervor. Das ist das Dorf, aus dem Éva stammt, und in dem sie sich mit anderen Eltern im Kampf gegen den Bau der Fabriken zusammengeschlossen hat.

Wir leiden regelmäßig unter Dürreperioden im Sommer, so dass wir schon jetzt mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, und wegen der Fabriken wird es nicht genug Wasser für die Bevölkerung geben.“

Rundherum erstrecken sich Felder. Die Fabriken werden hier auf der grünen Wiese gebaut und belegen einige der fruchtbarsten Ackerflächen in Ungarn. Die Anwohner*innen befürchten, dass der Boden und das Wasser in der Umgebung mit Schadstoffen verseucht werden könnten. Ihre Bedenken werden durch die Tatsache verstärkt, dass es in anderen Batteriefabriken in Ungarn bereits mehrfach zu Giftaustritten gekommen ist. Investigative Journalist*innen der Zeitung Átlátszó haben sogar geheime Lagerhäuser entdeckt, in denen defekte Batterien und andere gefährliche Abfälle aus den Fabriken illegal gelagert wurden.

Die Jagd nach wirtschaftlichem Profit

Ein weiteres Problem ist der hohe Wasser- und Energiebedarf der Batterieproduktion. „Wir leiden regelmäßig unter Dürreperioden im Sommer, so dass wir schon jetzt mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, und wegen der Fabriken wird es nicht genug Wasser für die Bevölkerung geben“, erklärt Éva Kozma. Man geht davon aus, dass der Verbrauch der Fabriken den täglichen Gesamtwasserverbrauch von ganz Debrecen übersteigen wird. Ihr Energieverbrauch, so Kritiker*innen, verstärkt die Abhängigkeit Ungarns von russischem Gas, da Ungarn nicht über genügend eigene Energieressourcen verfügt. 

Fabriken hauptsächlich chinesischer und südkoreanischer Batteriehersteller sind über ganz Ungarn verteilt, und es werden ständig weitere gebaut. Viktor Orbáns Ziel ist es, Ungarn zum drittgrößten Batteriehersteller der Welt zu machen. Kritiker*innen zufolge kommen die Unternehmen vor allem wegen der schnellen Lizenzvergabe nach Ungarn – und um von der nachlässigen Durchsetzung von Umwelt- und Sicherheitsmaßnahmen durch die ungarische Regierung zu profitieren.

„Wir können den Behörden nicht trauen. Die Regierung steckt mit den Fabriken unter einer Decke“, sagt Éva Kozma entschieden. Sie bezieht sich damit auch auf die langjährigen Erfahrungen der Einwohner*innen von Göd, mit denen sie wegen der Proteste gegen die Fabriken in Kontakt steht. In Göd, einer Kleinstadt am Donauufer, produziert das südkoreanische Unternehmen Samsung seit 2017 Batterien für Elektroautos. Die Anwohner*innen beschweren sich seit Jahren über unerträglichen Lärm und Verschmutzung.

Wir können den Behörden nicht trauen. Die Regierung steckt mit den Fabriken unter einer Decke.“

Eine unabhängige Analyse der örtlichen Bürger*innenvereinigung Göd-Ért ermittelte sogar das Vorhandensein von Lithium und des giftigen Stoffes NMP (N-Methyl-2-Pyrrolidon) in den Brunnen rund um die Fabrik. Dieser Stoff, der bei der Batterieherstellung verwendet wird, verursacht bei Kontakt mit den Augen und der Haut schwere Reizungen und kann zu Atemwegsbeschwerden führen. Außerdem kann der Fötus schwere Schäden davontragen, wenn schwangere Frauen in Kontakt mit dieser Substanz kommen. Die Behörden haben die Angelegenheit jedoch noch immer nicht angemessen untersucht. Die Regierung hat sogar zugelassen, dass die Samsung-Fabrik jahrelang ohne eine Umweltverträglichkeitsprüfung betrieben wurde.

Genau dort, in der kleinen Stadt Göd, begann vor Jahren der Widerstand gegen die Batteriefabriken. Die Fabrik von Samsung SDI steht hier nur fünfzig Meter von den Wohnhäusern entfernt, obwohl dort mit äußerst gefährlichen Substanzen gearbeitet wird. An vielen Häusern hängen Schilder mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ – einige davon auf Koreanisch. Den Anwohner*innen gelingt es wegen des Lärms und der Verschmutzung durch die Fabrik nicht, ihre Häuser zu verkaufen. Sie hoffen, dass zumindest einige der Fabrikarbeiter*innen selbst Interesse zeigen. In der Nähe der Fabrik gibt es auch einen Spielplatz, ein Feld mit archäologischen Überresten eines alten römischen Forts und ein Schutzgebiet des Natura 2000-Systems. Nach Ansicht von Mitgliedern der lokalen Umweltvereinigung hat die Regierung hier das kulturelle Erbe und die Biodiversität für die Aussicht auf wirtschaftlichen Gewinn geopfert. 
 

Tonnen von Sondermüll

Wir treffen die Investigativjournalistin der Tageszeitung Átlátszó, Zsuzsa Bodnár, in Göd. Nur wenige Tage zuvor hatte sie aufgedeckt, dass eine Samsung-Fabrik im Jahr 2021 mehr als 80 Tonnen der giftigen Substanz NMP in die Luft abgelassen hat. „Sie haben lange Zeit versucht, die Daten geheim zu halten. Es sind wirklich erschreckende Zahlen“, sagt sie. In den letzten Jahren hat sie nicht nur zahlreiche Fälle von Umweltverschmutzung aufgedeckt, sondern auch, dass Arbeiter*innen in mehreren Fabriken krebserregenden Stoffen über den erlaubten Grenzwerten ausgesetzt waren und Schwermetalle in ihren Körpern gefunden wurden. „Es ist ziemlich schwierig, an die Daten heranzukommen. Die Fabriken versuchen, sie geheim zu halten und behaupten, es handele sich um Betriebsgeheimnisse“, sagt die Journalistin.

In den Fabriken des koreanischen Unternehmens SungEel, das sich auf das Recycling von Lithiumbatterien spezialisiert hat, ermittelte die Journalistin eine Nickelkonzentration in der Luft, die den Sicherheitsgrenzwert um das Zweitausendfache überstieg. Zwei Recyclingfabriken der Firma in Ungarn mussten schließlich geschlossen werden, weil bei Explosionen zwei Arbeiter*innen getötet und mehrere verletzt wurden. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden der unerlaubte Umgang mit Sondermüll und die Verschmutzung von Wasser und Boden festgestellt. 

Das Recycling von Batterien wird oft als Schlüssel zum Erfolg der grünen Transformation und zur Verringerung der Nachfrage nach Primärressourcen angeführt. Derzeit ist die Rate des Recyclings und der Wiederverwendung von Batteriemetallen jedoch extrem niedrig: weniger als ein Prozent des Lithiums wird recycelt. Der chemisch aufwendige und gefährliche Prozess des Recyclings von Lithiumbatterien hat negative Auswirkungen auf die Umwelt, ebenso wie die Produktion dieser Batterien. Berichte über Unfälle und Umweltverschmutzung in ungarischen Recycling-Fabriken sind daher ein weiterer besorgniserregender Faktor, wenn es um Elektromobilität und grüne Transformation geht.

Samsung prahlt mit der erstklassigen Technologie, die sie verwenden, und damit, wie sehr sie sich um den Umweltschutz kümmern. Aber wir haben ganz andere Erfahrungen gemacht.“

„Hier stapeln sich tonnenweise Abfälle in Form von unbrauchbaren Batterien aus den Fabriken. Sie wissen nicht, was sie damit machen sollen. Heute haben wir erfahren, dass diese Recycling-Fabriken wahrscheinlich wieder in Betrieb genommen werden“, sagt eine besorgte Andrea Szaszkó, die zusammen mit Zsuzsa Bodnár den Vorsitz der örtlichen Umweltvereinigung Göd-Ért innehat. „Samsung prahlt mit der erstklassigen Technologie, die sie verwenden, und damit, wie sehr sie sich um den Umweltschutz kümmern. Aber wir haben ganz andere Erfahrungen gemacht. Die Fabriken hier können die Umwelt so stark verschmutzen, wie es ihnen gefällt“, meint sie. Kritiker*innen sagen, dass die Geldstrafen, die die Fabriken von Zeit zu Zeit erhalten, im Vergleich zu den Gewinnen der Unternehmen unbedeutend sind. Die Regierung tut also faktisch nicht genug gegen die steigende Verschmutzung. So wurden die Anwohner*innen in Göd Ende Februar 2024 Zeug*innen eines weiteren Unfalls, als das Abwasser der Fabrik ein benachbartes Feld mit dem giftigen Stoff NMP verseuchte.
 

„Grüne“ Rohstoffgewinnung gibt es nicht 

Batterien für Elektrofahrzeuge sollen ein Schlüsselelement der grünen Transformation und des Übergangs von fossilen Brennstoffen zu so genannter sauberer Energie sein. Doch die Erfahrungen der Anwohner*innen, die in der Nähe dieser Fabriken leben, sind weder besonders grün noch sauber. Die Einwohner*innen Ungarns sind bei weitem nicht die einzigen in Europa, die gegen Projekte im Zusammenhang mit der Produktion von Batterien für Elektroautos protestieren. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach so genannten kritischen Rohstoffen für die grüne Transformation und dem Bestreben, die Lieferketten autarker zu gestalten, versuchen die Länder der Europäischen Union nun, die Rohstoffgewinnung und die Batterieproduktion auf ihrem eigenen Territorium zu steigern. Mit jedem neuen Abbauprojekt nehmen auch die Proteste der betroffenen Gemeinden in Europa zu. 

Die meisten Minen für Batterierohstoffe wie Kobalt, Lithium, Nickel, Kupfer und andere Metalle befinden sich im Globalen Süden, wohin Europa seine Umweltverschmutzung schon lange ausgelagert hat. Minen in Afrika oder Südamerika werden nicht nur mit einer verheerenden toxischen Verschmutzung in Verbindung gebracht, sondern auch mit groben Menschenrechtsverletzungen, der Ausbeutung von Arbeiter*innen, der Ermordung von Umweltaktivist*innen und der Verletzung der Rechte indigener Völker.

Auf diese Weise setzt Europa den kolonialistischen Weg der Ressourcenbeschaffung und deren ungleiche Verteilung fort. Die Europäische Union macht zwar nur 6 Prozent der Weltbevölkerung aus, verbraucht aber bis zu 30 Prozent der weltweit geförderten Metalle. Angesichts der drastischen Umweltauswirkungen des Bergbaus ist allein der Verbrauch der EU eine enorme Belastung für den Planeten und steht kurz davor, die so genannten planetaren Grenzen zu überschreiten. Dennoch geht die EU davon aus, dass ihr Bedarf an Ressourcen weiterhin exponentiell steigen wird, und plant, deren Förderung zu steigern. 

Laut der Prognosen, mit denen die Europäische Kommission arbeitet, wird die EU im Jahr 2050 fast sechzigmal mehr Lithium und fünfzehnmal mehr Kobalt benötigen als heute. Gleichzeitig werden die negativen Umweltauswirkungen des Bergbaus mit steigendem Verbrauch und Ressourceneinsatz zunehmen. Ein OECD-Bericht dokumentiert die größte Umweltverschmutzung insbesondere bei Kupfer und Nickel. Beide Metalle werden von der EU als strategische Rohstoffe betrachtet, so dass mit einem exponentiellen Anstieg ihres Verbrauchs zu rechnen ist. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission wird der direkte Rohstoffabbau in den EU-Ländern im Jahr 2030 nur noch 10 Prozent des EU-Verbrauchs decken. Die negativen Auswirkungen des Minenabbaus werden daher weiterhin am stärksten im Globalen Süden zu spüren sein, wo der Großteil der Rohstoffe für die grüne Transformation Europas gefördert werden soll.

Der Vorwurf, dass die Protestierenden die Bemühungen zur Lösung der Klimakrise aufhalten, ist meiner Meinung nach sehr unfair.“

Proteste in ganz Europa

Eingriffe in die Landschaft, der Verlust von natürlicher Vielfalt und die Verschmutzung durch giftige Abfälle sind überall auf der Welt Begleiterscheinungen der Rohstoffgewinnung. Das gilt auch für den Abbau von Metallen im Rahmen einer Grünen Transformation zur Reduzierung von Emissionen. Daher sind Proteste gegen den Bergbau inzwischen nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Europa zu beobachten, von Skandinavien, wo der Bergbau bis in die Gebiete der samischen Ureinwohner*innen vordringt, bis nach Portugal, Spanien, Griechenland, Serbien und weiteren Ländern. Protestierenden Anwohner*innen und Aktivist*innen wird oft Nimbyismus (aus dem Englischen „not in my backyard“) vorgeworfen, das heißt die Heuchelei, dass sie nicht nur keinen Bergbau in ihrer Nachbarschaft wollen, sondern selbst von den anderswo abgebauten Materialien profitieren. Die Demonstrant*innen lehnen diese Bezeichnung ab und versuchen, die Öffentlichkeit auf die verheerenden Auswirkungen des Bergbaus und die unwiderruflichen Zerstörungen, die er der Umwelt zufügt, aufmerksam zu machen.  

„Der Vorwurf, dass die Protestierenden die Bemühungen zur Lösung der Klimakrise aufhalten, ist meiner Meinung nach sehr unfair. Gemeinden versuchen, ihre Umwelt vor Ort vor dem Bergbau zu schützen und werden des kompletten Gegenteils beschuldigt“, sagt Nina Djukanovic, eine Forscherin der Universität Oxford, die sich mit Umweltgerechtigkeit und der Kontroverse um den Abbau von Materialien für die Grüne Transformation beschäftigt. „Für Menschen, die eine Beziehung zum Land haben, ist es völlig unverständlich, dass jemand den Bergbau als etwas Grünes und für die Natur Nützliches anpreisen kann.“

Angesichts der Grünen Transformation ist Greenwashing auch im Bereich des Rohstoffabbaus auf dem Vormarsch. Wie sehr entsprechende Unternehmen auch versuchen, sich als grün zu präsentieren, so ist ihre oberste Priorität doch der Profit. Sie wollen deshalb erreichen, dass so viele Rohstoffe wie möglich abgebaut werden. Ein Bericht von Friends of the Earth Europe zeigt, wie die Bergbau-Lobby die Gestaltung des Critical Resources Materials Act (CRMA) und der aktuellen EU-Politik zum Metallbergbau für die grüne Transformation beeinflusst hat. Bergbauunternehmen gaben über 21 Millionen Euro pro Jahr für Lobbyarbeit aus, um die Gestaltung von EU-Gesetzen zu beeinflussen. Eines ihrer Ziele war es, die Liste der strategischen Rohstoffe zu erweitern. Die daraus resultierende Liste der kritischen Rohstoffe entspricht somit weitgehend den Wünschen der Bergbauunternehmen. Gleichzeitig enthält das Gesetz deren Forderung, dass bei „strategischen Bergbauprojekten“ ein „übergeordnetes öffentliches Interesse“ berücksichtigt werden muss, das Vorrang vor dem Umweltschutz haben kann.

Laut Friends of the Earth ist es der Bergbau-Lobby gelungen, in den EU-Institutionen die Idee durchzusetzen, dass wir zur Lösung der Klimakrise mehr Rohstoffabbau und mehr Konsum brauchen. Die steigende Nachfrage nach Metallbergbau wird so zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, da Szenarien, die sich in erster Linie auf die Reduzierung des Verbrauchs konzentrieren würden, nicht ausreichend berücksichtigt werden.  
 

Immer mehr Autos  

Der Übergang zur Elektromobilität führt zu einem dramatischen Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen wie Lithium und anderen Metallen. Der Verkehrssektor ist einer der größten Umweltsünder in Europa. Die Treibhausgasemissionen in diesem Sektor konnten langfristig nicht reduziert werden. Die Elektromobilität wird daher als eine der wichtigsten Lösungen zur Verringerung der Verkehrsemissionen angesehen.

Wir dürfen nicht denken, dass wir einfach immer mehr Autos haben können, nur dass es dann eben Elektroautos sind. Wir müssen vor allem die Gesamtzahl der Autos und die Nachfrage nach ihnen reduzieren.“

„Es heißt, dass ein Elektroauto über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg etwa dreimal weniger emissionsintensiv ist als ein Auto mit Verbrennungsmotor“, erklärt Kateřina Davidová, Expertin für Klimapolitik am tschechischen Zentrum für Verkehr und Energie. „Während die Emissionen von Verbrennungsmotoren zunehmen, je länger ein Auto gefahren wird, stammen die größten Emissionen von Elektroautos aus dem Bergbau und der Batterieproduktion. Je länger ein Elektroauto gefahren wird, desto geringer ist seine CO2-Bilanz“, so die Expertin weiter. Nach Berechnungen von der Organisation Transport & Environment verursacht ein Elektroauto derzeit 37 Prozent weniger Emissionen als ein Auto mit Verbrennungsmotor, selbst im schlimmsten Fall, wenn es in China hergestellt und in Polen mit Strom aus Kohlekraft aufgeladen wird.

„Wir dürfen aber nicht denken, dass wir in zehn Jahren einfach immer mehr Autos haben können, nur dass es dann eben Elektroautos sind. Wir müssen vor allem die Gesamtzahl der Autos und die Nachfrage nach ihnen reduzieren“, betont Davidová. Bisher geht der Trend jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Die Anzahl der Autos auf der Welt nimmt jedes Jahr zu, ebenso wie ihre Größe und ihre Fahrleistung. Allein in der Tschechischen Republik stieg die Zahl der Autos im Jahr 2023 auf mehr als 6,5 Millionen an. Die mit Abstand meistverkauften Elektroautos auf dem europäischen Markt sind SUVs, die aufgrund ihrer übermäßigen Größe sehr viel mehr Rohstoffe verbrauchen als ein Kleinwagen und somit mehr Emissionen verursachen. Expert*innen weisen daher auf die Notwendigkeit hin, die Größe der Autos zu begrenzen.

Um die Nachfrage nach individuellem Autoverkehr zu verringern, ist es entscheidend, Alternativen in Form von öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrad- und Fußgängerwegen zu schaffen, Dienstleistungen zugänglicher zu machen und Menschen zu Verhaltensänderungen zu bewegen, indem man attraktive Alternativen zum Auto anbietet. „Es gibt viele Maßnahmen, die man ergreifen kann: Autos aus den Stadtzentren verbannen, die Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel nicht erhöhen und dafür Besitz und Nutzung eines Autos besteuern und das Parken teurer machen. Wir können auch die Werbung für den Autoverkauf regulieren, und eine weitere Maßnahme, die nachweislich die Nachfrage senkt, ist der Verzicht auf den Ausbau neuer Straßeninfrastrukturen“, zählt Davidová einige der möglichen Lösungen auf.

„Alles wird kontaminiert sein“ 

„Diese Alternativen zur heutigen Lebensweise können wir als eine positive Vision davon betrachten, wie die Welt aussehen könnte. Beispiele dafür sind schnelle, hochwertige öffentliche Verkehrsmittel und intakte Städte ohne Autos“, sagt Nina Djukanovic von der Universität Oxford. „Es kann nicht sein, dass wir alle ein Elektroauto besitzen und denken, dass dies den Planeten retten wird. Wir müssen über systemische Veränderungen sprechen, die einen Ausbruch aus dem System des ständigen Wachstums ermöglichen. Denn endloses Wachstum kann niemals die Lösung herbeiführen. Die toxische Verschmutzung, die mit dem Abbau von Rohstoffen einhergeht, ist enorm. Eine grüne Transformation, die auf der immer stärkeren Ausweitung des gesamten Bergbausektors basiert, könnte also in die Katastrophe führen.“  

Veronika Csuvarszki von der Vereinigung Mütter von Mikepércs versucht seit mehr als sechs Monaten, ihr Haus in der Nähe der Batteriefabriken zu verkaufen. Bislang ohne Erfolg. Aus Angst um die Gesundheit ihrer Kinder möchte sie nicht länger in Mikepércs bleiben. „Hier auf dem Land haben fast alle einen Garten, in dem sie Gemüse für den Eigenbedarf anbauen, und dazu ein paar Hühner oder Schweine. Auf den Feldern rund um die Fabriken wird Gemüse angebaut, das in der örtlichen Schule zum Kochen verwendet wird. All das wird jetzt kontaminiert, weil die Fabriken das umliegende Land verseuchen", erzählen mir Veronika Csuvarszki und Éva Kozma besorgt.

„Sie sagen, wir seien gegen den Fortschritt und verhinderten die grüne Zukunft Europas, wenn wir gegen die Fabriken protestieren“, fügt Éva hinzu. „Aber das Geschäft dieser Konzerne hier steht in Konflikt mit unserem Recht auf eine saubere Umwelt. Es gibt hier zu viele Fabriken. Es muss ein besseres Gleichgewicht geschaffen werden.“

Perspectives_Logo Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

Das könnte auch von Interesse sein

Failed to retrieve recommended articles. Please try again.

Empfehlungen der Redaktion

Failed to retrieve articles. Please try again.

Meistgelesen

Failed to retrieve articles. Please try again.