Die Forstarbeit als Dienst  „Für den Wald tue ich alles, was ich kann“

Martin Toman interessiert sich für Nachhaltigkeit, naturnahe Wälder, den Schutz von Großraubtieren und die Entwicklung von Wissen und Lernen.
Martin Toman interessiert sich für Nachhaltigkeit, naturnahe Wälder, den Schutz von Großraubtieren und die Entwicklung von Wissen und Lernen. Foto: © Jana K. Kudrnová

Martin Toman ist Förster. Mit unerschütterlicher Leidenschaft und einem unorthodoxen Ansatz verbindet er Naturschutz mit der forstwirtschaftlichen Praxis im Staatsdienst und verwandelt sein Revier in einen Zufluchtsort der Biodiversität. Im Interview spricht Martin darüber, wie seine ökologischen Standpunkte seine Karriere und sein Leben beeinflussen, warum sein Tag manchmal 26 Stunden hat, was die Arbeit eines Försters kreativ macht und wie er von einem ethischen Veganer zu einem Jäger geworden ist – und warum dies vielleicht gar nicht ein solcher Widerspruch ist.

Martin, als ich überlegte, wie ich dich vorstellen soll, habe ich mir folgende Schubladen zurechtgemacht: Jäger, Förster und Veganer. Wie siehst du dich selbst?

Ich lasse mich nur ungern in Schubladen stecken. Wohl jeder, der sich nur ein wenig außerhalb des Mainstreams bewegt, weiß, dass man mit Schubladendenken nicht weit kommt. Ich habe zwar eine Arbeit, aber wenn ich mit Menschen zusammentreffe, sage ich ihnen nicht, dass ich Revierförster bin. Und man könnte darüber streiten, ob ich noch als vegan durchgehen kann, wenn ich als Jäger Wild jage. Ich sehe mich als Umweltschützer. Eine Kombination aus einem Biologen, einem Naturschützer, einem Umweltschutz- und Sozialaktivisten und zugleich einem Förster im Staatsdienst, was vielleicht wie ein Oxymoron erscheinen mag, aber bislang funktioniert es.

Hat der Umstand, dass du dich als Umweltschützer siehst, deine berufliche Karriere bestimmt?

Sicher. Das mir anvertraute Revier – etwa 1100 Hektar – bietet mir viele Möglichkeiten: nicht nur die Förderung einer naturnahen Forstwirtschaft, sondern auch Naturschutz und die Förderung der Biodiversität. Ich erhielt zum Beispiel die Aufgabe, einen Teil eines waldlosen Gebiets aufzuforsten, doch als ich über das Gelände ging, merkte ich, dass dort die vom Aussterben bedrohte Wiesensiegwurz wächst und dass dort auch noch weitere bedrohte Kräuter wachsen, die im Wald normalerweise nicht vorkommen, weil sie spezifische Voraussetzungen benötigen.

Statt den ursprünglichen Plan zu befolgen, beschloss ich, dort ein Feuchtgebiet anzulegen. Solche Möglichkeiten habe nicht nur ich, sondern auch andere Förster oder Waldbesitzer, egal ob es sich um staatliche, private oder städtische Wälder handelt. Abgesehen davon bin ich ehrenamtlicher Koordinator des Programms für Raubtiere der gemeinnützigen Umweltorganisation Hnúti DUHA (Bewegung REGENBOGEN), in dem ich zusammen mit anderen Freiwilligen Daten über größere Raubtiere in Tschechien direkt vor Ort im Waldgebiet sammle. Das kann man gut mit der Jagd und dem Beruf des Revierförsters kombinieren.
Martin Toman bei der Entnahme einer Probe während der Überwachung von Großraubtieren

Martin Toman bei der Entnahme einer Probe während der Überwachung von Großraubtieren | Foto: © Jana K. Kudrnová

Unterstützt ihr euch – du und die anderen Förster und Waldbesitzer – auch in anderen, dem Naturschutz nahestehenden Aktivitäten?

Ich persönlich versuche in erster Linie mit meinem Handeln Einfluss auf meine Kollegen zu nehmen, was mir bei zumindest im Fall von vier gelungen ist. Ich habe ihnen ausgebaggerte Tümpel und Feuchtgebiete gezeigt und sie dazu animiert, es auch auszuprobieren. Mein Revier ist dann nicht mehr die isolierte Insel einer positiven Deviation, sondern Teil eines besser organisierten und komplexeren Maßnahmensystems, mit dem wir außerdem gemeinsam die Auswirkungen des Klimachaos verringern können. Abgesehen davon bin ich Mitglied von zwei Försterverbänden, die eine naturnahe Bewirtschaftung anerkennen, und zwar die Pro Silva Bohemica mit Zweigstellen sowohl im Ausland als auch in der Tschechischen Forstgesellschaft. Begegnungen mit meinen Kollegen und die gegenseitige Inspiration bringt mich voran. Je mehr ich in Erfahrung bringen kann, desto mehr kann ich Einfluss auf den Wald nehmen.

Mir gefällt es, dass du für den Klimawandel oder die globale Erwärmung die Bezeichnung „Klimachaos“ verwendest.

Meiner Meinung nach erfasst das Wort „Chaos“ die Realität viel besser. Bei „Klimawandel“ können viele Menschen einfach abwinken und sagen, dass wir hier halt Papaya anbauen werden, doch meiner Meinung nach werden wir froh sein, wenn wir hier überhaupt Kartoffeln anbauen können.

Wie äußert sich dieses Chaos in den Wäldern?

Ich habe eine Broschüre mit dem bezeichnenden Titel Prognostizierte Klimaveränderungen – Glashauseffekt, Waldbedrohung, Aufgaben der Forstwirtschaft (Předpokládané změny klimatu – skleníkový efekt, ohrožení lesů, úkoly lesního hospodářství) aus dem Jahr 1995, in welcher der Autor des Forschungsinstituts für Forst- und Jagdwirtschaft vor den bevorstehenden klimatischen Veränderungen warnt und erklärt, was das für die Wälder bedeuten wird. Mangelnder Niederschlag wechselt sich ab mit heftigen Stürmen, die Vegetationsdauer wird kürzer, wenn die Pflanzen bereits Ende März erblühen, woraufhin späte Frosteinfälle alles abfrieren. Eine solche Situation versetzt die Bäume – und nicht nur sie – unter Stress und verkürzt ihr biologisches Alter, was sich auf den ganzen Wald und seinen Zerfall oder seine Anfälligkeit für Krankheiten oder sogenannte Schädlinge auswirkt.

Dies können wir an der Fichtenborkenkäfer-Kalamität beobachten, die in Tschechien von Nordmähren nach Vysočina (Region Hochland oder Böhmisch-Mährische Höhe) gezogen ist und nun weiter nach Nordböhmen wandert. Ähnliche Kalamitäten gab es schon vor zweihundert Jahren. Während jedoch früher das Klima den Förstern ermöglichte, immer wieder Fichten anzupflanzen, ist dies heute nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Martin Toman baut einen Zaun zum Schutz von Setzlingen

Martin Toman baut einen Zaun zum Schutz von Setzlingen | Foto: © Jana K. Kudrnová

Der Beruf des Försters ist spezifisch in seiner zeitlichen Auswirkung. Die Resultate deiner Arbeit und die Eingriffe im Wald wirst du erst nach vielen Jahren sehen, erst irgendwann am Ende deiner Karriere. Dies ist in einer Gesellschaft, die stark leistungs- und profitorientiert ist, nur schwer vorstellbar. Außerdem übernimmst du den Wald von deinem Vorgänger, und die von ihm begonnenen Prozesse laufen während deines Wirkens weiter. Du kannst also nicht einfach sagen, von heute an läuft alles anders. Wie wirkt das auf dich?

Einige Änderungen kann ich sofort machen. Zum Beispiel eine Lichtung anlegen. Ob mir größere Eingriffe gelungen sind, werde ich erst so in fünf oder zehn Jahren sehen. Das kann zum Beispiel eine Anpassung der Artenzusammensetzung im Wald sein, wenn ich Fichtenmonokulturen ersetze durch vielfältige Wälder mit mehr Baumarten, von unterschiedlichen Höhen, Alter und Verteilung im Raum, damit sie mal näher, mal weiter voneinander stehen, und damit resistenter werden. Einerseits kann ich das nicht sofort machen, auch aufgrund der menschlichen Kapazitäten, aber selbst bei dem, was ich tun kann, kann ich nicht sicher sein, wie es ausfällt. Ob die Sämlinge den Winter überstehen, ob sie nicht vom Wild gefressen werden, ob ich nicht etwas übersehen habe, ob die Bäume beim Aufwachsen genügend Licht haben und ob etwa der Vogelkirschbaum genügend Raum hat, um Früchte zu tragen.

Während einem unserer Spaziergänge, von dem ich während des Einfalls der Borkenkäferkalamität im Jahr 2019 eine Reportage schrieb, hast du mir einen Teil deines Reviers gezeigt, in dem du – wegen der Ausbreitung des Borkenkäfers – ganze Hügel abholzen musstest, die dicht mit Fichten bewachsen waren. Fichtenmonokulturen sind sowohl im Hinblick auf den Klimawandels als auch auf die Biodiversität ungeeignet. Kann ein solch drastischer Schritt wie das Abholzen eine Katastrophe und zugleich eine Gelegenheit sein, einen Neubeginn zu starten? Eine Gelegenheit, die sich – was die zeitlichen Abläufe betrifft – in der Forstwirtschaft nicht häufig bietet?

Als im Jahr 2017 die Borkenkäferkalamität ausbrach, war ich erst das zweite Jahr als Förster tätig, und hatte gerade die Stelle in meinem aktuellen Revier angetreten. Meine Erfahrung mit Wäldern hing stark mit dem massiven Zerfall von Fichtenbeständen zusammen. Innerhalb einer Woche haben wir vierzig Hektar Wald gefällt, wobei einige Bäume sogar 120 Jahre alt gewesen sind. Dadurch haben wir die Verbreitung des Borkenkäfers aus staatlichen Wäldern auf weitere Gebiete verhindert. Viele meiner Kollegen fühlten sich für den Zerfall der Wälder persönlich verantwortlich und die Situation zermürbte sie. In der Öffentlichkeit traten sie professionell auf und sagten niemandem etwas, aber privat empfanden sie Schuldgefühle, dass sie die Situation nicht gemeistert haben, obwohl dies nicht möglich gewesen war. Ich betrachte diese Situation, die nacheiner die Kalamität eintritt, als eine einzigartige Gelegenheit, Wälder anders zu bewirtschaften und das erworbene Wissen in der Praxis auszuprobieren.

Hast du anfangs auch die in der Forsthochschule erworbenen Kenntnisse genutzt?

Überhaupt nicht, sie haben mir dort Verfahren beigebracht, die heutzutage in der Praxis gar nicht angewendet werden – und so wie ich es verfolge, lehren sie das leider immer noch. Ich hatte den Vorteil, dass ich mich für Naturschutz und für experimentelle Aspekte der Forstarbeit interessierte. Ich habe den Wald nicht als einen Ort wahrgenommen, der vorrangig dem Holzeinschlag dienen soll, obwohl der Holzeinschlag paradoxerweise sehr wichtig ist. Ich wusste, dass der einzige Weg zur Erneuerung des Waldes nicht darin besteht, erneut dieselbe Baumart anzupflanzen und dass es egal ist, ob es sich um Buchen, Eichen oder um andere Baumarten handelt. Ich hatte auch Glück, dass zwei ehemalige Förster in meinem Revier auch eine naturnahe Bewirtschaftung proklamierten, also konnte ich an etwas anknüpfen. Auch unser Forstamt – und in der Vergangenheit auch der Forstbetrieb – denken ähnlich.
Martin Toman auf dem Feld mit seinen beiden Hündinnen

Martin Toman auf dem Feld mit seinen beiden Hündinnen | Foto: © Jana K. Kudrnová

In Umweltschutzkreisen werden verschiedene Rollen des Menschen in der Beziehung zur Erde und Natur beschrieben. Eine dieser Rollen ist die des Naturverwalters. Sehen sich deiner Meinung nach Förster auch so?

Ich denke, dass Förster oft dieses Gefühl haben. Uns wird ein Besitz anvertraut, um den wir uns kümmern, wir haben viele Dinge, die wir beeinflussen können und für die wir Verantwortung tragen. Dies geht auch auf unseren historischen Status zurück, als Adlige stets auch einen Waldverwalter hatten, dessen Wort Gültigkeit hatte. Es war undenkbar, sich dem Förster zu widersetzen, wenn er einen aus dem Wald verwies. Das gilt heute nicht mehr, aber die Standehre der Förster ist uns geblieben, was sich vor allem in solchen Situationen zeigt, dass wir weder die Öffentlichkeit noch gemeinnützige Umweltorganisationen bei uns im Wald herumwühlen lassen, die oft unsere Arbeit kommentieren, ohne uns zu fragen, warum wir uns gerade auf jenes Verfahren festgelegt haben. Sobald man auf jemanden mit dem Finger zeigt, wird er sich wehren.

Im gegenwärtigen Klimachaos sitzen wir aber letzten Endes alle im selben Boot und sollten lernen, zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Darum bemühen wir uns zum Beispiel im Programm Eine Woche für die Landschaft [dieses wird bereits seit 31 Jahren von Hnutí DUHA organisiert, Anm. d. Red.], wenn zu uns jeden Sommer Freiwillige aus der ganzen Republik kommen und wir ihnen zeigen, welche Aufgaben ein Förster zu erfüllen hat. Ich habe mit einem Kollegen vereinbart, dass die nächste Woche für die Landschaft zu einer Hälfte in seinem Revier stattfinden kann. Für mich ist es eine weitere Art, der Öffentlichkeit und den Leuten aus Umweltschutzkreisen die naturnahe Bewirtschaftung zu zeigen.

Stimmst du also auch der ursprünglichen Annahme des Adels zu, dass die Natur, und somit auch der Wald, dem Menschen gehört?

Dies kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. So können wir uns zum Beispiel in die Rolle des Hirten versetzen, dem die Sorge um die Welt anvertraut ist, mit der Aufgabe, alle Lebewesen glücklich zu machen. Oder wir können die Welt auch aus einer rein anthropologischen Ausbeuterperspektive betrachten. Oder wir können alles so betrachten, dass uns nichts gehört und wir hier nur Besucher sind. Doch für Philosophie haben wir keine Zeit. Ich bin der Auffassung, dass das menschliche Tier sich an dem Angebot des Waldreichs erfreuen darf, doch dies muss mit Vorsicht, Demut und Respekt einhergehen.

Warum hast du begonnen, dich neben der Forstarbeit auch dem Jagdwesen zu widmen?

Die Forstarbeit ging immer mit dem Jagdwesen einher. Das Schlimmste ist, wenn es im Wald zwei Wirte gibt, weil jeder von ihnen andere Interessen verfolgt. Als Förster möchte ich einen vielfältigen Wald, der alle Funktionen erfüllt, die die Menschen von ihm erwarten, aber ein Jäger muss solche Interessen nicht verfolgen und versteht vielleicht nicht einmal, wie der Wald als Ganzes funktioniert. Er ist weder der Verwalter noch der Besitzer und hat keinen Überblick darüber, wie viel Zeit, Energie und Geld das Bewirtschaften des Waldes erfordert. Er verfolgt nur sein Interesse am Wild, was aus Sicht der Ausübung der Jagdrechte in Ordnung ist, aber es sollte mit der Forstwirtschaft und der Landwirtschaft einhergehen, was aber nicht oft der Fall ist. Ein Jäger ist sich oft nicht bewusst, welche Verantwortung das Forstgesetz auch dem Förster auferlegt, etwa in Form von Fristen der Aufforstung von Kahlschlägen. Wer die Jagd als Hobby betreibt, ist nicht täglich im Wald und sieht nicht die Schäden an den Sämlingen, die von Rehen und anderem Schalenwild angerichtet werden, er sieht keine geschützten Pflanzen, die abgefressen worden sind, wie ich sie jeden Tag sehe, wenn ich im Wald bin und mich mit ihm abrackere.

Als wir nach der Borkenkäferkalamität wieder den Kahlschlag aufforsteten, habe ich dem Wald Zeit gelassen. Ein, zwei, drei Jahre – aber nichts passierte. Auf den Kahlschlägen hielten sich die Tannen-, Buchen-, Birken- und Kirschensämlinge fest, nach einer Weile wurden sie jedoch vom Schalenwild abgefressen. Es sei denn sie waren mit einem Schutzmittel gegen Fraßschäden angestrichen, doch dieser Lack ist oft toxisch für Wasserorganismen, ich kam also vom Regen in die Traufe. Das Geld, das ich für den Lack oder für die Zäune ausgab, hätte ich zum Anlegen von Tümpeln oder für das Anpflanzen von Alleen verwenden können. Außerdem beherbergt ein Baum unzählige Organismen, von Holzfäule bis zu jeder Menge Insektenarten, die die Nahrung für andere Lebewesen sind, die dank dessen hier leben können. Vögel richten hier Höhlen ein, etwa der vom Aussterben bedrohte Dreizehenspecht, aber auch andere, ebenso wichtige Vögel. Keiner von ihnen kann in einem Wald überleben, in dem ein Ungleichgewicht zwischen Wild und Wald herrscht. Das wäre animalischer Rassismus, eine Spezies der anderen vorzuziehen. Mein umweltschützendes Ich überwog und so wurde ich zu einem aktiven Jäger. In einem Jahr haben meine Kollegen und ich bis zu hundertachtzig Stück Rehwild erlegt. Dagegen hatte ich mich zuvor gewehrt.

Heute betrachte ich die Jagd als einen Dienst am Ökosystem. Wenn es passiert, dass der aktuelle Waldzustand nicht genug Nahrung für alle Tiere bietet, die gerade im Moment im Wald leben, greife ich ein. Derzeit verjüngt sich der Wald in bestimmten Teilen und wächst mit minimalen Schäden nach.
Martin Toman zeigt den Schaden an einer Fichte durch den Biss eines Rehs

Martin Toman zeigt den Schaden an einer Fichte durch den Biss eines Rehs | Foto: © Jana K. Kudrnová

Was mich an deiner Wandlung zu einem aktiven Jäger fasziniert, ist der Umstand, dass du viele Jahre lang ein Veganer warst oder immer noch bist. Ist das kein Widerspruch?

Da sind wir wieder bei den Schubladen. Bevor ich mit der Jagd anfing, war ich elf Jahre lang ethischer Veganer und profilierte mich schrittweise zu einem eigenartigen Typ von Umweltschützer. Die Jagd, der Umstand, dass ich ein Tier mit meinen eigenen Händen tötete, war ein Wendepunkt. Heute esse ich Fleisch einmal im halben Jahr, wenn ich Hirschragout aus einem erlegten Tier zubereite. Für mich bleibt es weiterhin Tabu, Fleisch aus Massentierhaltung zu konsumieren. Ab und zu esse ich Ziegenkäse, der aus der Milch der Nachbarsziegen erzeugt wurde, und ein paar Mal die Woche Eier aus eigener Haltung. Mir scheint, dass dies besser ist, als ein in Plastik verpacktes Tofu oder ein Kokoscremejoghurt mit Mangostücken zu essen.

Du kannst immer zwei Situationen auf die Waagschale legen, von denen die eine besser als die andere ist. Genauso gut könntest du auch einfach nicht vergleichen.

Klar, es gibt immer etwas Schlimmeres. Wir können das mit allem machen, zum Beispiel auch bei veganer Kleidung aus Erdöl vs. Schuhe aus Rindsleder aus Bio-Tierhaltung. Kein Tod ist ethisch oder human, aber aus ökologischer Sicht finde ich es annehmbarer, dass Menschen Wildfleisch essen anstatt Fleisch aus Massentierhaltung. Zum Beispiel, wenn ich meine Familie oder meine Freunde, die sowieso Fleisch essen würden, mit Wildfleisch versorge, bei dem ich dafür gesorgt habe, dass die Tiere so wenig wie nur möglich leiden, verringere ich den Konsum von Zuchtfleisch aus Massentierhaltung, in der die Tiere offensichtlich leiden.

Um auf den Beruf des Försters zurückzukommen: Du hast erwähnt, dass du dich darum kümmerst, den Kahlschlag aufzuforsten, Tümpel und Feuchtgebiete anzulegen, die Zusammensetzungen der Holzarten anzupassen, Alleen anzupflanzen und Wild zu jagen. Gibt es noch etwas, was Teil der Revierverwaltung ist?

Die meisten dieser Tätigkeiten plane ich eher, sie werden dann aber von einer Firma durchgeführt, die eine Ausschreibung für den Holzanbau oder den Holzeinschlag oder gegebenenfalls beides gewonnen hat. Ich kontrolliere dann die Arbeit. Ebenso plane ich den Bau von Zäunen, das Mähen von hohem Gras, die Lackierungen gegen Fraßschäden, den Plenterwald, also die Erneuerung des Holzeinschlags durch natürliche Verjüngung, aber auch die künstliche Aufforstung oder den gezielten Kahlschlag, wenn ich zum Beispiel andere Baumarten in die Monokultur einpflege. Die Forstwirtschaft umfasst somit Tätigkeiten von der Waldbepflanzung bis zum Holzeinschlag, von der Waldpädagogik über die Ausübung des Jagdrechts, dem Naturschutz, der Pflege von Grundstücken einschließlich der Gebäude, der Planung und dem Bau von Forststraßen oder kleineren Wasserreservoirs und weiteren Elementen zur Wasserrückhaltung in der Landschaft...

Ist es überhaupt möglich, eine normale Arbeitszeit einzuhalten?

Nein. Wir haben eine flexible Arbeitszeit, aber wenn ich noch die Jagden am Abend und am frühen Morgen dazuzähle, Veranstaltungen, bei denen wir unser Unternehmen präsentieren, Veranstaltungen, die für die Öffentlichkeit gedacht sind, oder zufällige Events und Situationen, bei denen ich da sein muss, wie zum Beispiel beim Holzaufladen auf die Ladefläche des Transporters, beim Lotsen der Feuerwehrmänner zum Brandort, beim Lotsen der Rettungskräfte zum verletzten Touristen, dann ist jeder Tag anders lang. Manchmal hat er sogar sechsundzwanzig Stunden. (Lächelt)
Martin Toman mit einer Tanne, die von Wildtieren abgefressen wurde

Martin Toman mit einer Tanne, die von Wildtieren abgefressen wurde | Foto: © Jana K. Kudrnová

Wie lässt sich das Privatleben mit dem Harmonogramm der Familie vereinbaren?

Einige Kollegen bringen ihre Kinder in den Wald, gehen mit ihren Partnerinnen auf die Jagd... Die Familie versteht oft, dass die Forstarbeit kein Beruf, vielmehr eine Berufung ist, ein Dienst am Wald, am Unternehmen und an der Gesellschaft. Sie haben Verständnis dafür, dass wir los müssen wenn uns jemand zum Waldbrand ruft...

Du hast einmal erwähnt, dass man als Förster auch kreativ sein muss.

So ist es. Mein ehemaliger Forstverwalter bezeichnete uns als Waldarchitekten, was ein Teil unserer Standesehre ist. Wenn wir den Wald erneuern, wie zum Beispiel nach der Borkenkäferkalamität, oder wenn wir neue Pflanzungen planen, projektieren wir auf Basis der Vorraussetzungen des gegebenen Gebiets eine Vision des künftigen Waldes. Ich kann zum Beispiel überlegen, welche Baumarten ich wo pflanzen will, wo ich das Sturmholz liegen lasse, in dem sich keine sogenannten Schädlinge vermehren können, oder wo ich einen Kirschbaum anpflanze.

Wir müssen voraussehen, wie sich die einzelnen Holzarten zueinander verhalten werden, wie sie im Laufe der Jahre wachsen und welche Bedürfnisse sie haben werden, damit sie nicht miteinander konkurrieren. Mir gefällt, dass ich im Wald Wiesen oder Ostbaumalleen, Futterstellen und Tümpel anlegen kann, wo die Tiere zum Trinken hingehen oder wo sich die Touristen erfrischen können. Die Forstarbeit ist eine komplexe Reihe von Tätigkeiten und es hängt nur vom Schöpfer ab, dem Förster, wie viel Zeit er dafür widmen möchte.

Kannst du dir vorstellen, dass du diesen Dienst für den Rest deines Lebens ausüben wirst, zumindest solange er dich erfüllt?

Ich würde es gern tun, aber man kann sich nie sicher sein. Es genügt schon, dass die Regierung wechselt und der Forstverwalter ausgetauscht wird, der mich abberufen könnte. Solange ich hier bin, werde ich alles für den Wald tun, was ich kann und wovon ich denke, dass es das Richtige ist und den Wald vielfältiger macht.
 

Martin Toman (*1990) hat an der Forstfachschule im mährischen Hranice studiert. Im Jahr 2019 trat er die Stelle an der Forstverwaltung Město Albrechtice an, die mittlerweile zum Forstamt in Jeseník gehört. Ein Jahr darauf übernahm Martin Toman das Forstrevier Artmanov. Er interessiert sich für Nachhaltigkeit, naturnahe Wälder, Großraubtierschutz und bildet sich ständig weiter. Er mag Bergwandern, Jagen und Kochen. Eines Tages möchte er mit vielen Jagdhunden in einer Einsiedelei im Wald leben, am besten hinter einem Schlehdorngebüsch in der Nähe des Dachsfelsens.

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