„Sie wird nicht wieder verschwinden“: Martin Skrodzki über den KI-Unterricht für Kinder

Martin Skrodzki hält eine KI-Präsentation vor Studenten bei Arithmer Inc. in Tokio im Jahr 2020 Foto: Hiroyuki AKASO, Arithmer Inc

Martin Skrodzki hat in seiner gesamten Laufbahn als Lehrer Mathematik und Naturwissenschaften unterrichtet. Seit kurzem wirbt er für die Auseinandersetzung mit der KI, einem Thema, das die Jugend fasziniert, aber auch verunsichert.

André Leslie

Ein Workshop, den Martin Skrodzki im Jahr 2019 gemeinsam mit einem Freund organisierte, gab ihm den Anstoß dazu, Kurse in künstlicher Intelligenz für Schüler anzubieten. Der deutsche Mathematiker ist seit jeher vom Wechselspiel zwischen Kunst und Wissenschaft fasziniert, aber seit er in diesem Kurs Wissenschaftler und Künstler über die Möglichkeiten der KI sprechen gehört hat, lässt ihn das Thema nicht mehr los.
 
Derzeit erklärt er Schülern aus aller Welt, die zwischen 9 und 19 Jahre alt sind, die wissenschaftlichen Grundlagen der KI sowie ihren Nutzen und die mit ihr verbundenen Probleme. Vor kurzem leitete er einen Kurs für Sekundarschüler im Rahmen von dareCon!, einem vom Goethe-Institut organisierten Jugendgipfel mit Teilnehmern aus Südostasien, Australien und Neuseeland. In diesem Kurs ging es darum, den Schülern den verantwortlichen Umgang mit der Technologie zu erklären.
 
Skrodzki hat per Zoom aus den Niederlanden mit dem Goethe-Institut darüber gesprochen, warum es so wichtig ist, schon mit Kindern über die KI zu sprechen.
 
Müssen Sie Kindern erklären, dass man in der Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen in der KI einen moralischen Kompass braucht?
 
Meistens muss ich das nicht ansprechen, weil die Schüler sich selbst ihre Gedanken darüber machen und sich Fragen stellen. Wir müssen die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht einmal vorbereiten, weil den Kindern und Jugendlichen bereits bewusst ist, dass die Technologie nicht immer zwangsläufig Gutes tut. Allerdings hängt das sehr davon ab, in welchem Teil der Welt man einen Kurs abhält. Ich habe einen Kurs in Großbritannien geleitet, und dort wurde intensiv über die Frage der öffentlichen Überwachung diskutiert. Die Schüler waren sehr gut über Objekt- und Gesichtserkennung mittels KI informiert, weshalb wir mit der Diskussion auf einem sehr hohen Niveau beginnen konnten. In einem Workshop in Pakistan beschäftigten wir uns mit zahlreichen Fragen zu Ethik und KI und sahen uns beispielsweise an, wie ein selbstfahrendes Auto seine Entscheidungen fällen kann – es ging um das klassische Trolley-Problem, das Sie vermutlich kennen. Wir unterhielten uns ein wenig darüber und diskutierten die Frage der KI ausgehend davon. Die Schüler haben zumeist jedoch bereits eine ziemlich gute Vorstellung von der Notwendigkeit dieses moralischen Kompasses. Ein Screenshot aus einem der Online-Workshops von Martin Skrodzki Online-Angebot: Skrodzki unterrichtet junge Menschen über Zoom-Kurse in KI | © Imaginary GmbH Fürchten sich die jungen Menschen vor den Auswirkungen der KI oder sind sie eher fasziniert von den Chancen, die uns diese Technologie eröffnet?
 
Das ist eine wirklich gute Frage. Ich würde nicht sagen, dass sie sich fürchten. Wenn sie sich mit der KI nicht wohl fühlen, dann vor allem deshalb, weil sie nicht an den Entwicklungen teilhaben. Ich denke, diese Generation ist begeistert von den Möglichkeiten der Technologie und interessiert sich sehr dafür, in unseren Workshops herauszufinden, wie diese Technologie funktioniert. Die Kinder zögern nicht und fürchten sich nicht vor der Technologie, aber es macht ihnen Angst, nicht beeinflussen zu können, wie sich diese Technologie auf ihr Leben auswirken wird.

Das liegt vermutlich daran, dass sie nicht alle bei Facebook, Amazon usw. arbeiten.
 
Ja, sie arbeiten nicht für Facebook, Google oder Apple, aber sie sitzen auch nicht im Europäischen Parlament und sie machen nicht die Gesetze über die Überwachung. Sie verabschieden keine Gesetze über die ethischen Verpflichtungen in Zusammenhang mit der KI oder über Ethik und KI-Forschung. Damit haben wir uns insbesondere bei dareCon! eingehend beschäftigt, wo die Teilnehmer fragten: „Sollte es nicht Regelungen geben, die uns allen die Möglichkeit geben, aufgeklärte Entscheidungen darüber zu fällen, ob und in welchem Umfang wir KI in unserem Leben haben wollen?“ Derzeit können sie darüber nicht selbst entscheiden.
 
Sie haben recht, die KI ist überall – in den Empfehlungstools von Netflix und in den lustigen Apps, die wir verwenden, um Fotos von unseren Freunden zu manipulieren. In welchem Umfang verwenden Ihre Schüler im Alltag KI-gestützte Werkzeuge?
 
Zweifellos nutzen sie die Technologie. Das sehen wir in jedem Workshop. Normalerweise beginnen wir jeden Workshop mit einem allgemeinen Brainstorming dazu, was KI eigentlich ist und wo wir ihr im Alltag begegnen. Und in jedem Workshop gibt es über alle Altersgruppen hinweg eine große Vielfalt ausgezeichneter Beispiele. Das ist faszinierend. Manche Familien haben überall in der Wohnung diese Sprachassistenten stehen, Dinge wie Amazon Alexa oder Google Assistant. Der Empfehlungsalgorithmus von YouTube ist ein weiteres Beispiel, das oft auftaucht, oder die Apple-Applikation, die es erlaubt, das Smartphone mittels Gesichtserkennung zu entsperren – das kommt auch zur Sprache. Die Technologie ist also definitiv in unserem Leben angekommen, und wie es so schön heißt: Sie ist gekommen, um zu bleiben. Weil die KI nicht wieder verschwinden wird, bieten wir auch diese Workshops an. Es ist wichtig, dass wir alle die neue Technologie verstehen, die in unserem Leben angekommen ist. Martin Skrodzki unterrichtet eine Gruppe von talentierten Studenten in Deutschland Skrodzki sagt, dass die meisten Schüler in seinen Klassen bereits denken, dass Technologie nicht immer gut ist | © Kerstin Ernst, Foto: Deutsche Schülerakademie 2019 Wie reagieren die jungen Leute auf Ihre KI-Kurse?
 
Das ist von Workshop zu Workshop verschieden, vor allem, wenn er online stattfindet. Manchmal sitzt man vor einer Mauer schwarzer Bildschirme und predigt ins Leere. In anderen Fällen tauchen nach einem Workshop, in dem niemand seine Webcam eingeschaltet hat, alle Teilnehmer im Chat auf und erzählen, wie sehr ihnen der Kurs gefallen hat. Sie nennen lauter gute Beispiele für Dinge, die ihnen gut gefallen haben. Und ich denke: „Ihr habt wirklich die ganze Zeit aufgepasst, das ist phantastisch!“ Manchmal hat man es mit einer Gruppe zu tun, die sehr teilnahmslos scheint, aber wenn du die Teilnehmer um Feedback bittest, bewerten sie die meisten Aktivitäten im Kurs mit drei von fünf Sternen, weil sie ihnen langweilig schienen.

Es hängt also sehr von der Gruppe ab. Natürlich muss dazugesagt werden, dass sich die Schüler in einigen unserer Workshops aktiv um die Teilnahme bemühen. Das sind normalerweise Schüler, die ein technisches Interesse haben und mehr lernen wollen. Ich würde sagen, man bekommt in jedem Workshop eine bunte Mischung – da ist der Schüler, der sich sehr gut auskennt, und ein anderer, der sehr interessiert ist, aber nicht viel über KI weiß. Und dann sind da jene, die einfach kein Wort sagen. Du bekommst ihre Gesichter nie zu sehen, und sie steigen aus, ohne sich beteiligt zu haben. Und du weißt eigentlich nicht warum. Martin Skrodzki Martin Skrodzki | © Martin Skrodzki
 
Wahrscheinlich ist es ähnlich wie beim Unterricht mit Erwachsenen. Haben Sie vor, diese KI-Workshops in Ihrer ganzen Laufbahn als Mathematik und Naturwissenschaftslehrer fortzusetzen?
 
Absolut. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute aus den Naturwissenschaften dasselbe täten. Sie sollten losgehen und ihre wissenschaftlichen Kenntnisse mit der Allgemeinheit teilen. Noch mehr würde mich Anerkennung für diese Arbeit freuen. Man kann diese KI-Workshops zur Wissenschaftsvermittlung rechnen, aber oft wird jemand, der in der Wissenschaftskommunikation tätig ist, als jemand betrachtet, der auf seinem wissenschaftlichen Gebiet gescheitert ist und sich jetzt der Vermittlung widmet. Ich würde mich sehr freuen, wenn mehr Wissenschaftler hinausgehen würden, um ihre Resultate zu vermitteln, und wenn sie in der wissenschaftlichen Gemeinschaft mehr Anerkennung dafür bekämen. Das wäre ideal, aber warten wir ab, wie es sich entwickelt. Aber wir werden in jedem Fall weitermachen.
 
Weitere Stichworte von Martin Skrodzki über die Zukunft kreativer KI gibt es hier.

Artikelvorschläge

API-Error