Das Thema

Eine Frage des Vertrauens

Vertrauen spielt in vielen Lebensbereichen und Kulturen eine zentrale Rolle. Gemeinschaften basieren auf Vertrauen in politische Systeme und kulturelle Codes, in persönliche und geschäftliche Beziehungen, in internationale Vereinbarungen und verlässliche Informationen. Auch das Vertrauen in die eigene Person, die eigenen Fähigkeiten und Urteilskraft ist von elementarer Bedeutung für das soziale Miteinander. Doch was genau ist Vertrauen und wie entsteht es? Welche Funktionen nimmt Vertrauen in Gesellschaft, Politik und Medien ein – und welche Folgen hat es, wenn Vertrauen verloren geht? Welche Rolle spielt Vertrauen in der modernen Arbeitswelt, der Wirtschaft und im Umgang mit neuen Technologien? Das Kultursymposium Weimar 2023 nahm den Begriff des Vertrauens interdisziplinär und aus globaler Perspektive in den Fokus. Dabei beleuchteten drei Schwerpunkte ausgewählte Aspekte des vielschichtigen Themas.

Eine zarte Pflanze

Vertrauen und Individuum

Frau umarmt Mann. © Pexels, Alex Green Damit Vertrauen entstehen und wachsen kann, braucht es bestimmte Voraussetzungen: Etwa stärken positive Erfahrungen der Selbstwirksamkeit das Vertrauen in uns selbst und unser Umfeld. Obwohl Vertrauen auf individueller Ebene ganz unterschiedliche Formen annehmen kann, bleibt es das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen.

Im Fokus des ersten Themenschwerpunkts stand somit die große Frage, was Vertrauen eigentlich ist – und welche Rolle es im Leben jedes und jeder Einzelnen spielt: Wie entsteht Vertrauen? Wovon hängt es ab, wem wir Vertrauen schenken und wem nicht? Wie kann Vertrauen in unterschiedlichsten Beziehungsmodellen aufgebaut und gelebt werden? Welche Rolle spielt Vertrauen in der Evolution und in der Tierwelt? Wann sollten wir misstrauisch werden? Was ist gesunde Skepsis – und wo beginnt Paranoia? Und nicht zuletzt: Wie kann einmal zerstörtes Vertrauen wieder hergestellt werden?

Oft nehmen wir Vertrauen in unserer Gesellschaft als etwas Positives wahr. Weniger gut bestellt ist es hingegen um den Ruf seines Gegenpols, um das Misstrauen, das es aber ebenso braucht, um Manipulation, Betrug und Missbrauch entgegenzuwirken. Die Gäste des Kultursymposium Weimar diskutierten, ob ein pauschales Mehr an Vertrauen also immer das größte Ziel sein sollte und welche Voraussetzungen es überhaupt braucht, um Vertrauen möglich zu machen.

DIE UNSICHTBARE RESSOURCE

Vertrauen in Gesellschaft, Politik und Medien

Menschen protestieren für "Black Lives Matter". © Pexels, Kelly Der zweite Schwerpunkt des Kultursymposiums Weimar 2023 widmete sich der gesellschaftlichen und politischen Dimension des Vertrauens: Welche Folgen hat es, wenn Menschen ihr Vertrauen in die Demokratie und staatliche Institutionen verlieren? Welche Nischen sucht sich das Vertrauen unter den Bedingungen einer Diktatur? Vertrauen wir der Wissenschaft – oder doch eher unserem Bauchgefühl? Wird Medien weltweit wirklich immer weniger vertraut und wenn ja, warum ist das so? Wie viel Vertrauen sollte Menschen entgegengebracht werden, die Regeln gebrochen und Vertrauen missbraucht haben? Und welche Rolle spielt Vertrauen in den internationalen Beziehungen?

Demokratische Gesellschaften basieren in besonders hohem Maße auf Vertrauen. Werden demokratische Verfahren und Institutionen gezielt unterminiert, z.B. durch Machtmissbrauch in Form von Korruption oder Vetternwirtschaft, bekommt das gesellschaftliche Fundament Risse und die Demokratie ist in Gefahr. Auch das schwindende Vertrauen in Medien und Wissenschaft spielt dabei eine Rolle. Wie lassen sich unter dem wachsenden Einfluss von Social Media und neuen Möglichkeiten, wie Deepfake-Technologien, Fakten noch von Fiktion unterscheiden? Wo endet legitime Kritik, wo beginnen Verschwörungstheorien und gezielte Manipulation? In Weimar sprachen wir darüber, wie sich diesen Herausforderungen wirkungsvoll begegnen lässt und welche Rolle Vertrauen als unsichtbare Ressource in unserem gesellschaftlichen Miteinander spielt.

AUF UNBEKANNTEM TERRAIN

Vertrauen, Wirtschaft und Technologie

Überwachungskameras sind auf zwei Frauen gerichtet. © Pexels, Burst Im dritten Schwerpunkt wurde die Bedeutung von Vertrauen in Wirtschaft und Technologie beleuchtet: Welche Rolle spielt Vertrauen in der modernen Arbeitskultur? Wie beeinflussen sich Vertrauen und Inflation? Hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, Vertrauensverhältnisse grundlegend zu verändern? Wie funktioniert Kreditvergabe auf Vertrauensbasis? Können Roboter vertrauen lernen und kann Technologie Intuition und Bauchgefühl ersetzen? Welche Daten vertrauen wir unseren Apps an – und sind wir dabei oft zu sorglos?

Im Bereich der Arbeitswelt hat sich durch die Pandemie das Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle verschoben. Während neue Managementmethoden auf Autonomie und dezentrale Entscheidungen setzen, geht die gegenläufige Tendenz in Richtung digitaler Überwachung und Kontrolle. Ebenso nimmt Vertrauen eine wichtige Funktion in unseren Rechts- und Wirtschaftssystemen ein. So könnte die Blockchain-Technologie das Vertrauen zwischen Vertragsparteien stärken, indem sie Vereinbarungen transparent, fälschungssicher und irreversibel festschreibt. Aber haben Blockchain-basierte Verträge wirklich das Potenzial zukünftig staatliche Institutionen wie Notare, Grundbuchämter oder Gerichte zu ersetzen, die heute in vielen Ländern für Vertrauen und Rechtssicherheit sorgen? Wie sich zwischenmenschliches Vertrauen im Alltag durch den Einsatz smarter Technologien nach und nach verändert, diskutierten wir beim Kultursymposium Weimar 2023.