Laune des Schicksals
Der unbeabsichtigte Hobby-Boom

Explosion beim Stricken Foto (Detail): Giulia Bertelli © Unsplash

Puzzles, Brettspiele, Handarbeiten und Brotbacken: Durch eine merkwürdige Laune des Schicksals haben diese Hobbys inmitten der Corona-Pandemie eine große Anhänger*innenschaft gefunden.

Savannah Beck

In einer Realität, in der Sportarten nicht ausgeübt werden können und Kneipentouren verboten sind, florieren häusliche Aktivitäten, die vorher als belanglos galten – Handarbeiten, Brotbacken, Puzzles und Brettspiele haben, wenn auch rein zufällig, ihre Nische gefunden. Verschlafene Branchen wie Spielzeugfirmen, Handarbeitsläden und Hefefabriken sehen sich endlich am Ziel ihrer Träume, auch wenn sie mit der Produktion nicht hinterherkommen!
 
Früher war Puzzeln ein stilles Hobby, dem ein kleiner Teil der Bevölkerung nachging. Das änderte sich nahezu über Nacht, als COVID-19 zuschlug und die ganze Welt beschloss, sich eine neue Beschäftigung zu suchen. Die Nachfrage nahm so rasant zu, dass der deutsche Spielehersteller Ravensburger allein im März 2020 einen Anstieg von 370 Prozent beim Verkauf von Puzzles verzeichnete. Seitdem stehen Puzzles auf der langen Liste alltäglicher Gegenstände, die plötzlich rar geworden sind: Toilettenpapier, Desinfektionsmittel, Papiertaschentücher … und Puzzles.
 
Auch die Tage, an denen Stricken und Häkeln Großmüttern vorbehalten waren, sind gezählt. Dank YouTube-Tutorials und Mustern zum Download ist die kryptische Welt der Handarbeit entschlüsselt worden. Offensichtlich gilt: „Online-Ressourcen + Hausarrest = eine 80-prozentige Steigerung der Verkaufszahlen nach 143 Geschäftsjahren.“ Zumindest funktionierte diese Formel bei Lion Brand Yarn. Doch Lion Brand ist kein Einzelfall. Auch die Verkäufe – und die Anzahl der Instagram‑Follower*innen – von Handarbeitsfirmen wie We Are Knitters sind seit März 2020 in die Höhe geschossen.
 
Vor langer Zeit waren Brettspiele vielleicht einmal eine trostlose Freitagabend‑Beschäftigung. Doch seit Partys für unabsehbare Zeit auf Eis liegen, herrscht ein beispielloses Interesse an Strategiespielen. Mitten in der Pandemie erreichte Frosthaven, der Nachfolger des Brettspiels Gloomhaven, die dritthöchste Finanzierungssumme, die ein Projekt auf Kickstarter je erzielte. Sieht aus, als stünden wir an der Schwelle einer neuen Ära, Leute – willkommen zur Renaissance der Brettspiele
 
Einstmals quollen die Regale in den Supermärkten mit Zutaten zum Brotbacken über. Doch seit dem Ausbruch des Coronavirus ist Brotbacken der neue heiße Scheiß – und zwar in solchem Maß, dass selbst die trockenen Zutaten nirgendwo aufzutreiben sind. Im April 2020 sollen bei einem Mehlhersteller alle Markenmehle ausverkauft gewesen sein, obwohl er im heroischen Versuch, mit der Nachfrage Schritt zu halten, rund um die Uhr produzierte. Und auch Hefe ist knapp geworden. Doch das hält die Brotbäcker*innen nicht auf, sie stellen Hefe einfach selbst her.
 
Wann wird dieser Wahnsinn enden? Noch nicht! Die Liste neuer Obsessionen setzt sich fort. Eine Hobbymanie ist ausgebrochen, und kein Zeitvertreib zu nischenhaft, um in diesem Klima keine Schar von Anhänger*innen zu finden. Aber bitte – kein Hobbyhamstern, lasst uns anderen auch noch ein bisschen Spaß übrig.

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