Mit dem Filmprojekt "So the Lovers Could Come Out Again", eine queere Liebesgeschichte zwischen zwei Scharfschützen, nimmt das Duo Christelle Younes und George Peter Barbari zum zweiten Mal an der Berlinale teil. Ahmed Shawky traf Christelle Younes in Berlin.
Eine Liebeserklärung an der Wand eines Hauses, das im Zentrum des libanesischen Bürgerkriegs stand, wird durch den Regisseur George Peter Barbari in ein Filmprojekt namens "So the Lovers Could Come Out Again", umgewandelt, eine Liebesgeschichte zwischen zwei Scharfschützen. Die Produzentin Christelle Younes nimmt damit am Berlinale-Talents-Programm teil, zugleich ist das Vorhaben ist auf dem Berlinale Co-Productions-Market vertreten. Es ist die zweite Berlinale-Teilnahme des Duos Christelle und George nach ihrem Debut mit " Death of a Virgin and the Sin of Not Living " im Jahr 2021. Ich habe mit Christelle Younes über ihre Teilnahme und ihre Vision für das Projekt gesprochen.Obwohl Sie die Produzentin des Films " Death of a Virgin and the Sin of Not Livin " sind, der auf der Berlinale gezeigt wurde, besuchen Sie jetzt zum ersten Mal das Festival. Wie geht es Ihnen damit?
Im Jahr 2021 hatten wir hatten Pech, als unser erster Film auf der nur virtuell abgehaltenen Berlinale gezeigt wurde. Daher bin ich jetzt zum ersten Mal hier auf der Berlinale präsent, flaniere am Festivalpalast vorbei, sehe die Vorführungen und den roten Teppich und denke, dass wir diese physische Erfahrung vor Ort einfach machen mussten. Letztlich ist es aber weder der erste noch der letzte Film, den ich produzieren werde oder bei dem George Regie führt. Wir werden mit anderen Filmen wiederkommen.
Aber es ist eine ungewöhnliche Erfahrung, die eine besondere Beziehung zum Festival schafft, nicht wahr?
Natürlich hatte ich vorgestellt, wie groß die Berlinale ist, aber in der Realität ist man dann trotzdem sehr überrascht darüber. Man hat das Gefühl, dass das Festival überall in der Stadt ist, wie eine riesige Maschinerie der Filmindustrie, die niemals anhält. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Die Berlinale ist kein Festival zur Erholung. Hier geht es um etwas, man muss in Bewegung sein, nach Gelegenheiten suchen, die richtigen Leute treffen und versuchen, Kooperationen zu knüpfen. Aber wichtiger als einen Partner zu finden, ist es, den richtigen Partner zu finden. Eine Koproduktion ist wie eine Ehe. Damit sie funktioniert und positive Ergebnisse hervorbringt, muss sie zwischen den richtigen Leuten geschlossen werden.
Einen arabischen Queer-Film zu machen ist sehr schwierig und die Hindernisse fange schon an, bevor man überhaupt damit beginnt. Was hat Sie motiviert, diesen Film zu machen?
Was ich an George Peter Barbaris Filmen so schätze, ist, wie er es schafft, seine Protagonisten wie echte Menschen und nicht als Filmfiguren erscheinen zu lassen. Das gilt erst recht für queere Geschichten, bei denen wir manchmal vergessen, dass die Protagonisten ganz normale Menschen sind, die versuchen, das Leben zu genießen, obwohl sie oft unter sehr schwierigen Umständen in Familie und Gesellschaft aufwachsen. Einige von ihnen verbergen ihr wahres Selbst über viele Jahre hinweg, was sehr schwierig ist. Georges sah die Liebeserklärung an der Hauswand von Beirut und begann, sich die Geschichte zwischen den beiden Figuren vorzustellen. Darin war die Hauswand jener Ort, an dem sie zusammen sein konnten, was für fast alle queeren Beziehungen gilt. Obwohl der Film im Krieg spielt, handelt es sich um eine universelle Situation: Beide Parteien einer Beziehung müssen nach außen hin einen Krieg führen, um sich nach innen hin einen Raum füreinander bewahren zu können.
Aber es ist schwierig, für so ein Projekt im arabischen Raum eine Finanzierung zu bekommen.
Natürlich, das wissen wir. Wir existieren und das kann man nicht leugnen. Ich bezeichne mich selbst als queer, weil ich früher eine Beziehung mit einer Frau hatte, auch wenn ich jetzt mit einem Mann zusammen bin. Ich weiß nicht genau, was ich im Leben will, und ich denke, wir müssen uns weigern, uns in Schubladen stecken zu lassen. Ich fand, dass diese Geschichte mich persönlich ansprach, und George ging es auch so. Wir werden allen ungünstigen Umständen zum Trotz versuchen, die Geschichte ans Licht zu bringen.
Aber jeder Film wird von der Region bestimmt, aus der er kommt, und wir alle wissen, dass solche Geschichten in der arabischen Welt schwer zu realisieren sind - wie werden Sie damit umgehen?
Wir wurden tatsächlich von einigen Beteiligten in der Region gebeten, die Geschichte ohne sexuellen Bezug zu erzählen, eine Promance nennt man das. Der Vorschlag war gut gemeint und sollte dem Vorhaben helfen, aber wir sind nicht darauf eingegangen. Wir wissen, dass der Filmindustrie in der Region unser Vorhaben gefällt und sie es unterstützen möchte. Aber leider ist das nicht möglich. Das ist ein Nachteil für mich als arabische Produzentin und ich muss nach Europa kommen und um Unterstützung bitten. Ich weigere mich, eine Agenda in den Westen zu tragen oder die Ideen anderer umzusetzen. Deshalb betone ich immer wieder, wie wichtig es ist, den richtigen Partner zu finden, damit unsere Stimme gehört wird, und nicht nur einen Partner, der den Film unterstützt oder versucht, seiner Stimme durch uns zu Gehör zu verschaffen.
Wie kam es dazu, dass „So the Lovers Could Come Out Again“ als eines von zehn Projekten aus der ganzen Welt am Co-Productions-Market der Berlinale teilnimmt?
Ich habe vergangenes Jahr schonmal ein Projekt eingereicht hatte gedacht, wir hätten gute Chancen, da wir bereits mit unserem ersten Film an der Berlinale teilgenommen hatten. Zu meiner Überraschung kam eine Ablehnung und erst später wurde mir klar, dass das plausibel war, weil wir keine bestätigte Finanzierungsquelle hatten. Ein Bekannter sagte uns später, dass es am einfachsten sei, sich für das Berlinale-Talents-Programm zu bewerben und das Projekt als meine Arbeit als Produzentin einzureichen. Dadurch kam es für den Co-Productions-Market in Frage, auch ohne einen bestimmten Prozentsatz des Budgets zu gesichert zu haben. Das ist ein großes Privileg, denn andere Projekte haben dank der Teilnahme an Talents-Programm bereits 80 % des Budgets sicher zugesagt.
Glauben Sie, dass die Teilnahme von Vorteil sein wird?
Das ist schwer zu sagen. Das Schöne an der Berlinale ist, dass jeder mutige, abenteuerliche und unkonventionelle Projekte erwartet, und es gibt keinen Grund, sich zu verstellen oder die Details der Arbeit zu verschleiern. Das Feedback ist positiv, aber was dabei herauskommt wissen wir erst, wenn wir die richtigen Partner gefunden haben. Ich hoffe, dass es bald soweit ist.
Filmprojekt: "So the Lovers Could Come Out Again"
Drama, Libanon, 2024, 120min
„Wir haben uns hier wiedergefunden. Wir haben uns gefunden. Hier." Auf dem Höhepunkt des libanesischen Bürgerkriegs bauen zwei Scharfschützen, die mit der Bewachung einer Festung mit Blick auf die Grüne Linie betraut sind, eine Beziehung auf, während alles um sie herum auseinanderbricht.
Direktor & Drehbuchautor: George Peter Barbari
Produzentin: Christelle Younes, Btrswt Pictures
Februar 2024