Wie eine zweite aufgehende Sonne steht der riesige gewinkelte Diskus am Ufer des Mittelmeeres Alexandrias,Buchstaben und Symbolen aus jeglichen Hintergründen auf seinen Granitwänden eingraviert. Es ist aber nicht Stein auf den die Bibliotheca Alexandrina sich stützt, sondern auf Menschen, die die Aufgabe der Kultur- und Bildungsentwicklung zu ihrer persönlichen Verantwortung gemacht haben.
Die historische Bibliothek
Der Vorgänger der heutigen Bibliotheca ist unter vielen Namen bekannt: die Große Bibliothek, die Königliche Bibliothek oder einfach die Bibliothek von Alexandria. Jahrhunderte lang stand dieses Bauwerk mit einer geschätzten Anzahl von mehr als eine halbe Million handgeschriebener Schriftrollen und Büchern, einer Medizinschule, mehreren Laboren und sogar botanischen und zoologische Gärten in Alexandria. Moderne Historiker sind sich einig, dass diese gigantische Bibliothek die bedeutendste antike Bibliothek der Welt war. Bestritten sind jedoch alle anderen Aspekte ihrer Geschichte. Wann sie gegründet wurde, unter wessen Leitung, ihre genaue Lage in Alexandria, wann und wie sie letzendlich (vermutlich nach mehreren Bränden) zerstört wurde sind ungewiss. Das Mysterium dieses wichtigen historischen Werks hat im Laufe der Zeit viele Wissenschaftler und Historiker angelockt. Unter dem Zauber der historischen Bibliothek stand ebenfalls der kürzlich verschiedene Professor Mostafa El-Abbadi.El-Abbadi und die historische Bibliothek - eine Geschichte der vollkommenen Widmung
Mostafa Abdel Hamid El-Abbadi wurde 1928 in Kairo, Ägypten geboren. Seine Eltern stammten aus Alexandria. Er studierte griechisch-römische Geschichte an der Universität von Alexandria und machte seinen Master sowie Doktor an der Londoner Cambridge University. „Ich war seit meiner Studiumzeit an dem Schicksal der alten Bibliothek interessiert.“, so El-Abbadi in einem Interview 2004 mit seinem Freund, Dr. Ibrahim Darwish.Ende der 60-er Jahre kehrte El-Abbadi nach dem Abschluss seines Studiums zurück nach Alexandria. „Ich habe gemerkt, dass alle Bibliotheken in Ägypten aufgehört haben sich zu entwickeln.“, so seine Beobachtungen. Es herrschte Krieg in diesen Jahren in Ägypten und der Konflikt mit Israel war auf dem Höhepunkt. „Es galt der Slogan: Keine Stimme ist lauter als Krieg.“, erinnerte sich Abbadi im Interview. Obwohl er die Unterstützung von mehreren Staatsmännern und Intellektuellen hatte, gab es generell weder Zeit noch Geld für die Realisierung von El-Abbadis Traum: die Wiederbelebung der Großen Bibliothek durch die Gründung einer modernen Version von ihr. Abgesehen von dem Vortrag, den El-Abbadi 1972 über die alte Bibliothek vor der Alexandriner Universitätsgesellschaft gehalten hatte, blieb das Projekt undiskutiert.
Vergessen hat El-Abbadi die Bibliothek aber nie. Er reiste in mehrere Länder, östlich und westlich, und erzählte überall von der alten Bibliothek und dem Projekt der Neugründung. Seine Bemühungen waren nicht umsonst, denn sie fanden ihr Echo bei den ägyptischen Behörden. 1984 war er zurück in Ägypten und traf sich mit dem damaligen Universitätsleiter Alexandrias. Bald begannen Diskussionen über die Realisierung des Projekts. Ein Problem blieb aber dessen Finanzierung. El-Abbadi hatte eine rettende Idee: Zu dieser Zeit finanzierte die UNESCO das Projekt der Bewahrung nubischer Monumente in Ägypten, unteranderem der Tempel von Abu Simbel. Er sprach die UNESCO an. Die Verhandlungen erwiesen sich erfolgreich und die UNESCO als auch andere internationale Organisationen übernahmen die erforderliche Finanzierung von $220 Millionen, wobei die norwegische Konstruktionsfirma „Snohetta“ für den Design und die Konstruktionsleitung verantwortlich war. 1988 wurde der Grundstein gelegt und im Jahr 2000 der Bau vollendet.
Der Traum realisiert, die Anerkennung bleibt aus
Die Eröffnung der neuen Bibliothek fand 2002 statt. Prominente Staatsfiguren aus aller Welt waren während der Eröffnungszeremonie zugegen, Professor El-Abbadi jedoch war nicht eingeladen wurden. Die damalige Regierung von Hosni Mubarak, unterstützt von den Medien, betrachtete die Gründung der neuen Bibliothek als ihre eigene Leistung und kein Zeichen der Anerkennung wurde dem Professor zuteil.Mitte Februar 2017 hat Professor Mostafa el-Abbadi mit 88 Jahren unsere Welt nach einem Herzinfarkt verlassen. „In Stille gelebt und in Stille abgegangen.“, beschrieb die Zeitung El Watan erst Anfang März seinen Abschied. Die Medien seines Landes waren ihm weder während seines Lebens noch nach seinem Tod gerecht. Ein paar Wochen nach seinem Versterben haben ihn internationale Zeitungen, vor allem The New York Times und The Economist, gedacht und seine Leistungen geehrt.
Forschung oder Kultur? - Wozu eine Bibliothek dienen sollte
El-Abbadis Leidenschaft für die alte Bibliothek war so groß, dass er ihre Moderne Version nicht ähnlich genug empfand. „Die alte Bibliothek von Alexandria ist nicht so einzigartig, weil sie die erste ihrer Art war. Andere gab es noch vor ihr. Sondern weil sie die einzige Bibliothek ihrer Zeit war, die wirklich universell war. Die anderen waren regionale Bibliotheken, die sich ausschließlich mit ihrem nationalen Kulturerbe beschäftigten. [..] Die alte Bibliothek war ein richtiges globales Forschungszentrum. Die moderne Bibliothek [,auf der anderen Seite,] ist dabei, sich zu einer kulturellen und keiner Forschungsbibliothek zu entwickeln. Trotzdem ist sie ein effizienter Beitrag zu der Stadt Alexandria, welcher ein kulturelles Attraktionszentrum gefehlt hat.“, erklärte Abbadi 2010 in einem Interview mit Alhambra Productions.Das Erbe des Gelehrten
Professor El-Abbadi hat uns vieles hinterlassen: Seine lebenslangen Forschungen zu der Geschichte der alten Bibliothek, die mit seinem von der UNESCO 1990 veröffentlichen Buch „Leben und Schicksal der alten Bibliothek von Alexandria“, das in fünf Sprachen übersetzt wurde, Ausdruck fand. Die riesige Bibliothek am Meer Alexandrias mit ihren 6 verschiedenen Lesezimmern, vier Museen, einem Planetarium und einem Konferenzzentrum. Doch sein Erbe reicht darüber hinaus noch weiter. Professor El-Abbadi hat uns beigebracht, wie wir unsere Vergangenheit und unsere Geschichte wiederbeleben können. Gefragt, welche Lehren wir aus der Geschichte der alten Bibliothek schließen können, antwortete er: „Wir müssen lernen, alles wie es ist zu betrachten, und nicht wie wir angewiesen werden.“Für nähere Informationen über die alte Bibliothek von Alexandria: Leseempfehlung: „Life and fate of the ancient Library of Alexandria“ von Professor Mostafa El-Abbadi, UNESCO (Hrsg.), Paris 1990 “What Happened to the Ancient Library of Alexandria”, Mostafa El-Abbadi, Omnia Mounir Fathallah (Hrsg.), Brill, Leiden 2008 „Library of Alexandria - History Documentary“, ein Dokumentarfilm über die alte Bibliothek. Für mehr Informationen über die neue Bibliothek und dessen Veranstaltungen |
April 2017