Prof. Austin Bukenya erzählt, wie er dazu kam, sich als Feminist zu beschreiben und welche Herausforderungen und Chancen damit verbunden sind, wenn man als Mann Feminist ist. Er erklärt, warum es für Männer wichtig ist, ein Geschlechterbewusstsein zu verinnerlichen, anstatt es als Mittel zum Zweck zu begreifen, und dass sie es konsequent in ihr Leben integrieren sollten.
Wann und warum haben Sie begonnen, sich einen Feministen zu nennen, und was bedeutet es für Sie?Ich würde sagen, irgendwann Mitte bis Ende der 1990er-Jahre. Ein genaues Datum kann ich hier nicht anführen, denn mein Engagement für den Feminismus hat sich allmählich entwickelt. Ich habe aus der Beobachtung der gesellschaftlichen Realität in meinem Umfeld heraus einen feministischen Standpunkt übernommen, und zwar durch unmittelbare Sensibilisierung und Lernerfahrungen in Sachen Geschlechterbeziehungen.
Feminismus ist ein System von Überzeugungen und Praktiken, das die Frau in den Mittelpunkt aller Aktivitäten stellt. Wenn ich sage, ich bin Feminist, dann meine ich damit, dass ich versuche, Situationen aus dem Blickwinkel einer Frau zu betrachten und in ihrem Interesse zu handeln.
Man muss nicht unbedingt eine Frau sein, um Feminist zu sein. Jeder Mensch, der sich gegen die geschlechterbedingte Diskriminierung von Frauen und Privilegierung von Männern wendet, kann sich zu Recht als Feminist*in bezeichnen.
Sie sind u.a. Dichter, Wissenschaftler, Autor und Schauspieler. Wie beeinflusst der Feminismus als Praxis sowie als theoretische und kritische Denkweise Ihre Arbeit?
Ich versuche, das Anliegen von Frauen in meine kreative, wissenschaftliche und pädagogische Arbeit einzubinden. In meinem literarischen Schreiben strebe ich danach, überzeugende, starke, intelligente und selbstbewusste Frauenfiguren zu schaffen, deren Kampf für Emanzipation und die Befähigung von Frauen die Leserschaft und das Publikum zum Nachahmen inspiriert.
Mit meiner journalistischen Tätigkeit kann ich die feministische Agenda am effektivsten vorantreiben. Ich nutze meine Kolumnen in führenden ostafrikanischen Zeitungen nicht nur, um Nöte und Erfolge von Frauen publik zu machen und Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren, aufzudecken und anzuprangern. Ich setze meine Medienarbeit auch ein, um andere Männer über die Notwendigkeit aufzuklären, Frauen zu verstehen und zu stärken.
In meinem Sprach- und Literaturunterricht bemühe ich mich, die Student*innen dafür zu sensibilisieren, eine sexistische und stereotype Sprache (z.B. „Manpower“, „schwaches Geschlecht“) und die damit verbundenen Assoziationen zu vermeiden. Ich ermutige sie auch, belletristische Werke und Sachbücher zu lesen und zu analysieren, die implizit oder explizit die Bemühungen für die Gleichstellung der Geschlechter voranbringen. Zudem üben wir konstruktive Kritik an Werken, in denen Chauvinismus und dessen Auswirkungen zum Ausdruck kommen.
Sie haben sich für die Förderung von Frauen in der Literatur eingesetzt und an dem von der Feminist Press in New York herausgegebenen Buch „Women Writing Africa: The Eastern Region“ mitgewirkt. Außerdem sind Sie außerordentliches Mitglied von FEMRITE – dem Verband ugandischer Schriftstellerinnen. Können Sie uns etwas über Ihr Engagement erzählen?
Ich fing an, mich aktiv und bewusst für den feministischen Aktivismus einzusetzen nach einem Sensibilisierungs- und Schulungsprogramm für geschlechtersensible Forschung und Publikation Mitte der 1980er-Jahre. Es wurde von der Kenya Oral Literature Association (KOLA) veranstaltet, deren Mitglied ich bin.
An der Makerere-Universität, an der ich meine Dozentenlaufbahn begann, begegnete ich Mitte der 1990er-Jahre Mary Karooro Okurut, eine meiner ehemaligen Studentinnen. Sie wollte eine Organisation zur Förderung der literarischen Arbeit von ugandischen Schriftstellerinnen gründen und bat mich um Hilfe, und ich beriet und ermutigte sie und ihre Mitstreiterinnen.
Als der Verband ugandischer Schriftstellerinnen FEMRITE 1996 gegründet wurde, lud mich Okurut ein, dessen Arbeit als außerordentliches Gründungsmitglied zu unterstützen. FEMRITE ist noch immer sehr einflussreich, und seine Aktivitäten in den Bereichen Mentoring, Schulung, Fundraising und Veröffentlichung haben die ugandische Literatur sowohl im In- als auch im Ausland auf einzigartige Weise gefördert. Die meisten international renommierten ugandischen Schriftstellerinnen und Literaturwissenschaftlerinnen sind durch FEMRITE bekannt geworden oder mit der Organisation verbunden.
FEMRITE brachte mich Anfang der 2000er-Jahre mit der Feminist Press in New York in Kontakt. Professor Florence Howe, die den Verlag 1971 an der City University of New York (CUNY) gegründet hatte, wollte eine Auswahl von Texten afrikanischer Frauen im Lauf der Jahrhunderte veröffentlichen. Sie bat FEMRITE, Mitarbeiter*innen für die Region Ostafrika zu empfehlen, und FEMRITE schlug mich vor. Howe, die oft als Vorreiterin der Frauenforschung gilt, hatte schon längst den Vorteil einer Zusammenarbeit mit Männern erkannt, die sich für Frauenrechte einsetzen, und nahm den Vorschlag von FEMRITE bereitwillig an.
Wie würden Sie Ihre Rolle in diesen Arbeitsbereichen definieren und haben Sie in Frauendomänen jemals Spannungen in Bezug auf Ihr Geschlecht wahrgenommen? Wenn ja, wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für diese Spannungen?
Ich nehme bei der Zusammenarbeit mit Freundinnen oder Kolleginnen keinerlei Spannungen oder Ängste wahr. Wenn man Geschlechtersensibilität verinnerlicht hat, begreift und spürt man, dass wir alle normale, gleichberechtigte Menschen sind, die sich gemeinsam engagieren. Die Spannungen, unter denen nicht freiheitlich denkende und rückschrittliche Männer leiden, wenn sie mit Frauen oder in Bereichen arbeiten, die von Frauen geprägt sind, entstehen aufgrund der irrigen, chauvinistischen Annahme, Männer und Frauen könnten nicht in Situationen interagieren, die weder manipulativ noch ausbeuterisch sind. Diese Blockaden einer fehlgeleiteten männlichen Sichtweise zu überwinden, ist ein großer Schritt in Richtung einer dringend benötigten männlichen Emanzipation.
Was sind Ihrer Meinung nach Chancen und Herausforderungen, wenn sich Männer am feministischen Aktivismus oder anderen Formen des Feminismus beteiligen?
Wenn sich Männer für ein feministisches Engagement entscheiden, kommen sie in den Genuss, eine offenkundig gerechte Sache zu unterstützen. Zweitens werden sie mit Sicherheit ihre Beziehung zu weiblichen Familienmitgliedern, Freundinnen und Kolleginnen verbessern, indem sie wahre und echte Einsichten gewinnen und chauvinistische Vorurteile ablegen. Ich sehe drei große Herausforderungen, denen sich Männer stellen müssen. Erstens: Männer sollten sich zunächst einmal von Frauen und sachkundigen Männern in der Thematik schulen und dafür sensibilisieren lassen. Zweitens sollten sie ein Geschlechterbewusstsein verinnerlichen, anstatt es als Mittel zum Zweck zu begreifen. Drittens sollten sie es konsequent in ihr Leben integrieren.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach feministische Männer und wie können sie patriarchalische Denkweisen infrage stellen?
Feministische Männer sollten sich offen, selbstbewusst und aufrichtig zu ihrer Überzeugung bekennen und diese vertreten. Sie sollten sich und ihr Umfeld über die neuesten Entwicklungen in der feministischen und geschlechtergerechten Forschung und die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen informieren. Sie sollten alle Fälle von Geschlechterungleichheit, die ihnen bekannt werden, aufdecken und anprangern. Sie sollten das Patriarchat infrage stellen, indem sie durch ihren Lebenswandel zeigen, dass sie sich konsequent für die Emanzipation und Stärkung der Frauen an allen Fronten einsetzen.
Was sind die größten Errungenschaften in jüngerer Zeit, was die Überwindung von Geschlechterungleichheit betrifft, und was erhoffen Sie sich für die Zukunft, insbesondere für Ostafrika?
Es gibt viele positive Entwicklungen im Kampf für Geschlechtergleichheit in Ostafrika. Die steigende Anzahl von Männern, die für den Feminismus eintreten, ist eine davon. Eine andere ist die Zunahme von Fakultäten für Frauen- und Geschlechterforschung an unseren Universitäten, wie die an der Makerere-Universität, die die älteste in Ostafrika ist. Wir nähern uns einem Geschlechtergleichgewicht bei der Bildung. In den meisten Ländern sind die politischen Erfolge der Frauen offensichtlich. Aber es gibt auch viele Rückschläge. Kenia kämpft noch immer mit der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass nicht mehr als zwei Drittel der Mitglieder aller wichtigen staatlichen Organe demselben Geschlecht angehören dürfen.
Darüber hinaus gibt es auf der alltäglichen Ebene nach wie vor zahlreiche signifikante Probleme, darunter häusliche Gewalt, Eigentums-, Erb- und Landrechte, Gleichberechtigung in der Ehe und Genitalverstümmelung bei Frauen. Es bleibt noch viel zu tun.
Das Interview führte Antonie Habermas, Online-Redakteurin bei Zeitgeister.
November 2022