Kunst
Poesie: Eva Lennuk

11.VII

An einem Mittwoch zwischen vier Wänden
stolpere ich über dich auf dem Bildschirm.
Du, über Glück sprechend,
Langeweile in den Augen,
du bist in einer tiefen Grube des unaufhörlichen Wettrennens.
 
Dich erkenne ich nicht mehr,
nur die bekannt verblasste, pfirsichfarbene Wandfarbe verrät,
Ebendort,
das Zuhause des linken Ufers,
wo ich dich einst in meinen Armen hielt.
 
Das samtige, viertelaufrichtige Lächeln auf dem Mund ist nicht einmal ein Hundertstel des Wunders,
in das ich mich einst so verliebte.
In deiner Seele kaum noch Lebensgefühl
Worte von den Lippen, zwar gefärbt, aber unausweichlich matt.
Wenn ich nur geahnt hätte, dass etwas mit immer lockig leuchtenden Wellen
so grausam sein und endgültig zerbrechen kann.
 
Dich festhaltend in einem Moment aus Gold und Blüten.
Diese Zerbrechlichkeit bekommt man nicht zurück.
Der Schmetterling ist nun ein unbekannter Jemand.
In meiner Seele ist Frieden,
ich vermisse nicht.

 

9.VI

Auch wenn das Leben wie ein Happening scheint,
atme in dem Rhythmus von Chopins Cis-Moll-Nocturne.
Sei ein bisschen mehr in jeder Probe
Sodass das Licht, heller als ein Scheinwerfer
auch endlich in dir selbst aufleuchtet.
 
Hör auf die Viertelnoten des Herzens,
ungeachtet des enormen Stadtlärms.
Besonders, wenn der eigene Theatersaal der Existenz menschenleer bleibt.
Vertraue den Wellen der Musik und des Meeres.
Am Ende des Tages träume,
bereinige deine Gedanken mit Stille. 
 

16.X

Schlafen nach Noten,
Aussehen wie bestellt,
wir zerbrechen wie getrocknete Äste,
und wir verlieben uns nicht wie beim ersten Mal.
 
Wir fliehen vor dem, was wir kennen, denn sonst können wir nur kämpfen,
Wir wickeln einen Haufen unausgesprochener Sätze in Asche
Wir wollen die Routine einfach so schnell wie möglich vergessen
Und nicht in den Tiefen noch unbekannter Augen schmelzen.
 
Und alles scheint in Ordnung zu sein, im Gleichgewicht,
grösser und weiter
nur diese ganze fettige und gierige Welt
wo es Nullen anstatt Pulse gibt
wo Menschen nur eine bioabbaubare Ergänzung
der Wolkenkratzerwohnungen sind.
 
Und die Noten als Zweck und Wunsch,
als wichtigster Erfolgsindikator im Leben
Und hier sind wir, so klein
Nur oberflächliche Spritzer von Wissen.
 
© Marija Bolšakova

8.XII

Du wirst dich nicht in meinen Gedanken auflösen,
wirst ein Pastellton im Bett mit deiner Geliebten,
die wie ein Tauwetter endlich gekommen ist.
 
Du wirst wie Farbe auf der Sonnenseite des Hauses verblassen
Lass es gehen,
wenn nur vom Licht auch dein Frühling schneller kommt.
 
Wir erziehen Kinder und Menschen auf, um sie einmal gehen lassen.
Denn nur so sie sich an uns erinnern
wenn sie den Lebenskern wieder verlieren.
 
Werden sich an Worte, Philosophien, Witze, Fragen erinnern
Lächeln von den Entdeckungen, die wir zusammen gemacht haben?
Der Lehrling wird Meister und er wird weg sein.
Aber die Lehre wird stets da sein– im Bewusstsein des Wissens.
 
Sie wird den vom Schüler eingeschlagenen Weg zeigen und akzeptieren.